Datenbank Rechtschreibwortschatz



Orthographische Grundlagen

In der deutschen Schriftlinguistik werden drei konkurrierende Auffassungen vertreten, wie sich gesprochene und geschriebene Sprache zueinander verhalten bzw. aufeinander bezogen sind (Abhängigkeitshypothese, Korrespondenzhypothese und Autonomiehypothese). Wir gehen hier davon aus, dass die geschriebene Sprache von der gesprochenen abhängt, insofern die Silbe und nicht das Wort als Grundlage der Ableitung des Geschriebenen vom Gesprochenen dient (vgl. Ossner 2010, 64) und dass die Schrift außerdem eigenen unabhängigen Prinzipen folgt.

Viele Schreibungen im Deutschen unterliegen systematischen Regularitäten. Dies kann und soll beim Schrifterwerb genutzt werden, denn eine systematische Herangehensweise fördert das (selbständige) Lernen.

Das deutsche Schriftsystem beruht auf unterschiedlichen Prinzipien, von denen die drei wichtigsten die Graphem-Phonem-Korrespondenz, das morphologische Prinzip und das grammatische Prinzip sind.

Die Graphem-Phonem-Korrespondenz

Den Phonemen werden Grapheme zugeordnet. Dies geschieht auf Basis der Silbenstruktur. So muss bspw. in jeder (Schreib-)Silbe ein Vokalbuchstabe (zur Kennzeichnung des Sonoritätsmaximums) vorhanden sein: Ein Schwa in der zweiten unbetonten Silbe (Reduktionssilbe) bspw. hört man bei normalem Sprechen nicht [le:bn] (ggf. aber beim Überlautieren [le:bәn]). Der Bedingung der (Schreib-)Silbe folgend wird in der zweiten Silbe dann der Vokalbuchstabe <e> verschriftet.

Ein gespanntes, langes [i:] wird (bei Wörtern aus dem nativen Wortschatz) fast immer mit <ie> verschriftlicht. Tatsächlich wird Länge/Gespanntheit orthographisch sonst nicht systematisch markiert. kommen wird deshalb mit <mm> geschrieben, weil der Konsonant sowohl die erste Silbe schließt, als auch die zweite Silbe eröffnet. Beim Sprechen hört man keinen Doppelkonsonanten. Die Schrift stellt diese in der gesprochenen Sprache ambisilbischen Konsonanten i.d.R. durch Verdoppelung der Konsonantengrapheme dar.

Das morphologische Prinzip

Verwandte Wörter werden, wenn die Silbenstruktur dies zulässt, gleich geschrieben (Schemakonstanz). Hund wird wegen Hunde mit <d> geschrieben, obwohl in der ersten Wortform ein stimmloser Plosiv /t/ zu hören ist. Diesem Prinzip folgend werden auch kommen und kommst mit <mm> geschrieben, obwohl die Doppelkonsonantenschreibung in der 2. Person Singular nicht (silbisch) motiviert ist; kamen folgt hingegen der Schemakonstanz nicht, weil in der 3. Person Plural Präteritum eine offene, betonte Silbe mit langem Vokal vorliegt.

Das grammatische Prinzip

Diesem Prinzip folgen bspw. die Groß- und Kleinschreibung sowie die Getrennt- und Zusammenschreibung. Ob ein Wortanfang klein- oder großgeschrieben wird, oder ob Haifisch zusammen- oder getrenntgeschrieben wird, oder eine Präposition groß- oder kleingeschrieben wird, hängt von der syntaktischen Umgebung ab:

Dass ein Hai Fisch frisst,... .
Ein Haifisch ist kein Säugetier.
Er lief auf und ab.
Das ewige Auf und Ab ging mir auf die Nerven.

Nerius et al. (2007, 85-98) diskutieren weitere Phänomene der deutschen Orthographie, die nicht regelbildend sind und ggf. als Idiosynkrasien - die Schreibung kann nicht (mehr) hergeleitet werden - behandelt werden, wie zum Beispiel das V in Vater oder die gleichlautenden Lemmata Ehre und Ähre. Kompetenzen, die sich dem grammatischen Prinzip zuordnen lassen, werden nicht in der Wörterliste angeführt, da sie syntaktisch motiviert sind und damit im gegebenen Kontext entschieden werden müssen.