Der Moment und das Moment — Bedeutungsunterschiede bei Genusvarianz
Dann hab i de einzelnen Teile
gründlich ohgstaubt, und hab den Apparat wieder zsammgsetzt. So, hab i gsagt.
Jetzt steck ma eahm an. I vermute, es war nur der Staub. Sagt mei Nachbar: Da liegt no a
Teil aufn Tisch! Komisch, hab i gsagt. Der is ma beim Zsammbaun gar net ohganga. Na,
probier ma amal aus, ob er geht! Ohne das Teil? hat er gsagt. Sag i: Se manen, den Teil. Mant er: Der oder das, daß der die Teile net
alle brauchert, tät mi wundern. I hab drauf bestanden, daß er eahm amal
ansteckt. Hat der Apparat a herrliches Bild zagt, in beiden Programmen, auch der Ton war
einwandfrei
[Neue Kronenzeitung, 03.05.1997]
Manchmal werden unterschiedliche Dinge mit den gleichen Ausdrücken bezeichnet, zum
Beispiel das Schloss an der Tür und das Schloss auf dem Berg. Linguisten nennen sowas
Homonymie zu griech. homonymia
'Gleichnamigkeit'. Die meisten Homonyme sind ganz und gar gleiche Ausdrücke, manche unterscheiden
sich aber im grammatischen Geschlecht, dem Genus. Kein
Problem sind dabei Homonyme wie das Tau versus der Tau,
das Tor versus der Tor, der Kiefer versus
die Kiefer oder der Leiter versus die Leiter.
Irritierend sind dagegen Homonyme wie:
- der Moment und
das Moment
- der Verdienst und
das Verdienst
- der Teil und das
Teil
Während das Schiffs-Tau und der Tau auf der Wiese uns nicht zögern lassen,
zögern wir bei das Moment doch einen Moment - oder ein
Moment? Schauen wir uns den Gebrauch der bedeutungsverwandten Homonyme doch mal genauer
an:
Der Moment bezeichnet einen
Augenblick, einen Zeitpunkt, das Moment dagegen einen
Faktor, einen Aspekt:
So ist dies der Moment, einmal nachzufragen, was
dieser Verbindung so lange entgegenstand und was nun aus ihr erwächst
[Die Zeit,
05.02.2004]
So entstehen lesbare oder gar bemerkenswerte
Talentproben, die wir nicht ohne Gewinn zur Kenntnis nehmen. Aber ihnen fehlt das Moment der
Offenbarung, das sowohl den Leser wie den Autor bestürzend ereilt.
[Die Zeit,
16.05.2002]
Der Verdienst
bezeichnet einen Arbeitslohn, ein Gehalt, das
Verdienst eine Leistung:
Sechs von zehn Jugendlichen sagen, wichtiger als
der Verdienst ist für sie, im Beruf eine interessante Aufgabe zu
haben.
[Die Presse, 19.04.1995]
Es mag Sänger gegeben haben, die noch "echter"
klangen, doch das Verdienst von Ray Charles bestand gerade darin, dass er
seine vom Gospel inspirierte Rhythm-&-Blues-Musik in den Fünfzigerjahren auch einem weißen
Publikum zugänglich machte.
[die tageszeitung, 31.03.2005]
Der und das Moment, der und
das Verdienst auseinanderzuhalten, ist also gar nicht so schwierig.
Wie liegen die Probleme?
Schwieriger wird es bei der Teil versus
das Teil. In Wörterbüchern
wie dem Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts (www.dwds.de) wird meist so differenziert: "Teil,
der/ Abschnitt, Glied, Stück von einem Ganzen: der obere, vordere Teil"
und "Teil, das/ als selbständig betrachtetes, für sich allein bestehendes Stück
eines Ganzen: ein defektes Teil ausbauen". Da fragt sich nun natürlich jeder,
warum es der vordere Teil, aber das Vorderteil heißt und als wie
selbständig man so ein Vorderteil betrachten kann:
Der Hubschrauber vom Typ Bell UH 1-D war beim
Landeanflug aus etwa 30 Meter Höhe abgestürzt und sofort in Flammen aufgegangen. Übrig blieb nur
noch ein Blechklumpen: Kabel hingen aus der zerborstenen Kabine, die Rotoren fehlten und das
Vorderteil war kaum noch zu erkennen.
[Mannheimer Morgen, 15.04.1999]
Das Kinn von Jay Leno erinnert ein wenig an das
Vorderteil eines Mähdreschers.
[Berliner Zeitung, 07.08.1999]
Offenbar gibt es hier Überschneidungen im Gebrauch:
dabei muß sich ein Sparren gelöst haben, wodurch es
zum Absturz kam. Verletzt wurde dabei gottlob niemand. Die Berufsfeuerwehr hat vor Ort das
Teil am Dach abgestützt.
[Mannheimer Morgen,
27.11.1995]
Soll ich tatsächlich dieses Auto im Wert von rund 150
000 Mark einem mir völlig unbekannten, irgendwo im Auto versteckten Hochleistungschip anvertrauen?
Versagt das Teil, ist die Kiste in wenigen Sekunden Schrott.
[Die Zeit,
09.09.1999]
Die Werkstatt bestellte ein Ersatzteil, so ein
hydraulisches Pleuellager mit Schwertern und Brillanten, was weiß ich. Nach drei Tagen kam das
Teil
[Die Zeit, 09.09.2004]
Fazit
Insofern haben die Nachbarn in der Neuen Kronenzeitung beide Recht. Ganz identisch sind
aber der Teil und das Teil auch wieder nicht.
So heißt es ausschließlich der Teil, wenn es um Teile von Gruppen geht,
zum Beispiel der Teil der jungen Türken, der Teil der Bevölkerung, der Teil der
Grünen oder wenn es um Abschnitte, um Areale geht, zum Beispiel der erste Teil des
Romans, der Teil des Bildes, der Teil Australiens. So auch
Das ergab eine britische Untersuchung, derzufolge bei
vielen magersüchtigen Jugendlichen der Teil des Gehirns mangelhaft durchblutet ist, der den Appetit
und die visuelle Wahrnehmung steuert.
[Die Presse 04.07.1997]
Dagegen heißt es ausschließlich das Teil, wenn ein tatsächlich ganz und
gar selbstständiges Ding, ein einzelner Gegenstand gemeint ist:
Gürtel sollten Silberschnallen haben, Schuhe kantig
und niemals heller als die Hose sein. Krawatte breit, schmal oder ganz weg mit ihr: "Wer das Hemd
Ton in Ton zum Anzug trägt, kann auf das Teil verzichten", bestätigt Stefan Trötzmüller,
Geschäftsführer der neuen Kirchbaumer-Boutique B15 in Klagenfurt.
[Kleine
Zeitung, 27.09.1998]
Das sommerliche Shirt aus dem verführerischen und eben
zu 100 Prozent synthetischen Jersey stammt aus der aktuellen Kollektion von Ruth Grüninger.
"Waschen können Sie das Teil leider nicht, tragen Sie es deshalb selten und reinigen Sie es noch
seltener." .
[Züricher Tagesanzeiger, 22.03.1996]
Neun Monate rauscht das Teil jetzt durch den Äther,
bevor es wieder auf den Erdboden heruntergeholt werden soll.
[die tageszeitung,
06.10.1992]