Das Geheimnis, das oder was du mir verraten hast? — das oder was als Relativpronomen

Sowohl das als auch was können im Deutschen als Relativpronomen auftreten: Während das ein Demonstrativpronomen ist, gehört was zu den W-Pronomina . Sowohl in der Dudengrammatik (2009, S. 1030-1031) als auch in der GDS (1997, S. 42) werden die Bedingungen für den Gebrauch beider Pronomina erläutert. Prinzipiell wird der/die/das gebraucht, wenn im Hauptsatz ein Bezugselement steht – in der Regel eine Nominalphrase, wie das blonde Mädchen im Beispiel hier unten. Wer/was tritt dagegen auf, wenn im Hauptsatz kein Bezugselement steht (sog. 'freier Relativsatz').

Das blonde Mädchen, das wir gestern im Kino getroffen haben, ist Lisas Busenfreundin.
Was du gestern getan hast, sollst du heute nicht bereuen.

Wie das zweite Beispiel oben zeigt, stehen freie Relativsätze in der Regel vor dem Hauptsatz; optional kann im Hauptsatz das W-Pronomen durch ein Demonstrativpronomen wiederaufgenommen werden:

Was du gestern getan hast, das sollst du heute nicht bereuen.

Allerdings sind Fälle zu verzeichnen, in denen was in Relativsätzen mit Bezugselement verwendet werden kann. In diesem Fall steht der durch was eingeleitete Relativsatz nicht vor dem Hauptsatz, sondern folgt dem Bezugselement. Dieser Gebrauch von was ist standardsprachlich relativ klar geregelt. Laut Dudengrammatik (2009, S. 1031ff.) ist das Relativpronomen was in Relativsätzen mit Bezugselement in folgenden Fällen zu benutzen:

1. Das Bezugselement ist ein neutrales Pronomen wie das, alles, einiges

Gekauft wird allerdings nur das, was schon auf dem Markt etabliert ist.
[Berliner Zeitung, 29.10.1997, S. IV]
Es gibt jedoch einiges, was schon im Vorfeld geklärt werden kann.
[Hannoversche Allgemeine, 18.09.2007, S.15]

2. Das Bezugselement ist ein substantiviertes Adjektiv im Neutrum.

Das bedeutet in die heutige Sprache übersetzt: Glaube nicht, dass das Schöne, was man zu "haben" glaubt, nicht ganz schnell durch die Finger rinnen kann.
[die tageszeitung, 13.08.2005, S. IV]
Im Endspiel sahen dann die Zuschauer das Beste was in Hachenburg je an Tennis geboten wurde.
[Rhein-Zeitung, 13.08.1996]

3. Das Bezugselement besteht aus einem ganzen Satz – dem Hauptsatz. In diesem Fall spricht man von einem 'weiterführenden Relativsatz' (Dudengrammatik 2009, S. 1037).

Sie sind mit ihrer Geschäftsidee auf die Bühne statt an die Börse gegangen, was in diesen unsicheren Zeiten vielleicht sogar klüger ist.
[Frankfurter Allgemeine, 18.09.2001]

Die Dudengrammatik (2009, S. 1031-1032) räumt ein, dass bei den Fällen 1. und 2. Schwankungen zu verzeichnen sind. So sind z.B. beim Pronomen etwas sowohl was als auch das vertreten. Eine Recherche in den Textkorpora des IDS ergab eine relativ starke Präferenz für das, zumindest wenn das Bezugselement etwas und das Relativpronomen in Kontaktstellung (d.h. unmittelbar nacheinander) stehen. Was neutrale Adjektive betrifft, so wird z.B. bei Superlativformen (wie das Beste im obigen Beispiel) was fünf Mal so oft wie das benutzt.

SuchanfrageBelege
etwas was11320
etwas das15094
das Superlativ was4939
das Superlativ das1118

Tabelle 1: IDS-Korpora, 15.12.10.

Der Gebrauch von was als Relativpronomen in anderen Fällen als den oben angeführten – also etwa auch mit Substantiven als Bezugselementen – gilt als "nicht standardsprachlich" und soll nur "in manchen Regionen" üblich sein (Dudengrammatik 2009, S. 1033). Somit sollte es in der heutigen hochdeutschen Standardsprache korrekt heißen:

Das Geheimnis, das du mir verraten hast.

Wie sieht es im tatsächlichen Sprachgebrauch aus?

Betrachtet man den tatsächlichen Sprachgebrauch, ergibt sich kein so scharfes Bild. Fangen wir mit den Dialekten an.

Regionale Dialekte

In manchen Dialektgebieten kommt was als Relativpronomen vor, auch wenn das Bezugselement im Hauptsatz ein (neutrales) Substantiv ist.

Dat Peerd, wat ik köfft heb
Das Pferd, was ich gekauft habe
[Nordniederdeutsch, Wiesenhann 1936, S. 27, zitiert in Fleischer 2004, S. 70]

In seiner Studie über Relativsätze in den deutschen Dialekten erwähnt Fleischer drei Dialektgebiete, in denen dieser Gebrauch möglich ist: Das Nordniederdeutsche, das Obersächsische von Leipzig und das Westfälische. Allerdings stellt Fleischer einen Unterschied zwischen diesen Dialekten fest: In den beiden ersten werden sowohl was als auch das für die Relativierung neutraler Substantive quasi als freie Varianten benutzt. D.h., das obige Beispiel ist auch als

Dat Peerd, dat ik köfft heb

belegt. Im Westfälischen hat sich dagegen was (in der phonetischen Variante wat) als einziges Relativpronomen für die Relativerung neutraler Substantive etabliert. Im Beispiel unten kommt nur wat, nicht dat, vor.

En Stück, wat druckt wät
Ein Stück, was gedruckt wird
[Westfälisch, Born 1978, S. 61, zitiert in Fleischer 2004, S. 70]

Während wir also im Nordniederdeutschen und Obersächsischen ein Relativpronomen der/die/das (was) haben, hat was im Westfälischen das durchgängig ersetzt: In dieser Region lautet das Relativpronomen somit der/die/was .

Überregionale gesprochene Sprache

Das 'Eindringen' von was in das Gebrauchsgebiet von das ist jedoch nicht auf diese Dialektareale beschränkt. Im überregionalen gesprochenen Deutsch finden wir ähnliche Fälle. Zwei Beispiele:

Es war das einzige Kleid, was noch da im Schrank stand.
Mit dem Geld, was Sie gewonnen haben, können Sie schon zufrieden sein.

Beide Sätze wurden von TV-Moderatoren nationaler Fernsehkanäle ausgesprochen, die sich auf jeden Fall am Standard orientieren. Hier werden nur zwei Beispiele zitiert: Spitzt man aber die Ohren und hört bei Fernseh- und Radioprogrammen oder bei Gesprächen mal genauer hin, so wird man schnell feststellen können, dass die Alternanz zwischen was und das als Charakteristikum der gesprochenen bzw. Umgangssprache angesehen werden kann (so auch Romaine 1984, S. 450). Somit haben wir im gesprochenen Deutsch eine ähnliche Situation wie im Nordniederdeutschen und Obersächsischen: Maskuline und feminine Bezugselemente werden ausschließlich durch der und die relativiert, für neutrale Bezugselemente kommen dagegen sowohl das als auch was in Frage. Diese Tendenz mag vermutlich durch Analogie entstanden sein: Da was schon mit neutralen Pronomina und substantivierten Adjektiven gebraucht wird, bietet sich der 'Sprung' zu den neutralen Substantiven quasi analogisch an. Der Weg von den Pronomina zu den Adjektiven und Substantiven ist auch historisch belegt (s. weiter unten).

Geschriebene Sprache

Wie ist nun die Lage in der geschriebenen Sprache? Auch hier taucht was zur Relativierung von neutralen Substantiven auf. Oft geschieht dies bei der Redewiedergabe, besonders in der direkten Rede. Der Berichtende gibt jemandes Worte getreu wieder: Wie bereits angemerkt, wird in der überregionalen gesprochenen Sprache was mit neutralen substantivischen Bezugselementen verwendet; daher kann man wohl erwarten, dass sich dieser Gebrauch auf die geschriebene Sprache überträgt, wenn Gesprochenes verschriftet wird. Typischerweise handelt es sich um Interviews oder eben Berichte:

Das Geld, was wir mit der Musik "verdient" haben, haben wir gleich wieder in Instrumente und Equipment gesteckt.
[Vorarlberger Nachrichten, 28.10.1999, S. W10 (Interview)]

