Am Sonntag, dem 13. Mai oder am Sonntag, den 13. Mai? — Wochentage mit Datumsangabe
Klingt der folgende Satz nicht völlig falsch?
Der Apfel hängt am Baum, den schönsten auf der Wiese.
In am Baum verbindet sich die Präposition mit dem Dativ (an + dem Baum), aber
den schönsten auf der Wiese - die so genannte Apposition - steht im Akkusativ. Die Apposition ist ein Nachtrag,
der sein Bezugswort näher erläutert. Und eine Apposition übernimmt - was uns bei dem
Beispiel auch ganz logisch erscheint - den Kasus
des Wortes, zu dem sie gehört. Also heißt es korrekt:
Der Apfel hängt am Baum, dem schönsten auf der
Wiese.
Warum aber sind wir bei der Datumsangabe, die einen Wochentag näher bestimmt, so
unsicher mit dem Kasus? Der Wochentag in am Sonntag steht eindeutig im
Dativ, also wäre es doch nur logisch, wenn die Datumsangabe als Apposition ebenfalls immer
im Dativ stünde: am Sonntag, dem 13. Mai.
Allerdings klingt am Sonntag, den 13. Mai genauso gut oder besser, und
allzu oft schwankt man beim Schreiben zwischen den beiden Versionen und weiß nicht, welche
denn nun die richtige ist.
Die Varianten
Selbst berufsmäßige Schreiber scheinen sich da nicht sicher zu sein:
Am Montag, den 9. April, fühlten wir uns in
dieser Situation schon derart zu Hause, daß ich das Bunker- und Ruinenleben kaum noch als
etwas Besonderes in mich aufnahm.
Am Freitag, dem 6. April, stiegen wir früh vom
Bahnhof nach Pfaffenhofen hinunter und hinein, frühstückten im Bräuhaus Müller, aßen dort
auch zu Mittag, schlenderten ein bißchen durch den Ort.
[beide Belege aus: Victor
Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten, Bd. 2, Tagebücher 1942-1945]
Worauf könnte dies zurückzuführen sein? Neben Datumsangaben, die mit
am eingeleitet werden, finden sich nicht
selten auch Angaben, bei denen der Wochentag ohne Präposition unmittelbar vor einer Datumsangabe im Akkusativ auftritt:
Heute, Montag, den 8. 1. 2001, findet unsere
erste Singstunde im neuen Jahr um 20.15 Uhr in der Kegelsporthalle statt.
[Mannheimer Morgen, 08.01.2001]
Wird die Angabe des Wochentags um ein adjektivisches Attribut erweitert, ist sie
eindeutig als akkusativisch zu erkennen:
Nächsten Sonntag, den 15. 7. wird die Fam. Baker
verabschiedet.
[Mannheimer Morgen, 07.07.2001]
Sonntag, den 13. Mai mit der Datumsangabe im Akkusativ und am
Sonntag, dem 13. Mai im Dativ sind gleichbedeutend und somit austauschbar.
Einige Grammatiker glauben, dass die beiden aus diesem Grund häufig vermischt werden zu
am Sonntag, den 13. Mai. Diese Konstruktion ist dann nicht länger als
Bezugswort + Apposition zu betrachten, sondern als Bestimmung eines Wochentags verbunden mit
einer heute formelhaft wirkenden Datumsangabe.
Historischer Exkurs
Was heute schon leicht altertümlich wirkt, war lange Zeit die übliche Form einer
Datumsangabe:
An Goethe
Kassel, den 15. Mai
1807
»Liebe, liebe Tochter! Nenne mich für alle Tage, für alle Zukunft mit dem
einen Namen, der mein Glück umfaßt; mein Sohn sei Dein Freund, Dein Bruder, der Dich gewiß
liebt usw.«
[Bettina von Arnim: Goethes Briefwechsel mit einem
Kinde. Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka, S. 6528,
www.digitale-bibliothek.de/band1.htm]
Den 15. Jun.
Von Matlock fuhren
wir heute um 11/2 Uhr Nachmittags ab. Der Weg ging bis Cromford, wo ein neuer schiffbarer
Kanal angelegt wird, in dem schönen Derwentthale fort.
[Georg Forster:
Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und
Frankreich. Deutsche Literatur von Lessing bis Kafka, S. 37330,
www.digitale-bibliothek.de/band1.htm ]
Carl August Schmid, Calw, den 16. Dezember
1870
Auf jeden Fall aber ist letztere Konstruktion (am Sonntag, den 13. Mai)
schon sehr alt. Vielleicht sogar älter als die Konstruktion mit dem Dativ. Denn bei einer
Recherche im Historischen Korpus, das zu den Textkorpora des Instituts für Deutsche Sprache gehört und das hauptsächlich
Zeitungstexte aus den Jahren 1700 bis 1945 enthält, wurde kein einziger Beleg für die
Dativkonstruktion gefunden, aber 21 Belege für die Datumsangabe im Akkusativ.
