Sowohl das als auch was können im Deutschen als Relativpronomen auftreten: Während das ein Demonstrativpronomen ist, gehört was zu den W-Pronomina . Sowohl in der Dudengrammatik (2009, S. 1030-1031) als auch in der GDS (1997, S. 42) werden die Bedingungen für den Gebrauch beider Pronomina erläutert. Prinzipiell wird der/die/das gebraucht, wenn im Hauptsatz ein Bezugselement steht – in der Regel eine Nominalphrase, wie das blonde Mädchen im Beispiel hier unten. Wer/was tritt dagegen auf, wenn im Hauptsatz kein Bezugselement steht (sog. 'freier Relativsatz').
Wie das zweite Beispiel oben zeigt, stehen freie Relativsätze in der Regel vor dem Hauptsatz; optional kann im Hauptsatz das W-Pronomen durch ein Demonstrativpronomen wiederaufgenommen werden:
Allerdings sind Fälle zu verzeichnen, in denen was in Relativsätzen mit Bezugselement verwendet werden kann. In diesem Fall steht der durch was eingeleitete Relativsatz nicht vor dem Hauptsatz, sondern folgt dem Bezugselement. Dieser Gebrauch von was ist standardsprachlich relativ klar geregelt. Laut Dudengrammatik (2009, S. 1031ff.) ist das Relativpronomen was in Relativsätzen mit Bezugselement in folgenden Fällen zu benutzen:
1. Das Bezugselement ist ein neutrales Pronomen wie das, alles, einiges…
2. Das Bezugselement ist ein substantiviertes Adjektiv im Neutrum.
3. Das Bezugselement besteht aus einem ganzen Satz – dem Hauptsatz. In diesem Fall spricht man von einem 'weiterführenden Relativsatz' (Dudengrammatik 2009, S. 1037).
Die Dudengrammatik (2009, S. 1031-1032) räumt ein, dass bei den Fällen 1. und 2. Schwankungen zu verzeichnen sind. So sind z.B. beim Pronomen etwas sowohl was als auch das vertreten. Eine Recherche in den Textkorpora des IDS ergab eine relativ starke Präferenz für das, zumindest wenn das Bezugselement etwas und das Relativpronomen in Kontaktstellung (d.h. unmittelbar nacheinander) stehen. Was neutrale Adjektive betrifft, so wird z.B. bei Superlativformen (wie das Beste im obigen Beispiel) was fünf Mal so oft wie das benutzt.
Suchanfrage | Belege |
etwas was | 11320 |
etwas das | 15094 |
das Superlativ was | 4939 |
das Superlativ das | 1118 |
Tabelle 1: IDS-Korpora, 15.12.10.
Der Gebrauch von was als Relativpronomen in anderen Fällen als den oben angeführten – also etwa auch mit Substantiven als Bezugselementen – gilt als "nicht standardsprachlich" und soll nur "in manchen Regionen" üblich sein (Dudengrammatik 2009, S. 1033). Somit sollte es in der heutigen hochdeutschen Standardsprache korrekt heißen:
Betrachtet man den tatsächlichen Sprachgebrauch, ergibt sich kein so scharfes Bild. Fangen wir mit den Dialekten an.
In manchen Dialektgebieten kommt was als Relativpronomen vor, auch wenn das Bezugselement im Hauptsatz ein (neutrales) Substantiv ist.
In seiner Studie über Relativsätze in den deutschen Dialekten erwähnt Fleischer drei Dialektgebiete, in denen dieser Gebrauch möglich ist: Das Nordniederdeutsche, das Obersächsische von Leipzig und das Westfälische. Allerdings stellt Fleischer einen Unterschied zwischen diesen Dialekten fest: In den beiden ersten werden sowohl was als auch das für die Relativierung neutraler Substantive quasi als freie Varianten benutzt. D.h., das obige Beispiel ist auch als
belegt. Im Westfälischen hat sich dagegen was (in der phonetischen Variante wat) als einziges Relativpronomen für die Relativerung neutraler Substantive etabliert. Im Beispiel unten kommt nur wat, nicht dat, vor.
Während wir also im Nordniederdeutschen und Obersächsischen ein Relativpronomen der/die/das (was) haben, hat was im Westfälischen das durchgängig ersetzt: In dieser Region lautet das Relativpronomen somit der/die/was .
Das 'Eindringen' von was in das Gebrauchsgebiet von das ist jedoch nicht auf diese Dialektareale beschränkt. Im überregionalen gesprochenen Deutsch finden wir ähnliche Fälle. Zwei Beispiele:
Beide Sätze wurden von TV-Moderatoren nationaler Fernsehkanäle ausgesprochen, die sich auf jeden Fall am Standard orientieren. Hier werden nur zwei Beispiele zitiert: Spitzt man aber die Ohren und hört bei Fernseh- und Radioprogrammen oder bei Gesprächen mal genauer hin, so wird man schnell feststellen können, dass die Alternanz zwischen was und das als Charakteristikum der gesprochenen bzw. Umgangssprache angesehen werden kann (so auch Romaine 1984, S. 450). Somit haben wir im gesprochenen Deutsch eine ähnliche Situation wie im Nordniederdeutschen und Obersächsischen: Maskuline und feminine Bezugselemente werden ausschließlich durch der und die relativiert, für neutrale Bezugselemente kommen dagegen sowohl das als auch was in Frage. Diese Tendenz mag vermutlich durch Analogie entstanden sein: Da was schon mit neutralen Pronomina und substantivierten Adjektiven gebraucht wird, bietet sich der 'Sprung' zu den neutralen Substantiven quasi analogisch an. Der Weg von den Pronomina zu den Adjektiven und Substantiven ist auch historisch belegt (s. weiter unten).