Auch wenn damals die weitere wirtschaftliche Entwicklung – u. a. aufgrund der bevorstehenden Mehrwertsteuererhöhung – eher moderat gesehen wurde, eröffnete sich dem Dax doch das Umfeld, was er brauchte.
[VDI Nachrichten, 13.07.2007, S. 17 (Interview)]

"Gleichförmige Spieler ist das Format, was man da sehen möchte", kritisiert der Schalker Bundestrainer Jogi Löw.
[Hamburger Morgenpost, 13.06.2009, S. 41]

Das hängt nun davon ab, was Sie als deutsch definieren. Das Bild, was sich uns bietet, ist doch sehr diffus: Es reicht von Heino bis zu Udo Lindenberg, vom "Blauen Bock", der hessischen Variante, bis zu Gottschalk.
[Der Spiegel, 03.01.1994, S. 131 (Spiegel-Gespräch)]

"Wir bekommen das Gas, was wir bestellt haben", betonte der Sprecher des E.ON-Tochterunternehmens.
[Nürnberger Zeitung, 05.01.2009, S. 1]

Daneben finden wir auch Fälle, in denen die Redewiedergabe indirekt erfolgt, wie im Beispiel hier unten. Der Berichtende hält sich trotzdem an den Wortlaut.

Laut Witte scheitern die meisten Paare daran, dass sie glauben, dass das Gefühl, was man einmal empfunden hat, automatisch anhält. "Man muss sich aber aktiv darum in der Partnerschaft bemühen", sagt er.
[Hamburger Morgenpost, 10.09.2008, S. 1]

Manchmal kommt jedoch das Pronomen was zur Relativierung von Neutra in geschriebenen Texten, die sich an der Standardsprache orientieren, auch ohne Bezug auf Gesprochenes vor. Diese Fälle sind relativ selten; man könnte sie auf den Druck zurückführen, den der Sprachgebrauch auf die Norm übt.

Aber wer bekommt schon genau das Leben, was er sich wünscht?
[die tageszeitung, 12.05.2009, S. 05]
Doch das Ungeheuer, was in 98 Meter Tiefe im Schlamm des Sees hockte, war ganz und gar nicht unheimlich.
[Hamburger Morgenpost, 07.05.2007, S. 36]

Stewart hat jetzt das Team, was er sich nach seinem Geschmack zusammenstellen durfte.
[Hamburger Morgenpost, 25.11.2008, S. 46]

das ist nicht das Image, was der Stadtrat will.
[Nürnberger Zeitung, 09.08.2007, S. 3]

Seit über vierzig Jahren spielen sie nun schon ihre irische Pop-Musik, mit der sie vermutlich mehr für den Umsatz von "Irish Pubs" in Deutschland getan haben, als das Bier, was dort ausgeschenkt wird.
[die tageszeitung, 29.11.2008, S. 30]

Außerdem stößt man manchmal auf Fälle, die sich an der Grenze zwischen (substantiviertem) Adjektiv und Substantiv befinden: In den folgenden beiden Beispielen sind die Bezugselemente zwar zwei (entlehnte) neutrale Substantive, von der Bedeutung (und dem Ursprung!) her entsprechen sie jedoch den Ausdrücken "das Beste" bzw. "das Allerwenigste". Dadurch könnte man die Tatsache rechtfertigen, dass sie hier durch was relativiert werden – abgesehen davon, dass wir es im ersten Beispiel wieder mit einem Fall von Redewiedergabe zu tun haben.

"Das war vielleicht das Optimum, was wir im Moment zu leisten im Stande sind", lobte Magath und freute sich mächtig über das klasse herausgespielte Siegtor.
[Hamburger Morgenpost, 17.03.2008, S. 5]

Vier Punkte, so wird in der Hansestadt vor der heutigen Partie gegen den 1. FC Nürnberg gemutmaßt, sind das Minimum, was der HSV aus den beiden verbleibenden Spielen benötigt.
[Nürnberger Zeitung, 09.12.2006]

