Das Futurperfekt
Folgende Sätze zeigen Verbformen im Futurperfekt (auch: "Futur II" oder "vollendete Zukunft"):
Das Futurperfekt eines Verbs wird aus seinem Infinitiv Perfekt und einer konjugierten Form des Hilfsverbs werden gebildet:
Person | werden-Hilfsverb | Infinitiv Perfekt |
Ich | werde | gegangen sein. |
Du | wirst | gekommen sein. |
Er | wird | erklärt haben. |
Wir | werden | gehört haben. |
Ihr | werdet | gefahren sein. |
Sie | werden | bezahlt haben. |
Die Bildung des Futurperfekts kombiniert – die alternative Bezeichnung "vollendete Zukunft" deutet das bereits an – zwei Zeitformen, nämlich Präsensperfekt und Futur. Das nachfolgende Bild illustriert den Zusammenhang anhand des Beispielsatzes Die Sonne geht auf. Dieser lässt sich in einem ersten Schritt ins Präsensperfekt umformen (ein Hilfsverb kommt hinzu, das Verb wandert als Partizip II ans Satzende): Die Sonne ist aufgegangen. In einem zweiten Schritt bilden wir gewissermaßen das Futur dieses Perfekt-Satzes (konjugiertes Hilfsverb werden kommt hinzu, Partizip II wird zum Infinitiv Perfekt), wodurch dann das Futurperfekt entsteht: Die Sonne wird aufgegangen sein.
Beim Futurperfekt kann – wie beim Futur – eine temporale, zukunftsbezogene Verwendung von einer modalen (epistemischen) Verwendung unterschieden werden. Beispiele:
(2) Karl wird gestern in München angekommen sein.
(3) "Freundchen, du wirst mir doch keine Schande gemacht haben!" (Strittmatter 1963, S. 360)
In einer temporalen, nicht-modalen Verwendung dient das Futurperfekt der zeitlichen Situierung von Ereignissen wie in Beispiel (1). Bei Vergangenheits- (2) oder Gegenwartsbezug (3) liegt hingegen eine modale (epistemische) Tempusbedeutung vor. Das Temporaladverb gestern in (2) steht semantisch im Konflikt mit der zukunftsbezogenen Tempusbedeutung. Der Satz kann deshalb nur einen modalen Vergangenheitsbezug ausdrücken.
Zukunftsbezug:
Vergangenheitsbezug:
Gegenwartsbezug:
Du wirst ihm die Wahrheit gesagt haben: "Kinder, Beichtstühle, Kinos, gregorianischen Choral und Clowns". (Böll 1963, S. 247)
Erster Schritt: Zunächst muss das Obertempus, nämlich die Tempusform des Hilfsverbs – im obigen Satz (1) beispielsweise wird –, ausgewertet werden. Als Futurform bestimmt diese eine Betrachtzeit, die sich entweder mit der Sprechzeit überschneidet oder nach dieser liegt:
Zweiter Schritt: Im nächsten Schritt wird der Infinitiv Perfekt ausgewertet. Er greift die Betrachtzeit des Futurs als Orientierungszeit auf und setzt selbst eine neue Betrachtzeit, die vor dieser Orientierungszeit liegen muss. Die perfektive Form – im obigen Satz (1) beispielsweise aufgegangen sein – gibt also an, dass die vom Futur festgelegte Betrachtzeit (Zukunft oder Gegenwart) als Orientierungszeit für eine neue Betrachtzeit dient. Die Sonne wird zu einem bestimmten Zeitpunkt in Zukunft oder Gegenwart (= Betrachtzeit des Futurs und damit jetzt Orientierungszeit) aufgegangen sein (= Betrachtzeit des Perfekts):
Dabei sind Beispiele künftiger Wahrscheinlichkeit des Vergangenseins von Ereignissen selten, was wohl daran liegen dürfte, dass anstelle der umständlichen Futurperfektform (vgl. Satz 4) das einfachere Präsensperfekt (vgl. Satz 5) gewählt werden kann:
(5) In einem Jahr haben wir all den Ärger vergessen. (Präsensperfekt)
Das Futurperfekt kann – wie das vergleichbare historische Futur – in Kontexten mit 'historischem' Präsens verwendet werden. Es kann dann der zeitlichen Situierung von Ereignissen dienen, die aus Sicht der Sprechzeit in der Vergangenheit liegen, z. B.: