Wörterbuch zur Verbvalenz









verstehen (Lesart 2)

Strukturbeispiel

jemand/etwas versteht etwas

Im Sinne von

jemand/etwas erfasst den Sinn, das Wesen von etwas mit dem Verstand; begreifen

Satzbauplan

K sub , K akk

Beispiele

(1)
Den Satz verstehe ich nicht.
(2)
Schwierig werde es für die Pflegenden, wenn ein Bewohner mit einer anderen Muttersprache als Deutsch an einer Demenzerkrankung leidet. Dann sei es für die Pflegekräfte schwierig abzuschätzen, ob die Bewohner den Inhalt der gemeinsamen Gespräche verstehen. (Die Südostschweiz, 25.06.2010; Es ist schwer, eine Beziehung ohne Mundart aufzubauen)
(3)
Große Banken seien "too big to fail" (zu groß, um zu scheitern), könnten also auch bei neuen Krisen auf staatliche Hilfen rechnen. Daher machen sie weiter so wie vor der Finanzkrise, verkaufen hochriskante Papiere, deren Sinn sie oft selbst nicht verstehen - und nun eben auch Staatsanleihen.(Nürnberger Nachrichten, 29.04.2010, S. 2)
(4)
Ein Pferd muss bei der Dressur komplizierte Kommandos der Reiterin verstehen.
(5)
Es wird wohl noch zehn bis fünfzehn Jahre dauern, bis wir die Ursachen dieser komplexen Krankheiten genauer verstehen. (Berliner Morgenpost, 03.03.1999, S. 46)
(6) [indirekte Charakterisierung]
Das musst du mir noch einmal erklären, ich habe dich nicht verstanden.

Belegungsregeln

K sub : NP im Nom/ProP im Nom/GWS

K akk :

      NP im Akk/ProP im Akk/GWS

      SK akk mit fak. Korrelat es (stellungsbed.):

           dass-S: 

(7)
Als Schindhelm versteht, dass hier nicht der Idealismus, sondern das Geld regiert und Kultur dazu dient, neuen Einkaufszentren einen Rahmen zu geben, kündigt er seinen Job. (Mannheimer Morgen, 09.01.2010, S. 32)
(8)
Vielleicht gut beraten oder auch schlau haben sie es verstanden, dass sie den Krieg nur gewinnen können, wenn sie ihn vor die Haustür des Feindes bringen - dorthin, wo sich wachsende Teile der öffentlichen Meinung die Frage stellen, warum unsere Soldaten in Kabul sterben müssen. (dpa, 17.08.2009; Erneuerung ist nicht aufzuhalten)

           w-S:  

(9)
Worum es bei dieser Diskussion geht, habe ich überhaupt nicht verstanden.
(10)
Die kurzen Pausen nutzte der Nachfolger von Benno Möhlmann hingegen umgehend für zahlreiche Einzelgespräche; ihm ist es wichtig, dass seine Jungs auch wirklich verstehen, was er von ihnen will. (Nürnberger Nachrichten, 04.01.2010, S. 24)
(11)
Viele Eltern hätten nicht verstanden, worum es bei der Realschule plus geht, dass auch künftig zwischen denen unterschieden wird, die nur bis zur Berufsreife gehen, und jenen, die mittlere Reife machen. (Die Rheinpfalz, 09.04.2010, S. 3)

           HS:  

(12)
Cates verstand: der Mann verschonte ihn, weil er das Mädchen hatte schützen wollen. (Garner, S. 20)

Passivkonstruktionen

Werden-, Sein-Passiv

werden: 
(13)
Die wirklich elementare Bedeutung der Kunst für den Menschen wird heute überhaupt nicht mehr verstanden. (Spiegel, 33/1993, S. 153)
sein: 
(14)
Die Klassenarbeit wird verschoben, denn die Bruchrechnung ist noch nicht richtig verstanden.

Anmerkungen

Gelegentlich wird mit dem K sub auf künstliche Intelligenz [Computer o.Ä.] Bezug genommen:  

(15)
Der Computer „versteht“ die Fragen und antwortet automatisch. (die tageszeitung, 01.09.1992, S. 16)
(16)
Der Computer versteht kein Irisch“, so entschuldigt die Regierung die Weigerung, ihre Geschäfte in Irisch zu führen. (die tageszeitung, 02.10.1996, S. IV)

Das Korrelat kommt in der geschriebenen Sprache selten vor.

Wenn das K akk mit einer Personenbezeichnung belegt ist, ist damit indirekt eine sprachliche Äußerung dieser Person gemeint.

Wenn mit dem K akk auf eine Fremdsprache Bezug genommen wird, sind damit die Fähigkeiten des Lese- und Hörverstehens gemeint:

(17)
Ich verstehe Französisch ganz gut, aber ich kann es schlecht sprechen und schreiben.

Das K akk kann weggelassen werden, wenn verstehen  bei direkter Rede in einer bestätigenden Antwort verwendet wird oder als Rückversicherungsfrage, ob der Dialogpartner das Gesagte oder das von ihm Verlangte mental wahrgenommen hat:

(18)
„Ich kann morgen nicht mitkommen, meine Eltern wollen mich besuchen.“ – „Ich verstehe.“
(19)
Du brauchst kein Wort zu sagen, verstehst du? (Weyden, S. 27)
(20)
Jetzt kommt die Reihe an dich. Hast du verstanden, Hoogan? (Pegg, S. 18)

Das SK akk wird meist in Form eines w-S realisiert.

verstehen wird auch in idiomatischen Wendungen verwendet wie:
jemandem etwas zu verstehen geben: jemandem etwas indirekt, aber eindeutig mitteilen;
[ugs] (immer) nur Bahnhof verstehen: nicht richtig bzw. überhaupt nicht verstehen;
die Welt nicht mehr verstehen: überhaupt nicht mehr verstehen, was vorgeht, völllig verständnislos sein.