Ein weiterer Faktor, der für den Gebrauch von was mit neutralen substantivischen Bezugselementen verantwortlich zu sein scheint, ist die Textsorte. Wir erwarten nämlich von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, dass sie sich an der (geschriebenen) Standardnorm orientieren, d.h. dass sie im Bereich der sog. 'konzeptionellen Schriftlichkeit' (Koch/Oesterreicher 1990) zu verorten sind; für andere Textsorten mag dies nicht unbedingt der Fall sein: Zum Beispiel können in Leserbriefen, studentischen Flugblättern oder Diskussionsforen auch Merkmale der 'konzeptionellen Mündlichkeit' auftauchen. Der Verfasser orientiert sich an der mündlichen Sprache, deren Besonderheiten sich demzufolge in geschriebenen Texten wiederfinden können (vgl. im dritten Beispiel das Lexem versaufen oder die e-Apokope in hab, hätt und die en-Apokope in ein [Benz]).

Das Chaos, was sich jetzt abzeichnet, unterstreicht nur die Richtigkeit der Forderung der Lokführer.
[Hamburger Morgenpost, 17.11.2007, S. 7 (Leserbrief)]
Ein Studium was in sechs Semestern durchzogen werden muss hat enge Zeitpläne und lässt oft nicht zu, Wissen nicht nur aufzusaugen, sondern auch kritisch zu hinterfragen.
[Flugblatt der AStA der FU Berlin]
Von dem Geld was ich versoffen hab, hätt ich mir ein Benz holen können.
[http://www.facebook.com/group.php?gid=105532349476284]

Und wie sah es früher aus?

Auskunft über den Gebrauch von was als Relativpronomen in früheren Sprachstufen geben u.a. Paul (199824) und Ebert (1993). Paul (199824) zeigt, dass im Mittelhochdeutschen was nur in freien Relativsätzen vorkam; ab dem Frühneuhochdeutschen (Ebert 1993, S. 449) wird was mit pronominalen Bezugselementen wie das, einiges, alles, ab dem 17. Jhd. auch mit substantivierten Adjektiven verwendet. Der Gebrauch mit Substantiven ist vereinzelt schon im 16. Jhd. belegt, erst im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts scheint er sich allerdings zu verallgemeinern. Genauere Informationen sind im Grimm-Wörterbuch (DWB, sub voce wer, ab B.3.) zu finden. Daraus stammen die folgenden Beispiele:

der affect wirkt wie ein wasser, was den damm durchbricht
[Kant s. w. (1838) 10, 277 H.]

nach dem bekannten sprichwort, was ich nicht citiren will
[Bismarck reden 3, 82]

Dieser Gebrauch wurde recht bald als Abweichung von der Norm beurteilt. In seinem Wörterbuch schreibt Adelung: "selbst wenn das selbständige, worauf sich das relativum beziehet, ein neutrum ist, sollte eigentlich nicht was, sondern welches stehen, indem das erstere weder person noch geschlecht bestimmet ... nicht: ein kind, was noch unmündig ist, sondern welches"; (Adelung 5 (1786) 76, zitiert in DWB, sub voce wer, B.3.c.α). Aus den historischen Belegen können wir also schließen, dass der heutzutage in der gesprochenen Sprache besonders verbreitete Gebrauch von was bereits seit Jahrhunderten nachgewiesen ist; die kritische Haltung der sprachnormierenden Instanzen bewirkte möglicherweise, dass er bis heute nur bedingt Zugang zur geschriebenen Sprache hat.

Fazit

In der geschriebenen Sprache hält man sich am besten an die Normen der Standardsprache und schreibt Das Geheimnis, das du mir verraten hast. In der gesprochenen Sprache kann man ohne weitere Bedenken sowohl Das Geheimnis, das du mir verraten hast als auch Das Geheimnis, was du mir verraten hast benutzen.

Dieser Beitrag findet sich auch in der Festschrift für Bruno Strecker, den Erfinder der "Grammatik in Fragen und Antworten", über den IDS-Buchshop sowie den IDS-Publikationsserver.

Adriano Murelli (2012): Das Geheimnis, das oder was du mir verraten hast?das oder was als Relativpronomen. In: Marek Konopka / Roman Schneider: Grammatische Stolpersteine digital — Festschrift für Bruno Strecker zum 65. Geburtstag. Mannheim: Institut für deutsche Sprache. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:mh39-14774

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Adriano Murelli
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