Können Sie Anglizismen im Deutschen richtig anwenden? Nicht immer? Kein Wunder, denn auf den ersten Blick scheint es keine festen Regeln für die Eindeutschung von Fremdwörtern zu geben:
Wird ein Fremdwort ins Deutsche übernommen, so wird es anfangs vorsichtig gebraucht. Da die Sprecher das Wort als fremd empfinden, gleichen sie es zunächst nicht an die Grammatik ihrer Sprache an. Doch je mehr sich die Sprecher an ein Wort gewöhnt haben, umso mehr trauen sie sich es anzupassen. Das bedeutet nichts anderes, als dass die fremden Wörter wie einheimische gebraucht werden. Ein Fremdwort kann im Bereich der Aussprache, der Flexion und der Schreibung eingedeutscht werden. Neben den Verständnisschwierigkeiten, die Fremdwörter mit sich bringen, treten dabei häufig Verwendungsschwierigkeiten auf. Nachfolgend widmen wir uns der grammatischen Integration von Verben aus dem Englischen.
Verben, die nach dem gleichen Muster konjugiert werden, sind etwa: beamen, bluffen, boomen, campen, checken, chillen, clicken, dealen, dimmen, dopen, faken, floppen, jobben, joggen, jumpen, kicken, klonen, leasen, mailen, mobben, rappen, scannen, schocken, shoppen, sprayen, stylen, surfen, talken, toppen, trampen, tricksen, tunen, zippen, zoomen.
In einigen Fällen können sich bei der Eindeutschung entlehnter englischer Verben Schwierigkeiten ergeben:
Bei diesen Verben (z. B. chatten und snowboarden) wird, wie bei entsprechenden heimischen Verben (z.B.baden;tasten), zwischen den Stamm und die Endung ein e eingeschoben:
Verben, die nach dem gleichen Prinzip konjugiert werden, sind etwa: booten, fighten, flirten, forwarden, jetten, kiten, liften, outen, posten, promoten, skaten, snowboarden, starten, voten.
Während des Integrationsprozesses, d.h. bis sich das
Fremdwort in Aussprache, Flexion und Schreibung dem Deutschen angepasst hat, können eine
nach heimischem Muster konjugierte Variante und eine nach englischem Muster konjugierte
Variante nebeneinander existieren (gecrasht oder
gecrashed, downgeloadet oder
gedownloadet). Beim Verb designen etwa werden - zumindest,
was die Schreibung angeht - zwei Formen des Partizip II verwendet, wobei die deutsche Form
mittlerweile* überwiegt. Das mag daran liegen, dass die Welt der Mode heutzutage zu einem
großen Teil von New York aus gesteuert wird. Da liegt es auf der Hand, einige Amerikanismen
in die eigene Sprache einfließen zu lassen, auch wenn das Deutsche bereits über ein
gleichbedeutendes Verb verfügt (entwerfen). Eine Recherche in den
DeReKo-Textkorpora des IDS ergab im Januar 2013 folgende Häufigkeiten der
Varianten:
eingedeutschte Partizipform | englische Partizipform |
designt (haben)** (15) | designed (haben) (3) |
(haben ...) designt** (23) | (haben ...) designed (4) |
** Um Verwechslungen mit der 3. Person Singular und der 2. Person Plural zu vermeiden, wurde nach den Verbindungen mit haben gesucht.
Tabelle 1: Formen des Partizip II von „designen“ aus DeReKo
Recherchen im Internet mit der Google-Suchmaschine im Januar 2013 bestätigen den Eindruck, dass die eingedeutschten Formen mittlerweile überwiegen:
eingedeutschte Partizipform | englische Partizipform |
designt (haben)** (142.000) | designed (haben) (16.900) |
Tabelle 2: Formen des Partizip II von „designen“ aus dem Internet
Recherchen mit der Google-Suchmaschine aus dem Jahr 2006 zeigten noch ein Überwiegen der englischen Form.
eingedeutschte Partizipform | englische Partizipform |
designt (haben) (210) | designed (haben) (303) |
Tabelle 2a: Formen des Partizip II von „designen“ aus dem Internet (aus dem Jahr 2006)
Die präfixlosen Verben crashen und tunen werden überwiegend nach heimischem Muster ins Partizip II gesetzt. Die bei designen vorhandene rein englische (Schreib-)Form des Partizips weicht bei diesen Verben einer Mischform aus dem deutschen, mit der Vorsilbe ge- gebildeten Partizip II und dem englischen, mit der Endung -ed gebildeten Partizip Perfekt. Letztendlich überwiegt auch hier die eingedeutschte Form der Endung auf -t.
