Gedankenschlüsse formulieren

HINWEIS: Der Inhalt dieser Seite basiert auf einem wissenschaftlichen Artikel von Arnulf Deppermann und Henrike Helmer. Den Text finden Sie hier.

Manchmal möchte man aus dem bereits Gesagten Implikationen als Gedankenschlüsse ableiten. Dabei geht es nicht um eine Ursache-Folge-Relation zwischen zwei Ereignissen, sondern um eine Prämisse-Konklusion-Relation zwischen zwei Informationen. Das heißt: Information A soll stimmen, weil Information B stimmt. Wenn man die Prämisse (Information B) für wahr hält, ist man gezwungen, auch die Konklusion (Information A) für wahr zu halten. Zu diesem Zweck können wir z.B. die Adverbkonnektorenalso und dann verwenden.

also

(1) Ich denke, also bin ich.

Dieses berühmte Zitat aus der Philosophie gibt uns ein Beispiel für Implikationen. Mit anderen Konnektoren, die üblicherweise zum Ausdruck von Ursache-Folge-Relationen verwendet werden wie z.B. infolgedessen, sodass, weil funktioniert das nicht so richtig:

(2) Ich denke, infolgedessen bin ich.
(3) Ich denke, sodass ich bin.
(4) Ich bin, weil ich denke.

Von diesen Sätzen hat keiner die gleiche Bedeutung wie (1). Zwischen denken und sein (im Sinne von existieren, leben) gibt es keine Ursache-Folge-Relation. Es ist nicht so, dass Menschen ursächlich existieren, weil sie denken. Stattdessen bedeutet (1): Ich denke und daraus kann ich erschließen, dass ich existiere.

Sätze wie (1) beschreiben nicht Situationen, in denen ein Ereignis zu einem anderen Ereignis führt. Dagegen beschreiben sie mentale Prozesse, in denen Information A aus Information B abgeleitet wird. Hier ein anderes Beispiel:

(5) Vier neue Plätze für Kinder mit Behinderung sind genehmigt worden. Zwei sind bereits vergeben, ein weiterer wird demnächst besetzt, wie die Heilpädagogin verrät. Frei ist also noch eine Stelle. (Rhein-Zeitung, 15.11.2023)

In (5) kann Information A aus Information B sogar ausgerechnet werden – vier neue Plätze minus zwei vergebene Plätze minus ein demnächst besetzter Platz = ein freier Platz.

HINWEIS: Auf die gleiche Art und Weise wie also in (1) und (5) können wir auch den Adverbkonnektor folglich verwenden.

dann

Die Sätze (1) und (5) haben eine Gemeinsamkeit. Die Erschließung von Information A aus Information B ist nicht individuell und subjektiv, sondern erfolgt anhand eines gemeinsamen Wissens, das der Sprecher mit dem Empfänger teilt. Der Sprecher kann sich ziemlich sicher sein, dass der Empfänger Information A aus Information B ebenfalls erschließen kann. Das ist in (5) besonders deutlich. Jeder Mensch mit Mathematik-Kenntnissen weiß nämlich, dass vier minus drei eins ergibt.

Es gibt allerdings auch Fälle, in denen der Sprecher Information A durch eine individuelle, subjektive Interpretation von Information B herausbekommt. In solchen Fällen verwenden wir üblicherweise den Adverbkonnektor dann:

(6) „Ach, Sie kommen aus dem Osten? Dann haben Sie sich ja sicher über die Bananen gefreut?" (Die Zeit, 19.06.2014)

Um dieses Beispiel zu verstehen, müssen wir in die Zeit zurückgehen, als Deutschland geteilt war. In Ostdeutschland, der DDR, waren Bananen sehr schwer zu bekommen. Nach der Wiedervereinigung 1990 sind viele Ostdeutsche nach Westen ausgewandert. Stellen wir uns nun vor, ein Westdeutscher und ein Ostdeutscher unterhalten sich wie in (3). Der Westdeutsche erfährt, dass sein Gesprächspartner aus Ostdeutschland kommt (Information B). Aus dieser Information leitet er Freude über Bananen ab (Information A). Ein solcher Gedankenschluss ist allerdings selbstverständlich nur eine subjektive Vermutung. Woher will der Westdeutsche überhaupt wissen, dass sein Gegenüber Bananen tatsächlich mag? Er erschließt Information A aus Information B anhand einer individuell geprägten Vorstellung, die nicht unbedingt der realen Wahrheit entsprechen muss.

Gedankenschlüsse im Dialog

Die Unterschiedlichkeit von Gedankenschlüssen mit also und dann ist im Dialog noch deutlicher zu erkennen. Im Folgenden werden zwei Dialoge gezeigt, die auf der Basis von zwei authentischen Beispielen aus der Datenbank für gesprochenes Deutsch konstruiert sind – die Datenbank ist nur für wissenschaftliche Zwecke nutzbar und aus Datenschutzgründen dürfen keine Originalbeispiele veröffentlich werden.

(7) A: Das Naturschutzgebiet gehört der Stadt und dass musste so gehalten werden, wie es ist. Dann darf man nicht viel daran ändern. – B: Also darf hier quasi auch nicht gebaut werden. – A: Nein, das ist unbebaubar.

Person A formuliert einen Gedankenschluss auf der Basis der Aussage von Person B. Dabei denkt sie sich Folgendes: „Person A sagt, dass man am Naturschutzgebiet nicht viel ändern darf. Damit meint sie bestimmt, dass es nicht gebaut werden darf“. Person A kommt also nicht von selbst auf ihren Gedankenschluss, sondern ist sich ziemlich sicher, dass Person B genau das meint. Aus diesem Grund verwendet Person A also.

Sehen wir nun das zweite Beispiel:

(8) A: Wollen wir das so machen? – B: Das wäre wunderbar so. – A: Dann machen wir das so. – A: Gut.

In (8) äußert Person B einen Wunsch („Das wäre wunderbar so“). Auf der Basis dieses Wunsches trifft Person A eine Entscheidung („Dann machen wir das so“). Der Wunsch von Person B und die Entscheidung von Person A sind in einer Prämisse-Konklusion-Relation, weil sich die Entscheidung aus dem Wunsch ergibt. Trotzdem ist die Entscheidung einseitig, denn Person A trifft sie aus eigener Initiative. Aus diesem Grund verwendet Person A dann.

Bei Gedankenschlüssen mit also ist sich der Sprecher ziemlich sicher, dass der Empfänger das Gleiche wie er meint. Gedankenschlüsse mit dann sind einseitig, denn der Sprecher kommt von selbst darauf.

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Autor(en)
Giorgio Antonioli
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