Die Weglassung des Genitivartikels des/der in Kontexten wie
kann als eine Form der Ellipse angesehen werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es sich hier streng genommen um die Unterdrückung aller Genitivmerkmale handelt, denn neben dem Artikel im Genitiv fehlt auch die Genitivendung (-es) am Substantiv.
Ist nun diese elliptische Form oder die vollständige Form häufiger, und wann wird welche Form gebraucht? Kommen sie in unterschiedlichen Textsorten vor? Gibt es regionale Unterschiede?
Bei einer Recherche im Archiv W der Korpora geschriebener Sprache des IDS zeigen sich Unterschiede in der Verwendungshäufigkeit. Wie folgende Zahlen zeigen, kommt die elliptische Form in der gegenwärtigen Presse wesentlich häufiger vor als die vollständige Form:
Suchanfrage | Belege |
vollständige Form | 4053 |
Ellipse | 5120 |
Archiv W, Recherche vom 09. Mai 2011
Bei der Suchanfrage für die vollständige Form wurde nach dem Wort Paragraph bzw. Paragraf bzw. dem Zeichen §, gefolgt von einer beliebigen Zahl, gefolgt von der oder des, gefolgt von maximal einem anderen Wort, gefolgt von einem Kompositum mit dem Grundwort-ordnung oder -gesetz/es oder -buch/es gesucht oder aber (anstatt des Kompositums) nach den Abkürzungen BGB oder StGB. Bei der Suchanfrage für die elliptische Form wurde entsprechend der bzw. des weggelassen.
Beispiele für die elliptische Form:
Beispiele für die vollständige Form:
Ein Blick auf die Verteilung der Formen auf die deutschsprachigen Länder verrät deutliche Unterschiede:
Suchanfrage | Deutschland | Österreich | Schweiz |
vollständige Form | 3501 | 519 | 33 |
Ellipse | 3776 | 1331 | 13 |
Archiv W, Recherche vom 09. Mai 2011
Ein Chi-Quadrat-Test für den Vergleich aller drei Länder untereinander ergab, dass es sich hierbei nicht um eine zufällige Verteilung handelt, sondern dass die Unterschiede signifikant (p<0,004) sind.
Während in Texten aus Deutschland nur geringfügig mehr elliptische als vollständige Formen verwendet werden, wird die Ellipse in österreichischen Texten wesentlich häufiger verwendet und kommt mehr als doppelt so häufig vor als die Vollform. In den Schweizer Texten hingegen ist die vollständige Form mit Genitivartikel häufiger - hier konnten annähernd dreimal mehr vollständige als elliptische Formen gefunden werden.
Das Archiv W der Korpora geschriebener Sprache des IDS enthält hauptsächlich Zeitungstexte, fachsprachliche Texte aus dem juristischen Bereich sind unterrepräsentiert. Daher wurde zur Untersuchung der Textsorte auf online verfügbare Gesetzessammlungen, Verordnungen und Rechtsbelehrungen zurückgegeriffen.
Bei einer Rechereche in der Lexetius-Datenbank für höchstrichterliche Rechtsprechungen zeigten sich vor allem folgende Tendenzen:
Ein Beispiel für den letztgenannten Punkt ist z.B.:
Diese Tendenzen scheinen sich durch weitere Recherchen zu bestätigen, wie z.B. in der Datenbank des Rechtsportals juris. Interessant ist hier schon alleine die Suche nach den Wörtern Paragraph bzw. Paragraf bzw. dem §-Zeichen:
Suchwort | Belege | Prozent |
Paragraph/Paragraf | 14 683 | 0,6% |
§ | 2 575 953 | 99,4% |
"juris", Recherche vom 26. Mai 2011
http://www.gesetze-im-internet.de/
"Das Bundesministerium der
Justiz stellt in einem gemeinsamen Projekt mit der juris GmbH für interessierte
Bürgerinnen und Bürger nahezu das gesamte aktuelle Bundesrecht kostenlos im Internet
bereit. Die Gesetze und Rechtsverordnungen können in ihrer geltenden Fassung abgerufen
werden. Sie werden durch die Dokumentationsstelle im Bundesamt für Justiz fortlaufend
konsolidiert." (Stand: 26. Mai 2011).
http://lexetius.com/
"Die Datenbank für höchstrichterliche
Rechtsprechungen" enthält Rechtsprechungen des Europäischen Gerichtshofs, des
Bundesverfassungsgerichts, des Bundesfinanzhofs oder z.B. des Bundesarbeitsgerichts.