Ergebnis der DeReKo-Recherche:
Infinitiv | eingedeutschte Partizipform | Mischform |
crashen | gecrasht (92) | gecrashed (7) |
tunen | getunt (414) | getuned (48) |
Tabelle 3: Formen des Partizip II von „crashen“ und „tunen“ aus DeReKo
Ergebnis der Internetrecherche:
Infinitiv | eingedeutschte Partizipform | Mischform |
crashen | gecrasht (466.000) | gecrashed (144.000) |
tunen | getunt (644.000) | getuned (549.000) |
Tabelle 4: Formen des Partizip II von „crashen“ und „tunen“ aus dem Internet
Bei beiden sind außerdem die Schreibvarianten getunet (18.500) sowie gecrashet (2.370) anzutreffen, in denen - anders als in getunt - die englische Schreibung des Stammes (tune) erhalten bleibt und die englische Partizip Perfekt Endung -ed zu -et wird.
Bei timen überholt die Mischform auf -ed im Internet sogar die eingedeutschte Form auf -t.
Infinitiv | eingedeutschte Partizipform auf -t | eingedeutschte Partizipform auf -et | Mischform |
timen | getimt (41.600) | getimet (15.200) | getimed (162.000) |
Tabelle 5: Formen des Partizip II von „timen“ aus dem Internet
In DeReKo hingegen überwiegt die eingedeutschte Form auf -t.
Infinitiv | eingedeutschte Partizipform auf -t | eingedeutschte Partizipform auf -et | Mischform |
timen | getimt (312) | getimet (46) | getimed (57) |
Tabelle 6: Formen des Partizip II von „timen“ aus DeReKo
Zusammengesetzte Verben wie downloaden, forwarden, outsourcen, updaten, brainstormen, babysitten schwanken zunächst zwischen dem Gebrauch als präfixlose Verben und als trennbare Verben (gedownloadet/downgeloadet, dazu auch weiter unten). Bei downloaden und outsourcen sind darüber hinaus sporadisch englische Partizipformen ohne ge- (wie schon bei designen) anzutreffen.
Da auch hier deutsch-englische Mischformen auftreten, sind bei einem Verb bis zu fünf Varianten möglich, z.B. downgeloadet, downgeloaded, gedownloadet, gedownloaded, downloaded. Besonders häufig nach dem Muster der trennbaren Verben wird das Partizip II von outsourcen gebildet. Dagegen wird forwarden hauptsächlich wie ein präfixloses Verb gebraucht.
Ergebnisse der DeReKo-Recherche:
Infinitiv | trennbares Verb | präfixloses Verb |
outsourcen | outgesourct (248), outgesourced (47) | geoutsourct (3), geoutsourced (3) |
downloaden | downgeloadet (72), downgeloaded (31) | gedownloadet (38), gedownloaded (25) |
forwarden | forgewardet (1), forgewarded (0) | geforwardet (2), geforwarded (5) |
Tabelle 7: Formen des Partizip II von „outsourcen“, „downloaden“ und „forwarden“ aus DeReKo
Ergebnisse der Internetrecherche:
Infinitiv | trennbares Verb | präfixloses Verb |
outsourcen | outgesourct (43.100), outgesourced (40.400) | geoutsourct (3.040), geoutsourced (77.800) |
downloaden | downgeloadet 138.000), downgeloaded (87.400) | gedownloadet (508.000), gedownloaded (237.000) |
forwarden | forgewardet (5.590), forgewarded (3.300) | geforwardet (83.400), geforwarded (57.900) |
Tabelle 8: Formen des Partizip II von „outsourcen“, „downloaden“ und „forwarden“ aus dem Internet
Die skurrilen, pseudoenglischen Formen auf -ed sind, bis auf die Ausnahme von geoutsourced, im Internet seltener als die Formen auf -et, aber trotzdem sehr häufig. Sie sind sporadisch auch im eher standardnahen DeReKo anzutreffen.
Verben, die nach dem gleichen Prinzip konjugiert werden, sind etwa: babysitten, brainstormen, updaten.