Am Dienstag den 12. April Vormittags II Uhr
werden in der Gemeinde Godesberg vor dem Gemeindehause, etwa bis vierzigtausend Stück
Ziegelsteine, meistbietend gegen baare Zahlung öffentlich versteigert werden.
[Bonner Wochenblatt, 10.04.1831]
Mit den Zusammensein am Sonntag den 12.
November verband der Verein die Feier von Schillers Geburtstages.
[Arbeiter-Zeitung, 03.12.1865]
Am Sonntag den 29. Jan. soll behufs
definitiver Konstituierung die erste Versammlung im Gasthof z. Löwen abgehalten werden.
[Tübinger Chronik, 19.01.1888]
Die Konstruktion findet sich auch bei Goethe:
Noch trefflichen Männern wartete ich auf; es war am
Freitag den dritten Oktober.
[Johann Wolfgang von Goethe: Tag- und
Jahreshefte 1817, Band 10, S. 496]
Und in einem Briefratgeber aus dem 16. Jahrhundert heißt es:
Odder / der mit meinem anhangeden insiegel versigelt /
und gegeben ist am Montag nach der heimsuchung Marie / den andern (d.h.
zweiten) July / Nach Christi geburt funffzehn hundert und im
einunddreissigisten jarn.
[Frangk, Fabian: Ein Cantzley und Titel buechlin,
1531]
Eventuell geht sie auch auf eine Formulierung zurück, die man heute nur noch selten
antrifft. Analog zu wir schreiben einen Brief (Akkusativ) heißt
es:
Wir schreiben Donnerstag, den 21. November 2004.
Der Kommissar Schneider harkt mit einer nagelneuen Harke seine Rabatten im Garten.
[die tageszeitung, 12.10.1995, S. 20]
Heute nun , man schrieb den zwölften August ,
war ein besonders heißer Tag , und der Wimmer Sepp schwitzte so arg , daß er immer wieder
die Mütze vom Kopf nehmen und das Lederband abwischen mußte , während er in der prallen
Sonne die Straße hinanstieg.
[Else Jung: Die Magd vom Zellerhof 1965, S. 11]
Nicht nur in dieser, sondern auch in vielen anderen Konstruktionen wie etwa "Ort +
Datum" steht die Datumsangabe traditionellerweise im Akkusativ. Auch dadurch könnte die
Angabe mit Wochentag am Sonntag, den 13. Mai beeinflusst sein:
So geschehen und gegeben zu Berlin, den 25. Dezbr.
1797.
[Danziger Zeitung, 06.01.1798, S. 4]
Dieß geschah in der lateinischen Schrift, wodurch er
den 24 März 1749 zu Anhörung der Abschiedsrede eingeladen, welche des
seligen Herrn jüngster Sohn, Johann Franz Wagner, der seit 1763 wohlverdiente, angesehene,
und sehr beliebte Professor und Rektor des Rathsgymnasiums zu Osnabrück, öffentlich gehalten
hat.
[Akzidenzdruck Nr. 131 (Dr. 10.7.1777), 1987, S. 6]
Wie sieht's heute aus?
Wie häufig die Konstruktion "am + Wochentag + Datumsangabe im
Akkusativ" heute vorkommt und welchen Unterschied es zudem zwischen Schrift- und
Umgangssprache gibt, lassen folgende Recherchen erahnen (im September 2006). Gesucht wurde zum einen in den Textkorpora des Instituts für Deutsche Sprache, die eher
normorientiert geschriebene Texte enthalten. Dabei kam folgendes Ergebnis heraus:
| am + Wochentag + Datumsangabe im Dativ | am + Wochentag + Datumsangabe im Akkusativ |
Textkorpora des IDS | 89 % (38.104) | 11 % (5.118) |
Zum anderen wurde für einige Wochentage nach entsprechenden Konstruktionen mit der
Suchmaschine Google im Internet gesucht, wo auch viele umgangssprachliche Texte vertreten
sind. Dabei kam es zu ganz anderen Ergebnissen:
| am Dienstag, dem | am Dienstag, den |
Internet | 26 % (526.000) | 74 % (1.460.000) |
| am Freitag, dem | am Freitag, den |
Internet | 26% (809.000) | 74% (2.340.000) |
| am Sonntag, dem | am Sonntag, den |
Internet | 27 % (658.000) | 73 % (1.760.000) |
| am Dienstag, dem | am Dienstag, den |
Textkorpora des IDS | 87 % (5.352) | 13 % (785) |
Anders als diese Ergebnisse vielleicht suggerieren könnten, ist die Konstruktion mit dem
Akkusativ nicht auf umgangssprachliche Texte beschränkt, sondern sie ist auch in
bildungssprachlichen Texten stark etabliert:
Das Land Niedersachsen wird sich nicht an dem europaweit
autofreien Tag am Freitag, den 22. September beteiligen, SPD und CDU lehnten
den grünen Antrag im Landtag ab.
