Station 3: Starke und schwache Verben (Sekundarstufe I)

Starke und schwache Verben

Ohne groß nachzudenken: Wie lautet die Vergangenheitsform (Präteritum) von backen?
Heute backe ich einen Kuchen. – Vorgestern kaufte ich die Zutaten und gestern _______ ich einen Kuchen.

Bitte wähle aus:

Vielleicht hast du einen Augenblick gezweifelt, bevor du dich für eine Variante entschieden hast. Oder du konntest dich gar nicht entscheiden. Das geht sicher vielen Leuten ähnlich, die Abstimmung zeigt ja diese Unsicherheit.

Tatsächlich kommen beide Formen ziemlich regelmäßig im Deutschen vor, wie z.B. in diesen Zeitungstexten:

Zu Weihnachten war es bei uns Tradition, dass meine Mutter Mohnstollen – Mohnstriezel genannt – backte. (Nordkurier, 23.12.2016, S. 36; Krümelstollen für die Kinder)
Gerne erinnert sich die rüstige Rentnerin noch an die Zeiten, als sie die damaligen Fußballer bekochte oder für sie Kuchen backte. (Rhein-Zeitung, 20.09.2004; Unser Wetter)
Sie legte ein Ofenblech mit Backpapier aus, strich den Teig darauf und buk ihn bei 200 Grad für 10-15 Minuten. (Stern, 04.05.2016; Nachtisch, aufwachen!)
Aus Dinkel und Hafer buk man einst das Brot der Armen. (St. Galler Tagblatt, 04.10.2018; Im Schlaraffenland)

Backen flektiert manchmal stark und manchmal schwach. Die starken Formen werden mit Vokaländerung und im Perfekt mit -en gebildet (backen – buk – gebacken). Die schwachen Formen werden mit -t- gebildet (backen – backte – gebackt).

Etwas Ähnliches kommt auch bei anderen Verben vor, wie zum Beispiel bei:

backen, salzen, winken, erschrecken, schaffen, hauen ...

Backte oder buk - was ist denn nun die 'richtige' Form? Das kann man nicht so genau sagen. Beide Formen werden systematisch gebildet und verstoßen gegen keine grammatischen Regularitäten. Wir können höchstens schauen, welche Formen unauffälliger sind. Dazu können wir prüfen, wie häufig sie eigentlich vorkommen.

Wenn Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftlerinnen wissen wollen, wie häufig bestimmte Formen in kommunikativen Situationen gebraucht werden, dann schauen sie dazu in einem sogenannten Korpus nach. Das ist eine Sammlung authentischer Sprachdaten (z. B. Gesprächsaufzeichnungen oder unterschiedliche Textsorten), die Sprachverwendung möglichst genau widerspiegeln soll. Mit der Benutzeroberfläche Cosmas II lässt sich sehr detailliert im Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) recherchieren, einführend gibt es eine Online-Hilfe.

Wir wollen herausfinden, wie häufig die starken und schwachen Formen von backen sind. Für diejenigen, die das jetzt nicht sofort selbst machen möchten, gibt es unten ein Recherche-Video mit Belegzahlen.

Fangen wir mit der schwachen Form an: Geben Sie backte in das Suchfeld ein. Sie sehen nun eine Liste von Belegen, in denen die Form backte vorkommt. Oberhalb der Liste steht, wie häufig backte insgesamt gefunden wurde.
Schaue anschließend nach, ob die Form buk häufiger oder seltener im Korpus vorkommt. Was fällt Dir auf?

Backte und buk kommen etwa gleich häufig vor. Im DeReKo-Archiv W (mit über 10 Milliarden Wörtern) gibt es 1.450 Belege für backte und 1391 Belege für buk (Stand Mai 2023).

Bislang haben wir nur nach der Präteritumsform geschaut. Wie sieht es beim Perfekt aus?

Suche nach gebackt und gebacken. Welche Form ist häufiger?

Gebacken kommt sehr viel häufiger vor als gebackt. Im DeReKo-Archiv W (mit über 10 Milliarden Wörtern) gibt es 49.783 Belege für gebacken und 43 Belege für gebackt (Stand Mai 2023).

Überlegen Sie kurz, welche Schlussfolgerung sich daraus ziehen lässt. Ist backen im heutigen Deutsch ein starkes oder ein schwaches Verb?

Backen hat im Präteritum sowohl starke als auch schwache Formen. Wir können keine Entscheidung treffen, ob backen stark oder schwach flektiert, weil beide Formen ungefähr gleich häufig sind. Im Perfekt jedoch überwiegt eindeutig die starke Form.

Hier kannst du dich bei Interesse genauer über diesen Fall informieren: Backte oder buk, haute oder hieb? — Schwache oder starke Flexion

Du hast gerade ein Verb betrachtet, bei dem nicht ganz klar ist, ob es stark oder schwach flektiert. Dabei hast Du empirische Daten und Methoden benutzt, mit denen auch Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler arbeiten.

Hier geht es weiter zu Station 4.

 

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