Die 2. Person Plural Indikativ Präsens wird viel seltener gebildet als das Partizip II. Es ergeben sich aber dabei ähnliche Probleme: (ihr) designt oder (ihr) designed. Mehrere Verben zeigen neben einer eingedeutschten Variante auf -(e)t, z.B. (ihr) designt, eine pseudoenglische Variante auf -ed, z.B. (ihr) designed. Letztere hat eigentlich gar keine Berechtigung, denn im Englischen wird die 2. Person endungslos gebildet, z.B. (you) design. Dennoch ist die "denglische" Variante auf -ed im Internet relativ häufig, bei forwarden weitgehend konkurrenzlos.
Das merkwürdige -ed kann übrigens auch in der 3. Person Singular auftauchen, und zwar sogar in der Presse.
Verben wie timen und tunen erscheinen sporadisch auch in der 2. Person Plural in einer Variante auf -et (tunet, timet), in der im Gegensatz zur Variante auf -t (timt, tunt) die Schreibung des englischen Infinitivs (time, tune) erhalten bleibt. Eine am englischen Infinitiv orientierte Schreibvariante ist übrigens auch in der 2. und 3. Person Singular zu finden (timest, tunest und timet, tunet). Sie scheint aber nur in der 2. Person Singular eine echte Konkurrenz für die e-lose Variante (timst, tunst) zu sein. Wohlgemerkt, ob mit oder ohne e, die Varianten werden gleich ausgesprochen.
Das Fehlen verbindlicher Regeln für die Eindeutschung von Fremdwörtern scheint die Sprachbenutzer zu irritieren. Mal konjugieren sie die Verben nach deutschem Muster, dann wiederum orientieren sie sich stärker am Englischen. Dies ist jedoch vollkommen normal, denn es ist ein langwieriger Prozess, bis sich eine Variante durchsetzt. Da wir uns in einer Zeit befinden, in der ausgesprochen viele Wörter aus dem Englischen übernommen werden, ist Verwirrung vorprogrammiert.
Der Infinitiv englischer Verben auf -le wird eingedeutscht, indem ein Wechsel von -le zu -eln stattfindet (Bsp.: engl. to google >dt. googeln).
Die 1. Person Singular im Indikativ Präsens dieser Verben wird nach heimischem Muster gebildet, wobei das -e zwischen Stamm und Endung meistens wegfällt (Bsp.: ich goog(e)le wie ich hand(e)le, ich wins(e)le). Bei googeln und puzzeln existiert tatsächlich eine Nebenvariante mit -e- (ich googele, ich puzzele), die aber selten vorkommt.
Daneben gibt es noch eine, auch selten vorkommende Möglichkeit, bei der die 1. Person entsteht, indem das Endungs-n des Infinitivs wegfällt. Vielleicht ergibt sich diese Variante wiederum aus der Anpassung der Verben an gleich endende heimische Verben, die eine ähnliche Formvariante bereitstellen (Bsp.: googeln: ich googel wie pendeln: ich pendel).
Die Eindeutschung dieser Verben verläuft reibungslos. Die dominante Variante der 1. Person (Form auf -le) entsteht nicht nur analog zur deutschen Flexionsweise, sondern entspricht noch dazu der Schreibform der 1. Person Singular Präsens im Englischen: (I) google.
Ergebnisse der DeReKo-Recherche:
Infinitiv | Form auf -le | Form auf -el | Form auf -ele |
googeln (engl. to google) | (ich) google (44) | (ich) googel (2) | (ich) googele (0) |
puzzeln (engl. to puzzle) | (ich) puzzle 0) | (ich) puzzel (0) | (ich) puzzele (3) |
recyceln (engl. to recycle) | (ich) recycle (3) | (ich) recycel (0) | (ich) recycele (0) |
sampeln (engl. to sample) | (ich) sample (4) | (ich) sampel (0) | (ich) sampele (0) |
Tabelle 9: 1. Person Singular im Indikativ Präsens von „googeln“, „puzzeln“, „recyceln“ und „sampeln“ aus DeReKo
Ergebnisse der Internetrecherche:
Infinitiv | Form auf -le | Form auf -el | Form auf -ele |
googeln (engl. to google) | (ich) google 350.000) | (ich) googel (13.500) | (ich) googele (8.680) |
puzzeln (engl. to puzzle) | (ich) puzzle (19.600) | (ich) puzzel (6.450) | (ich) puzzele (1.810) |
recyceln (engl. to recycle) | (ich) recycle (6.790) | (ich) recycel (559) | (ich) recycele (1.880) |
sampeln (engl. to sample) | (ich) sample (4.780) | (ich) sampel (434) | (ich) sampele (7) |
Tabelle 10: 1. Person Singular im Indikativ Präsens von „googeln“, „puzzeln“, „recyceln“ und „sampeln“ aus dem Internet
Das Verb canceln, das im Englischen auf -el auslautet, und nur durch Anhängen eines -n eingedeutscht wird, verhält sich in der 1. Person Singular Indikativ Präsens Aktiv anders als die oben genannten Verben. Am häufigsten tritt die Form ich cancel in Erscheinung, wobei ich cancle und ich cancele auch vorkommen. Vermutlich verhält es sich hier anders, weil die Sprecher die 1. Person analog zum englischen (I) cancel bilden.