[die tageszeitung, 14.09.2000, S. 21]
Das Anwesen, Hs. Nr. 9a in Wasserburg a.B. (Brem) wird
am Montag, den 23. November 1932, nachmittags 3 Uhr im Nebenzimmer der
Bahnhof-Restauration in Wasserburg durch das Bürgermeisteramt Wasserburg freihändig
öffentlich versteigert.
[Martin Walser: Ein springender Brunnen 1998]
Ich bin geboren am Sonntag den 6. Juni 1875
mittags zwölf Uhr.
[Thomas Mann: Lebenslauf 1936, S. 450]
Kann eine Schreibweise empfohlen werden?
Welche Konstruktion benutzt man denn aber nun? "Anerkannt" sind im Grunde
alle drei, sowohl am Sonntag, dem 13. Mai als auch
Sonntag, den 13. Mai und auch
am Sonntag, den 13. Mai. Legt man Wert auf
grammatische Transparenz oder Begründbarkeit, ist man mit der Konstruktion im Dativ auf
jeden Fall auf der sicheren Seite:
Der zweite Teil (Das Finale) folgt am Montag, dem 5.
Juli, zur gleichen Zeit.
[Die Zeit (Online-Ausgabe), 24.06.2004]
Oder man lässt die Präposition am weg und setzt die Datumsangabe in den
Akkusativ:
Mittwoch, den 10. Januar, wird der
"Briefannahme-Automat" in der Postfiliale Domsheide aufgestellt.
[die
tageszeitung, 09.01.1996, S. 22]
Will man sich dagegen in die sprachhistorische Tradition einreihen und so formulieren,
wie es seit langem üblich ist, wählt man die dritte Variante. Hierbei empfehlen
Nachschlagewerke (Duden. Richtiges und gutes Deutsch, 2005 und Wahrig. Fehlerfreies und gutes Deutsch, 2002), auf das Komma nach der Datumsangabe zu verzichten wie in folgendem
Beispiel:
Die Sitzung findet am Dienstag,
den 26. April in Berlin statt.
[Duden. Die
Grammatik, 7.Aufl., 2005, S. 993]
Eher unüblich oder sogar für manche unakzeptabel ist die Konstruktion "Wochentag ohne
Präposition bzw. im Akkusativ + Datumsangabe im Dativ" (nächsten Sonntag, dem 13.
Mai), aber auch dafür finden sich einige Belege in den Textkorpora des
Instituts für Deutsche Sprache. Diese lassen vermuten, dass die Konstruktion in Österreich
etwas gängiger ist.
Im Hofsteigsaal in Lauterach findet morgen,
Dienstag, dem 11.11. um 19 Uhr der 1. Guggatreff bei freiem Eintritt
statt.
[Vorarlberger Nachrichten, 10.11.1997]
Nächsten Samstag, dem 6. Mai, kann man einer
Töpferin aus Splügen und einem Steinmetz aus Andeer bei ihrem Handwerk über die
Schultern schauen.
[St. Galler Tagblatt, 02.05.2000]
Bei einem Kabarettabend mit Bernhard Ludwig bekommen Sie
kommenden Dienstag, dem 4. November, eine "Anleitung zum Herzinfarkt".
[Kleine Zeitung, 31.10.1997]
Professor Dr.techn. Dr.h.c.mult. Otto Kratky, der als Pionier
der makromulekularen Strukturforschung gilt, feiert heute, Montag, dem 9.
März, seinen 90. Geburtstag.
[Salzburger Nachrichten,
07.03.1992]
Für Mittwoch, dem 14. Mai um 15 Uhr, wird zu
einer Kundgebung vor dem Argentinischen Generalkonsulat im Mittelweg 141 aufgerufen.
[die tageszeitung, 12.05.2003, S. 22]
Nach der Pemiere sind weitere Aufführungen für
Freitag, dem 5. Mai, um 19 Uhr, für Samstag, dem 15. Mai, um 16
Uhr und für Freitag, dem 18. Juni, um 19 Uhr angesetzt.
[Tiroler
Tageszeitung, 27.04.1999]
Das für Montag, dem 23. Juni, in Wiesen angesagte
Konzert der Rock-Legende Neil Young und seiner Band Crazy Horse wurde
abgesagt.
[Neue Kronen-Zeitung, 19.06.1997]
Davon kann keine Rede sein: so treffen zum Beispiel die
EG-Minister erst kommenden Montag, dem 3. März zusammen, um ihre gemeinsame
Verhandlungslinie abzustimmen.
[Die Presse, 29.02.1992]