Sind Unkosten keine Kosten? — Das negierende Präfix un-
Schließlich geht es um Profite und
diese sind umso höher, je weniger Unkosten, somit auch Personalkosten anfallen.
[Salzburger Nachrichten, 20.09.1997, Der Staat hat Pflichten]
Wer Unrecht hat, hat kein Recht. Aber wer Unkosten hat, kommt keineswegs gratis durch. Das
erstaunt, weil es gegen die Regel ist. Sehen wir uns zunächst die Regel an.
Das Präfix un-
Das Präfix un- hat im Deutschen drei Grundfunktionen:
- Hauptsächlich negiert, verneint es; der Wahrheitsgehalt eines Wortes wird in
Frage gestellt: Unrecht ist kein Recht, Untote sind nicht tot, unsachlich ist nicht sachlich. Dieses Negationspräfix un- findet sich sowohl bei
Nomina
als auch bei Adjektiven.
- Daneben zeigt es etwas Negatives an: Eine Untat ist eine Tat, aber eine böse;
ein Unmensch ist ein schlechter Mensch; ein Unwetter ist ein scheußliches Wetter. Dieses
un- findet sich nur bei Nomina.
- Schließlich zeigt es, ebenfalls nur bei Nomina, als Verstärkungspräfix mitunter an, dass etwas in besonders ausgeprägtem Maße
zutrifft: Eine Unsumme ist eine besonders hohe Summe, eine Unmenge Kekse sind besonders
viele Kekse. Sowohl verstärkend als auch verneinend wirkt un- bei Untiefe: Umgangssprachlich wird damit gelegentlich eine besonders tiefe Stelle bezeichnet, üblicherweise und in der Fachsprache der Seefahrt (Nautik) dagegen eine nicht tiefe (= seichte) Stelle in Gewässern; solche Wörter mit mehreren einander entgegengesetzten Bedeutungen bezeichnen wir als Januswörter oder Antagonyme, sie sind gewissermaßen gleichzeitig sowohl Polyseme als auch Antonyme (Gegensatzwörter).
Unkosten passt in keine der drei Gruppen. Es wird offenbar gleichbedeutend
mit Kosten verwendet, kommt allerdings deutlich seltener vor: Im
Online-Wörterbuch zur deutschen Gegenwartssprache elexiko fällt
Unkosten nur in Frequenzschicht VII,
Kosten dagegen in Frequenzschicht XI.
Diskussion
Ob Unkosten ganz und gar gleichbedeutend mit Kosten ist oder nicht doch in eine der drei Gruppen gehört,
wird in Linguisten- wie in Nichtlinguistenkreisen immer mal wieder heftig diskutiert:
- Dass Unkosten auf jeden Fall Kosten sind, ist dabei unumstritten. Bei
Unkosten liegt also keine regelhafte Verneinung vor wie bei
Unrecht.
- Der Duden Das große Wörterbuch in acht Bänden (1999)
definiert, dass Unkosten besonders unangenehme Kosten bezeichne.
Dagegen spricht, dass Unkosten nicht selten geringe Kosten sind, die zu eigentlich
angenehmen Veranstaltungen wie Betriebsausflügen oder privaten Feiern anfallen. Wie
zudem ein Leserbriefschreiber der tageszeitung 2003 plausibel anmerkt, sind aus
betriebswirtschaftlicher Sicht alle Kosten unerwünscht. Somit macht es keinen Sinn,
zwischen Kosten und Unkosten zu unterscheiden.
- Offenbar bezeichnet es auch keine im Vergleich zu Kosten
besonders hohen Kosten: Unkosten können hoch sein, z.B. Unkosten von über 300
Millionen [die tageszeitung, 17.02.1989, S. 13], aber auch gering, z.B.
Die Unkosten betragen 10 DM für ein gemeinsames Mittagessen [die
tageszeitung, 26.08.1992, S. 20].
- Weitere Definitionen befriedigen auch nicht so recht. So vermutet ein Leser
der tageszeitung 2003 etwa: Unkosten sind Kosten, die erstattet werden, aber
nach der Erstattung keine mehr sind. Kosten müssen selbst getragen werden.
Allerdings werden den Belegen nach zu urteilen auch Kosten erstattet und Unkosten
getragen, z.B. Die USA würden 75% der Kosten erstatten [Salzburger
Nachrichten, 06.03. 1999, "Gerichtssystem hat versagt"], Für die beteiligten
Malermeister sei diese Hilfsaktion eher eine Fortbildungsveranstaltung unter
erschwerten Bedingungen gewesen, sagte Brucker, schließlich hätten alle ihre
Unkosten selbst tragen müssen [Mannheimer Morgen, 20.03.1999, Maria
Ratschitz in neuem Glanz].
- Auffällig ist schließlich, dass die Kontexte gleich sind. So zeigen die
Sprachkorpora des
Instituts für Deutsche Sprache, dass Kosten genauso wie Unkosten anfallen;
jemand hat Unkosten oder Kosten: 40.000 Mark Unkosten hatte die Feuerwehr
Gollach-Ostheim für ihr mehrtägiges Fest zum hundertjährigen Jubiläum kalkuliert
[die tageszeitung, 10.06.1989, S. 10-11], Denn ich hatte Kosten für
den Transport, und der Laden muss Gewinn abwerfen, damit wir im Frühjahr mit der
Rückzahlung des Kredits beginnen können [die tageszeitung, 27.05.2000, S.
5]. Über 3000 mal ist Unkostenbeitrag belegt, über 1500 mal
Kostenbeitrag. Sogar in festen Redewendungen wie jemand
stürzt sich in Unkosten wird mit Kosten variiert, z.B.
Und daß sich die FPÖ hier auch nicht in Kosten stürzt, liegt auf der
Hand [Die Presse, 08.11.1991, Kulissengespräche] oder Vorbei ist,
folgt man ihren Tips, die Zeit, da man sich unvorsichtigerweise in irgendwelche
Kosten stürzt [Kleine Zeitung, 02.07.1997, Ressort:
Panorama].
Fazit
Warum Sprecher also neben Kosten auch
Unkosten brauchen, etwa in Die Gesamtkosten
belaufen sich auf etwa 120.000,- Mark. Bereits jetzt sind Unkosten von 45.000,- Mark
entstanden. [die tageszeitung, 13.10. 1988, S. 9], bleibt ungeklärt. Wer
Unkosten als Unwort empfindet, kann es ja meiden.
In der Fachsprache der Betriebswirtschaftslehre sind Unkosten nicht üblich, umgangssprachlich wird die Bezeichnung offenbar mehr oder weniger synonym mit Kosten verwendet.