Anders als bei der Rechtschreibung, die für den Gebrauch an Schulen und staatlichen Einrichtungen vergleichsweise klare Normen kennt, beruhen Urteile über die Grammatizität sprachlicher Hervorbringungen auf Konventionen, die sich größtenteils stillschweigend ergeben haben.
Wenn es aber keine verbindlichen Normen für grammatisch korrektes Deutsch gibt, in welchem Sinn kann dann überhaupt von grammatischer Richtigkeit die Rede sein? Was sollte einen dann davon abhalten, seine Mitteilungungen einfach ganz nach Lust und Laune zu formulieren? Die Antwort darauf ist im Selbstversuch schnell gefunden: Man wird Probleme haben, für voll genommen zu werden, wenn man sich solche Freiheiten herausnimmt. Wenn auch keine rechtsverbindlichen Normen existieren, so finden sich doch von einer breiten Öffentlichkeit getragene und tradierte Formulierungskonventionen, durch deren Einhaltung man sich als kompetentes Mitglied der Sprachgemeinschaft qualifiziert und deren Nichtbefolgung mehr oder weniger negativ vermerkt wird.
Auskünfte zur grammatischen Wohlgeformtheit haben in Anbetracht solcher, nicht explizit gegebener Formulierungskonventionen den Charakter von Rezepten oder Bedienungsanleitungen, die ihre Nutzer in die Lage versetzen sollen, mit Hilfe expliziter Regelformulierungen ein Sprachverhalten zu erreichen, das dem der als kompetent erachteten Mitglieder der Gemeinschaft möglichst entspricht. Die Regelformulierungen sollten dabei keine unreflektierten Setzungen sein (vgl.: Deskriptiv oder normativ?). Um das gewünschte Maß an Übereinstimmung mit dem Sprachhandeln kompetenter Sprachteilhaber zu erreichen, müssen sie auf einer empirischen Erforschung des tatsächlichen Sprachverhaltens der Mitglieder der Sprachgemeinschaft beruhen (vgl.: Wie kommt man zu empirischen Aussagen?). In diesem Sinn stützen wir unsere Antworten, wo immer und wann immer dies möglich scheint, auf eine Auswertung einschlägiger Daten aus den Textkorpora des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache (IDS) sowie weiterer korpus- oder experimentallinguistischer Quellen. Jedes Fazit, das wir formulieren, muss mit den gefundenen und bewerteten Sprachdaten kompatibel sein oder, wenn die Datenlage nicht eindeutig ist, zumindest mit einer substantiellen Teilmenge der Daten.
Nach Lage der Dinge bleibt es nicht aus, dass in manchen Zweifelsfällen auch nach sorgfältiger Überprüfung der dokumentierten Sprachrealität keine eindeutige Entscheidung für eine von mehreren alternativen Formulierungsmöglichkeiten zu treffen ist. In solchen Fällen scheuen sich unsere Autorinnen und Autoren nicht, auch mal Empfehlungen auszusprechen und eigene Standpunkte zu vertreten, die Verwendungskontexte sowie die sprachgeschichtliche und sprachtheoretische Forschungslage berücksichtigen. Der Tenor solcher Empfehlungen ist dabei üblicherweise: "Es gibt hier verschiedene Möglichkeiten, doch wenn Sie sich an das halten, was wir empfehlen, werden Sie ziemlich sicher keinen Fehler machen."