Gedankenschlüsse und Sprechhandlungen begründen

Vergleichen wir die folgenden zwei Sätze:

(1) Weil der Keller schlecht gedämmt ist, verbreitet sich die Kühle im Rest des Hauses.
(2) Der Keller ist schlecht gedämmt, weil die Kühle sich im Rest des Hauses verbreitet.

Die Sätze (1) und (2) haben zwar eine ähnliche Form (Hauptsatz + Kausalsatz mit weil), aber nicht die gleiche Bedeutung. Der Satz (1) folgt dem Schema „ Ereignis B ist die Ursache von Ereignis A“ - s. dazu die Seite Ereignisse begründen. Beim Satz (2) sieht es anders aus. Für die schlechte Dämmung des Kellers kann es verschiedene Gründe geben, aber die Verbreitung der Kühle im Rest des Hauses gehört bestimmt nicht dazu. Das ist eher eine Folge als eine Ursache. Was wird im Satz (2) also begründet?

Sätze wie (1) und (2) verwenden wir in unterschiedlichen Kontexten. Der Unterschied lässt sich anhand eines ganz einfachen Fragetests erklären.

Lesen Sie die Fragen A und B und ordnen Sie jeder Frage eine passende Antwort zu. Sie können zwischen Satz (1) und Satz (2) wählen.
FRAGE A: Warum verbreitet sich die Kühle im Rest des Hauses?
FRAGE B: Wie kommst du auf die Idee, dass der Keller schlecht gedämmt ist?

FRAGE A: Satz (1)

FRAGE B: Satz (2)

Im Satz (1) wird ein Ereignis begründet: "Die Kühle verbreitet sich im Rest des Hauses. Der Grund dafür ist, dass der Keller schlecht gedämmt ist."
Im Satz (2) wird ein Gedankenschluss des Sprechers begründet: "Die Kühle verbreitet sich im Rest des Hauses. Aus diesem Grund weiß ich, dass der Keller schlecht gedämmt ist."

Nicht nur Gedankenschlüsse, sondern auch Sprechhandlungen wie z.B. Fragen und Aufforderungen können wir auf diese Art und Weise begründen:

(3) Ist es dir kalt? Weil du zitterst.
(4) Mach das Fenster zu, es zieht!
In (3) begründet der Kausalsatz Weil du zitterst nicht den Zustand Es ist dir kalt, sondern die Frage nach diesem Zustand. Das heißt: "Ich frage, ob es dir kalt ist, weil du zitterst."
In (4) begründet es zieht nicht die Handlung das Fenster zumachen, sondern die Aufforderung zu dieser Handlung. Das heißt: "Ich fordere dich auf, das Fenster zuzumachen, weil es zieht. "

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Autor(en)
Giorgio Antonioli
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