Ergebnisse der DeReKo-Recherche:
Infinitiv | Form auf -le | Form auf -el | Form auf -ele |
canceln | (ich) cancle (0) | (ich) cancel (0) | (ich) cancele (1) |
Tabelle 11: 1. Person Singular im Indikativ Präsens von „canceln“ aus DeReKo
Ergebnisse der Internetrecherche:
Infinitiv | Form auf -le | Form auf -el | Form auf -ele |
canceln | (ich) cancle (807) | (ich) cancel (10.400) | (ich) cancele (1.030) |
Tabelle 12: 1. Person Singular im Indikativ Präsens von „canceln“ aus dem Internet
Im Deutschen gibt es feste und unfeste Verbzusammensetzungen. Die fremden Verbindungen werden im Präsens (und Präteritum) oft wie feste behandelt. Mit ich downloade etc. folgen die Sprachbenutzer dem Englischen, in dem das Verb nicht getrennt wird. Fälle, in denen im Präsens doch getrennt wird wie in ich loade down, treten im Internet meist in Foren, Mailinglisten, Chats und vor allem in sprachkritischen Beiträgen auf, in denen nach der richtigen Form des Verbs gefragt wird. Etwas anders sieht es bei outsourcen aus. Zumindest wir sourcen out ist im Internet üblich, und die getrennten Formen werden sogar von Duden-Online empfohlen.
Allerdings scheinen zusammengesetzte Verben aus dem Englischen überhaupt bevorzugt in Kontexten gebraucht zu werden, in denen sie ohnehin zusammenzuschreiben sind. Das ist der Fall, wenn sie von Hilfs- oder Modalverben begleitet werden oder am Ende eines Nebensatzes stehen. Dabei überwiegen bei weitem die Bildungen auf -en. Es handelt sich also vor allem um Infinitive, aber auch um die Formen der 1. und 3. Person Plural. So oder so: Getrennte Formen rücken in den Hintergrund.
Wohlgemerkt, im Partizip II werden die untersuchten Verben jedoch teilweise gegensätzlich zum Präsens gebraucht. Das Partizip II kann in fast allen Fällen nach den Regeln der trennbaren Verben gebildet werden (also downgeloadet und outgesourct siehe Tabellen weiter oben).
Wie wir weiter oben gesehen haben, gibt es Möglichkeiten, die strittigen Konjugationsformen eines übernommenen Verbs zu umgehen. Grammatikalische Schwierigkeiten werden so in der Sprachpraxis oft durch andere Formulierungen "vertuscht".
Fremdwörter sind eine Bereicherung, insbesondere wenn es im Deutschen kein entsprechendes Wort gibt (Bsp.: brainstormen), wenn das Fremdwort verwendet wird, um einen Teilbereich der Bedeutung eines deutschen Wortes zu spezifizieren (Bsp.: dealen = mit Rauschgift handeln) oder wenn das Fremdwort kürzer und prägnanter ist als einheimische Varianten (Bsp.: babysitten = auf ein Kleinkind aufpassen). In diesen Fällen nehmen wir gerne morphosyntaktische Anpassungsschwierigkeiten in Kauf.
Darüber hinaus werden aber auch Wörter übernommen, die eine deutsche Entsprechung aufweisen (Bsp.: faken = vortäuschen, fighten = kämpfen, forwarden = weiterleiten, updaten = aktualisieren). Solange sich diese Wörter mehr oder weniger wie einheimische handhaben lassen und keine alternativen Formen in Frage kommen, gibt es keine Probleme. Schwierigkeiten entstehen, wenn Fremdwörter alternative Formen zulassen, die zu Unsicherheiten im Gebrauch führen (so etwa bei forwarden und updaten).