Warum haben wir das Plusquamperfekt, wenn es nie benutzt wird?

Frage von N. (11 Jahre)

Lieber N.,

vielen Dank für deine Frage über das Plusquamperfekt im Deutschen! Meinst du, dass diese Zeitform „am Aussterben ist“ oder ist sie bereits „tot“? Wir finden es zusammen heraus!

Erst einmal, was ist das überhaupt für eine Form und wofür dient sie im Deutschen: Das Plusquamperfekt (auch „Präteritumperfekt“ in der Duden-Grammatik und grammis genannt) ist eine zusammengesetzte Tempusform, die aus dem finiten Verb „haben“ oder „sein“ im Präteritum und dem Partizip Perfekt des Vollverbs gebildet wird (z.B. „Ich hatte es nicht gewußt.“ oder „Er war gestern abgereist.“). Neben dem Präteritum ist das Plusquamperfekt das erzählende Tempus im Deutschen. Deshalb kann man annehmen, dass das Plusquamperfekt als ein Signal für Vorzeitigkeit häufig in Büchern vorkommt, in denen die Handlung im Präteritum erzählt wird.

Dass diese Tempusform veraltet ist, widerlegen tausende Zeitungsbelege sowohl aus Deutschland als auch aus der Schweiz und Österreich. Hier habe ich für dich einen der neueren Zeitungsbelege aus dem Jahr 2021 ausgesucht, in dem es um Fußball geht:

Die Deutschen hatten gewusst, wie sehr es auf Pass- und Ballsicherheit ankommt. Auch auf die Chancenverwertung. (Hannoversche Allgemeine, 22.01.2021, S. 12)

Und das ist noch nicht alles: Soll ich Dir etwas verraten, was in der Schule nicht unterrichtet wird, weil es nicht zum Tempussystem des Standarddeutschen gehört? In der alltäglichen inoffiziellen mündlichen Kommunikation kann sogar das Doppel-Plusquamperfekt verwendet werden! Hast du solche Sätze schon mal gehört?

Ich hatte noch nie davon gehört gehabt!
Da hatte sie ihren Geldbeutel verloren gehabt.

Dabei bildet das Hilfsverb „haben“ als „hatte gehabt“ eine sogenannte „Verbalklammer“, zusammen mit „eingeplant“, dem Partizip II des Vollverbs. Sprachwissenschaftler nennen solche Vergangenheitsformen „superkomponierte Formen“ oder auch „doppelte Perfektformen“. Verbreitet sind sie in den oberdeutschen Dialekten, aber auch in den ost- und westmitteldeutschen. Schriftsprachliche Verwendungen sind vergleichsweise (noch) selten. Hier sind zwei Zeitungsbelege:

Zunächst hatte Regisseur Carol Reed symphonische Musik eingeplant gehabt, aber weil ihm Karas' Klang so gefiel, hat er während der Postproduktion umdisponiert. (Die Presse, 06.07.2016)
Meines Erachtens hätte Kuhn in beiden Spielen andere Leute bringen müssen. Spätestens gegen die Türken wäre der Zeitpunkt gekommen gewesen, Barnetta zu ersetzen. (Die Südostschweiz, 14.06.2008)

Wenn du weitere Beispiele für das Plusquamperfekt und für „superkomponierte Formen“ suchst, wirst du hier fündig.

Im Rahmen von Aktionstagen wie dem Girls' Day oder Türen auf mit der Maus haben Kinder die Möglichkeit, uns Fragen zu allem zu stellen, was sie an der deutschen Sprache interessiert. Die hier nachlesbare Frage mitsamt Antwort stammen aus diesen Quellen.

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Autor(en)
Anna Volodina
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