(Stand: 26. Mai 2011).
http://www.juris.de/jportal/index.jsp
Das Rechtsportal
juris ermöglicht die Suche nach "Entscheidungen, Normen,
Kommentaren und Zeitschriften" aus dem juristischen Bereich. (Stand: 26. Mai
2011).
Führt man die gleiche Recherche in den Korpora geschriebener Sprache des IDS durch, stößt man auf deutliche Unterschiede:
Suchwort | Belege | Prozent |
Paragraph/Paragraf | 22 250 | 42,4% |
§ | 30 202 | 57,6% |
Archiv W, Recherche vom 31. Mai 2011
Zwar wird auch hier das Wort Paragraph häufig nicht ausgeschrieben, sondern mit dem §-Zeichen dargestellt, allerdings sprechen die mehr als 2,5 Mio. Verwendungen des §-Zeichens in juristischen Texten für sich.
Die Verwendung des §-Zeichens bzw. des ausgeschriebenen Wortes Paragraph/Paragraf hat Einfluss darauf, wie anschließend weitergeführt wird: Wird das Wort Paragraph ausgeschrieben, folgt deutlich häufiger eine vollständige Version der Konstruktion. Wird dagegen das §-Zeichen verwendet, folgt ebenso deutlich häufiger die elliptische Version, wie die folgende Verteilung zeigt:
Suchanfrage | Prozent |
Paragraph/Paragraf + vollständige Form | 71,6% |
Paragrapf/Paragraf + Ellipse | 28,4% |
§ + vollständige Form | 24,5% |
§ + Ellipse | 75,5% |
Archiv W, Recherche vom 09. Mai 2011
Unterschiede finden sich jedoch nicht nur bei der Verwendung des Genitivartikels, sondern auch, bezogen auf die Gesetze, zwischen dem ausgeschriebenen Wort Paragraph/Paragraf und dem §-Zeichen: Wenn der Gesetzesname abgekürzt wird (StVO, BGB, UrhG, etc.), geschieht dies bei Weitem häufiger nach dem §-Zeichen.
Folgen auf das Wort Paragraph/Paragraf oder das §-Zeichen weitere Angaben, z.B. Absatz (Nr.), Satz (Nr.), wird meist (in 89% aller Fälle) elliptisch weitergeführt. Das bedeutet, je genauer die Angaben zum Paragraphen sind, desto häufiger befinden sich in derselben Konstruktion Ellipsen, wie das folgende Beispiel illustriert:
In juristischen Fachtexten zeigen sich ähnliche Tendenzen.
Grundsätzlich deutet die Verwendung des §-Zeichen auf eine allgemein zur Kürzung tendierende Version hin, weswegen hier ohne Bedenken elliptisch fortgesetzt werden kann. Die Tendenz zur Kürzung wird stärker, je genauer die Angaben zum jeweiligen Paragraphen sind (Absatz, Satz). In diesen Fällen werden die Genitivkennzeichen aus Gründen der Sprachökonomie weggelassen.
Schreibt man das Wort Paragraph/Paragraf hingegen aus und folgen keine weiteren Angaben, ist man auf der Seite der Mehrheit, wenn man den Satz in der vollständigen Version mit Genitivartikel und ausgeschriebenem Gesetzesnamen weiterfüht.
In juristischen Texten werden sowohl das §-Zeichen als auch die elliptische Form weitaus häufiger verwendet als in allgemeinsprachlichen Texten. Nur die erste Nennung eines Gesetzes erfolgt dort für gewöhnlich in der vollständigen Form, jede weitere Nennung aus Gründen der Sprachökonomie in Form einer Ellipse.