Titel: Neue Methoden der Diskursanalyse [Themenheft Zeitschrift für Semiotik, Bd. 35 (2013 [2014]) (H. 3-4)]
Personen:Siefkes, Martin/Schöps, Doris (Hgg.)
Jahr: 2014
Typ: Sammelband
Reihe: Zeitschrift für Semiotik
Band: 35
Heft: 3-4
Schlagwörter:
Abstract: Das vorliegende Heft der "Zeitschrift für Semiotik" bezieht verschiedene Traditionen der Diskursanalyse aufeinander, die sich innerhalb der Linguistik und Semiotik in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben. In insgesamt 10 Forschungsartikeln wird ein großes Spektrum an Methoden abgedeckt. Die behandelten Themen reichen dabei von der Metropolenforschung über die Rezeptionsforschung bis hin zu Gender studies und (Post-)Kolonialismus. Die Einführung verortet die Beiträge innerhalb theoretischer Schulen und weist mit Hilfe semiotischer Begrifflichkeiten die Zusammenhänge und Divergenzen der Ansätze nach. Lange Zeit war umstritten, in welchem Maß die Linguistik für formale und inhaltliche Strukturen oberhalb der Satzebene überhaupt zuständig ist. Zwar beschäftigte sich seit den 1960er Jahren die Textlinguistik mit satzübergreifenden Strukturen; doch die Analyse von Diskursen - verstanden als textübergreifende Muster des Sprachgebrauchs, aber auch als jene Praktiken und Wissensformationen, die diese erzeugen - wurde erst relativ spät als genuin linguistischer Forschungsgegenstand aufgegriffen. Ausgehend von der Neufundierung des traditionsreichen Begriffs "Diskurs" durch Michel Foucault, die mit Blick auf die wirklichkeits- und subjektkonstituierende Kraft der Sprache erfolgte, entwickelte sich die Diskursanalyse seit den 1980er Jahren als eine Methode, die innerhalb der Linguistik ebenso wie der Sozialwissenschaften (etwa in Soziologie, Politologie und Genderstudies) angewandt wird. In den letzten Jahren haben sich diskursanalytische Verfahren in vielen Bereichen außerhalb der Lautsprache etabliert. Innerhalb kurzer Zeit sind diskursanalytische Ansätze unter anderem für Bilder, Filme, Gesten und Körperhaltungen entwickelt worden. Der Erfolg dieser Verfahren lässt es naheliegend erscheinen, Diskurse in allen gesellschaftlichen Praktiken anzusiedeln, in denen Bedeutung erzeugt und verhandelt wird. Die Verallgemeinerung der Diskurslinguistik zur Diskurssemiotik führte sowohl zur Anpassung der theoretischen Grundlagen als auch die Entwicklung praktischer Methoden für zahlreiche nicht-sprachliche Kodes. Eine weitere Herausforderung stellen multimodale Diskurse dar, bei denen mehrere Sinnesmodalitäten und/oder semiotische Modalitäten (Kodes) zusammenwirken. Einige Ansätze beziehen sich auf Foucault und die Diskursbegriffe der europäischen Philosophie, während andere den im englischsprachigen Raum verbreiteten, auf Zellig Harris zurückgehenden Begriff von "discourse" zugrunde legen, der vom Einzeltext oder Dialog ausgeht. Übereinstimmungen mit weiter gefassten Diskursbegriffen liegen dabei in der Analyse von rhetorischen Relationen, der Untersuchung großflächiger inhaltlicher Strukturen, der über die Satzebene hinausgehenden Repräsentation des im Text/Diskurs erzeugten Wissens sowie dem Interesse für die Rolle von Hintergrundwissen, das etwa in Form von "Frames" repräsentiert werden kann. In den letzten Jahren sind zudem formale Ansätze der "discourse analysis" ausgehend von DRT und SDRT entwickelt worden; diese ergänzen die bislang genannten Methoden, indem sie von den einzelnen Segmenten (Sätzen im Text, Einstellungen im Film usw.) ausgehend größere Strukturen analysieren. Die neuen Methoden der Diskursanalyse, die in diesem Heft vorgestellt werden, ermöglichen den Bezug von quantitativ oder qualitativ nachgewiesenen Mustern der Zeichenverwendung einerseits auf gesellschaftliche Strukturen, andererseits auf Denkweisen und Mentalitäten; beide Bereiche werden heute als Bestandteile von Kultur aufgefasst und wirken sich auf unseren Zeichengebrauch aus. Die Diskursanalyse ermöglicht es somit erstmals, Muster des Zeichengebrauchs in methodisch präziser Weise auf gesellschaftliche Verhältnisse und Denkweisen zu beziehen und damit wesentliche Zusammenhänge innerhalb von Kulturen zu erfassen.