Warum gibt es Futur II?

Frage von O. (13 Jahre)

Liebe O.,

vielen Dank für deine interessante Frage! Wie du weißt, ist das Futur II (auch Futurperfekt genannt) eins von sechs Tempora (Präsens, Präteritum, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I und Futur II) des Standarddeutschen. Um Futur II zu bilden, brauchst du nicht zwei Verben wie bei Futur I (werde fragen), sondern immer drei Verben (werde gefragt haben).

Das Tempussystem des Deutschen, so wie wir es heute kennen, hat sich über eine lange Zeit hinweg entwickelt. Die mittelalterlichen Mönche haben dabei sicherlich eine große Rolle gespielt. Sie waren fleißig damit beschäftigt, Texte aus dem Lateinischen ins Deutsche zu übersetzen. Das Latein hatte bereits dieselben sechs Tempusformen, die wir heute im Deutschen verwenden. Dennoch ist das Futur II eines der späteren „Updates“ in unserem Sprachsystem. Erst seit dem 16. Jahrhundert oder sogar noch später fingen die Menschen an, es öfter zu verwenden.

Das Futur II benutzt man nicht so häufig im Alltag, es hat jedoch eine wichtige Funktion: Es sagt uns etwas über die Zukunft, aber auf eine besondere Weise.

Stell dir vor, du willst ausdrücken, dass eine Handlung in der Zukunft abgeschlossen sein wird, bevor etwas anderes anfängt. Schauen wir uns das an einem Beispiel an:

(1) Wenn ich mein Abitur geschafft haben werde (Futur II), werde ich als erstes nach Paris fahren (Futur I).

Hier kündigst du an, dass dein Abi zu einem zukünftigen Zeitpunkt fertig sein wird, und danach wirst du etwas anderes tun, nämlich nach Paris fahren.

„Solche Sätze wie in (1) sind aber eher selten!“, wirst du sicherlich sagen. Und weißt du, ich muss dir recht geben. Viel häufiger benutzen wir das Futur II, um Vermutungen über etwas, was bereits passiert sein könnte, auszudrücken. Hier ist ein Beispiel dafür:

(2) Er wird seinen Fehler selbst bemerkt haben.

Das heißt soviel wie: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass er seinen Fehler schon bemerkt hat.“

Man hat beobachtet, dass Vermutungen oder Hoffnungen mit Futur II viel häufiger ausgedrückt werden als „vollendete Zukunft“ wie in (1). Das war auch der Grund, warum einige Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftlerinnen in den 1970-80er Jahren darüber diskutiert haben, ob das Futur II überhaupt als eine eigenständige Tempusform betrachtet werden sollte.

Außerdem kann man Futur II-Sätze durch Sätze im Perfekt austauschen, besonders wenn bestimmte Wörter und Phrasen (wie bis morgen) darauf hinweisen, wann etwas geschieht:

(3) Sie wird die Arbeit bis morgen beendet haben. (Futur II)
= Sie hat die Arbeit bis morgen beendet. (Perfekt).

In solchen Fällen wie in (3) könnten wir auf das Futur II verzichten. Und das tun wir dann auch häufig, vor allem in der Umgangssprache. Aber es gibt Texte, in denen das Futur II wirklich wichtig ist, zum Beispiel wenn es um gesellschaftliche Entwicklungen oder Prognosen geht:

(4) Wir werden wahrscheinlich erst 2038 den Atom- und Kohleausstieg geschafft haben werden (Futur II), was möglicherweise zu spät sein wird für die vielen Menschen, die jetzt schon unter dem Klimawandel leiden.

Sätze wie (4) kann man oft in Zeitungen lesen. Hier wird das Futur II genutzt, um eine mögliche zukünftige – in diesem Fall bedrohliche – Entwicklung zu betonen. Der Satz wirkt damit fast wie eine Prophezeiung.

Also, das Futur II ist in der deutschen Sprache definitiv nützlich, auch wenn wir es nicht jeden Tag verwenden. Diese interaktiven Fragen können dir helfen, dein Verständnis des Futur II zu testen und zu vertiefen.

Im Rahmen von Aktionstagen wie dem Girls' Day oder Türen auf mit der Maus haben Kinder die Möglichkeit, uns Fragen zu allem zu stellen, was sie an der deutschen Sprache interessiert. Die hier nachlesbare Frage mitsamt Antwort stammen aus diesen Quellen.

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Autor(en)
Anna Volodina
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