Frage von D. (19 Jahre)
Lieber D.,
das ist eine sehr gute und sehr spannende Frage! Wenn du das ganz genau wissen möchtest, solltest du vielleicht Sprachwissenschaft studieren. In der vergleichenden Sprachwissenschaft oder Typologie werden genau solche Fragen besprochen. Wenn du aber mit dem Studium anfängst, wirst du bereits ganz am Anfang lernen, dass es sich bei der Entwicklung von Sprachen um sehr komplexe Phänomene handelt, die man nicht leicht erklären kann.
Geschlecht (Genus) ist ein weit verbreitetes Phänomen. Das Deutsche unterscheidet zwischen drei Genera (Maskulinum, Femininum, Neutrum), aber in einigen Sprachen gibt es weniger (nur Maskulinum und Femininum) oder mehr Genera (zum Beispiel Maskulinum, Femininum, belebt, unbelebt) als im Deutschen. Es gibt auch sehr viele Sprachen, in denen es gar kein Genus gibt (Türkisch, Finnisch, Ungarisch). Dann gibt es Sprachen, in denen es zwar ein Genus gibt, aber nur in bestimmten Bereichen, wie etwa im Englischen, das bei den Pronomen in der 3. Person Singular zwischen er, sie und es unterscheidet.
Warum sind Sprachen diesbezüglich so unterschiedlich? Leider kann man das nur ganz allgemein beantworten: Sprachen sind in sehr vielen Hinsichten sehr unterschiedlich und das Genus gehört nun mal dazu. Das hat meistens historische Gründe, die man im Einzelfall rekonstruieren kann.
Das Wichtige ist aber, dass das Genus eigentlich ganz wenig mit dem natürlichen Geschlecht zu tun hat, sondern eher mit der Übereinstimmung grammatischer Merkmale innerhalb einer Nominalphrase. So kann man mithilfe des Genus gut erkennen, welche Wörter zusammengehören, zum Beispiel im Satz:
Andere Sprachen, die kein Genus haben, müssen auf andere grammatische Tricks zurückgreifen, damit solche komplexen Ausdrücke leicht verständlich sind. Auch kann das Genus dazu dienen, den Wortschatz in unserem Kopf zu strukturieren und uns dadurch das Sprechen und Lesen zu erleichtern.