Bibliografie zur deutschen Grammatik

 


Eintrag

Titel
Sprecherdeixis und Merkmaldistributionsdifferential deutscher Modalitätselemente
Personen
Werner Abraham
Jahr
2012
Typ
Aufsatz
Periodikum
Deutsche Sprache
Zeitschrift für Theorie, Praxis und Dokumentation
ISSN
0340-9341
Seiten
72 - 95
Heft
1
Schlagwörter
Deixis
Modalität
Modalpartikel
Abstract
Der Aufsatz hat zwei zentrale Anliegen. Einmal gilt es, die auf der Grundlage des diagnostischen Einsatzes von Modalpartikeln eruierte Zweiteilung der Nebensatztypen auf eine einheitliche erklärende Grundlage zu stellen. Und zum zweiten geht es um die spezifische Wissensabgleichsleistung deutscher Modalpartikel im dialogischen Wechselspiel zwischen Sprecher und Hörer (Hypothese zur "Fremdbewusstseinsabgleichfähigkeit"; in Anlehnung an Sperber/Wilsons (2986) Relevanztheorie). Zum ersten Punkt: Die Trennung der Nebensätze verläuft durch alle drei Typen (nach Haegeman 2006): 1. (faktive-nichtfaktive) Ergänzungssätze; 2. (temporal-lokative vs. logische) Adverbialsätze; und 3. ((nicht-)restriktive) adnominale Relativsätze. Dabei stellen die Modalpartikel ein entscheidendes diagnostisches Kriterium. Sobald ein deutscher Haupt- oder Nebensatz die Setzung einer Modalpartikel (MP) zulässt, trägt er autonomes Illokutionspotenzial. Mit einer MP signalisiert der Sprecher die Bereitschaft, den Wahrheitswert seiner Äußerung so lange auszustellen, bis mit den Wissens- und Glaubenssätzen des Adressaten eine gemeinsame Basis für den weiteren Diskursverlauf hergestellt ist. Eine solche Sprecherdisposition ist syntaktisch-semantisch durch ForceP repräsentiert, die satzhierarchisch höchste Satzrepräsentation. Die spezifische Aufgabe dieser Kategorie berechtigt in Anlehnung an Bühlers Origotheorie zum Terminus "Sprecherdeixis". Es geht also darum, welcher Nebensatztyp sprecherdeiktisch autonom ist und inwiefern gerade MP zu dieser Sprecherdeixis beiträgt und in welchem Grad oder gar nicht andere modale Ausdrücke über dasselbe Illokutionspotenzial verfügen und ob - und wenn wie - solche Sprecherdeixis syntaktisch zum Ausdruck kommt. Zum zweiten thematischen Punkt dieses Aufsatzes wird dafür plädiert, dass die grundlegende Diskursleistung der MP Fremdbewusstseinsabgleich (FBA) ist (entsprechend zum englischen Begriff "theory of mind" im Erstspracherwerb, hier allerdings erweitert auf die sprachliche Erwachsenenkompetenz): MPs erweisen sich als Einladungen an den Hörer, zu Sprecheräußerungen so Stellung zu nehmen, dass eine gemeinsame Redegrundlage entsteht. So gesehen stellt dieser Ansatz zentrale Punkte aus Sperber/Wilsons Relevanztheorie zur Diskussion, löst allerdings entsprechende Fragen und Probleme ausschließlich mit Mitteln der Grammatik. Als übergreifend gemeinsamer Nenner für alle drei Nebensatztypen und ihr illokutives Potenzial werden beobachtet: diskursrelevante vs. ereignisrelevante Verknüpfung; Kontextvordergrundierung vs. -hinter-grundierung; Präsuppositions- vs. Assertionsstatus (im Vergleich zum Hauptsatzstatus). Es zeigt sich, dass sich die Klasse der abhängigen Ergänzungssätze am stärksten gegen eine einheitliche Charakteristik sperrt.

https://grammis.ids-mannheim.de/bdg/75288