Wie ist nun die Lage in der geschriebenen Sprache? Auch hier taucht was zur Relativierung von neutralen Substantiven auf. Oft geschieht dies bei der Redewiedergabe, besonders in der direkten Rede. Der Berichtende gibt jemandes Worte getreu wieder: Wie bereits angemerkt, wird in der überregionalen gesprochenen Sprache was mit neutralen substantivischen Bezugselementen verwendet; daher kann man wohl erwarten, dass sich dieser Gebrauch auf die geschriebene Sprache überträgt, wenn Gesprochenes verschriftet wird. Typischerweise handelt es sich um Interviews oder eben Berichte:
Daneben finden wir auch Fälle, in denen die Redewiedergabe indirekt erfolgt, wie im Beispiel hier unten. Der Berichtende hält sich trotzdem an den Wortlaut.
Manchmal kommt jedoch das Pronomen was zur Relativierung von Neutra in geschriebenen Texten, die sich an der Standardsprache orientieren, auch ohne Bezug auf Gesprochenes vor. Diese Fälle sind relativ selten; man könnte sie auf den Druck zurückführen, den der Sprachgebrauch auf die Norm übt.
Außerdem stößt man manchmal auf Fälle, die sich an der Grenze zwischen (substantiviertem) Adjektiv und Substantiv befinden: In den folgenden beiden Beispielen sind die Bezugselemente zwar zwei (entlehnte) neutrale Substantive, von der Bedeutung (und dem Ursprung!) her entsprechen sie jedoch den Ausdrücken "das Beste" bzw. "das Allerwenigste". Dadurch könnte man die Tatsache rechtfertigen, dass sie hier durch was relativiert werden – abgesehen davon, dass wir es im ersten Beispiel wieder mit einem Fall von Redewiedergabe zu tun haben.
Ein weiterer Faktor, der für den Gebrauch von was mit neutralen substantivischen Bezugselementen verantwortlich zu sein scheint, ist die Textsorte. Wir erwarten nämlich von Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, dass sie sich an der (geschriebenen) Standardnorm orientieren, d.h. dass sie im Bereich der sog. 'konzeptionellen Schriftlichkeit' (Koch/Oesterreicher 1990) zu verorten sind; für andere Textsorten mag dies nicht unbedingt der Fall sein: Zum Beispiel können in Leserbriefen, studentischen Flugblättern oder Diskussionsforen auch Merkmale der 'konzeptionellen Mündlichkeit' auftauchen. Der Verfasser orientiert sich an der mündlichen Sprache, deren Besonderheiten sich demzufolge in geschriebenen Texten wiederfinden können (vgl. im dritten Beispiel das Lexem versaufen oder die e-Apokope in hab, hätt und die en-Apokope in ein [Benz]).
Auskunft über den Gebrauch von was als Relativpronomen in früheren Sprachstufen geben u.a. Paul (199824) und Ebert (1993). Paul (199824) zeigt, dass im Mittelhochdeutschen was nur in freien Relativsätzen vorkam; ab dem Frühneuhochdeutschen (Ebert 1993, S. 449) wird was mit pronominalen Bezugselementen wie das, einiges, alles, ab dem 17. Jhd. auch mit substantivierten Adjektiven verwendet. Der Gebrauch mit Substantiven ist vereinzelt schon im 16. Jhd. belegt, erst im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts scheint er sich allerdings zu verallgemeinern. Genauere Informationen sind im Grimm-Wörterbuch (DWB, sub voce wer, ab B.3.) zu finden. Daraus stammen die folgenden Beispiele:
Dieser Gebrauch wurde recht bald als Abweichung von der Norm beurteilt. In seinem Wörterbuch schreibt Adelung: "selbst wenn das selbständige, worauf sich das relativum beziehet, ein neutrum ist, sollte eigentlich nicht was, sondern welches stehen, indem das erstere weder person noch geschlecht bestimmet ... nicht: ein kind, was noch unmündig ist, sondern welches"; (Adelung 5 (1786) 76, zitiert in DWB, sub voce wer, B.3.c.α). Aus den historischen Belegen können wir also schließen, dass der heutzutage in der gesprochenen Sprache besonders verbreitete Gebrauch von was bereits seit Jahrhunderten nachgewiesen ist; die kritische Haltung der sprachnormierenden Instanzen bewirkte möglicherweise, dass er bis heute nur bedingt Zugang zur geschriebenen Sprache hat.
Dieser Beitrag findet sich auch in der Festschrift für Bruno Strecker, den Erfinder der "Grammatik in Fragen und Antworten", über den IDS-Buchshop sowie den IDS-Publikationsserver.
Adriano Murelli (2012): Das Geheimnis, das oder was du mir verraten hast? — das oder was als Relativpronomen. In: Marek Konopka / Roman Schneider: Grammatische Stolpersteine digital — Festschrift für Bruno Strecker zum 65. Geburtstag. Mannheim: Institut für deutsche Sprache. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:mh39-14774