Sprich deutsch mit mir! und Sprich Deutsch mit mir!
— Klein geschriebenes Adjektiv oder groß geschriebenes Nomen?
Ob wir mit jemandem deutsch oder Deutsch sprechen, ist vordergründig eine Frage der
Schreibung. Denn wer über das Deutschsprechen nur spricht, muss sich keine Gedanken machen.
Hintergründig ist dies eine Frage der Wortartenunterscheidung: Im ersten Fall nämlich
handelt es sich um ein Adjektiv, auch
Eigenschaftswort genannt; im zweiten Fall handelt es sich um ein Nomen, auch Substantiv oder Hauptwort genannt.
Das Adjektiv steht für alles Deutsche: er kocht deutsch, er
fühlt deutsch, er spricht
deutsch. Das Nomen Deutsch dagegen meint ausschließlich die deutsche Sprache.
Insofern haben wir es bei der Frage deutsch oder Deutsch
immer nur im Kontext mit sprechen und verwandten Verben zu tun, eben bei
sowas wie Sprich deutsch mit mir! und Sprich Deutsch mit
mir!. Oder bei Redet er französisch, wenn er in den Staaten
ist? undRedet er Französisch, wenn er in den Staaten
ist?
Woran aber erkennen wir, ob wir klein oder groß schreiben sollen? Der Rechtschreibduden von 2006 sieht vor, dass das Adjektiv
klein und das Nomen groß geschrieben wird (siehe auch im Amtlichen Regelwerk). Es soll geschrieben werden: sich
deutsch unterhalten und auf gut Deutsch gesagt.
Andere Schreibweisen deuten auf freiheitliche Ignoranz der aktuellen Regelung oder
auf früher mal vorgeschriebene Schreibweisen hin:
Alles ist - auf gut deutsch gesagt - im
Keller.
[Frankfurter Allgemeine, 15.01.2005]
Auf gut deutsch
gesagt, sind wir hier draußen in Nozawa Onsen am Arsch der Welt.
[Berliner Zeitung, 19.02.1998, S. 38]
Das ist eine klare Regel: Nur: Woran erkennen wir, was das Adjektiv und was das Nomen
ist?
Das Adjektiv deutsch
Typisch für Adjektive ist zum Beispiel, dass sie Nomina begleiten. Meist sind sie dann
Attribute und werden adjektivspezifisch
flektiert: schöne Wörter, kleine
Wörter, deutsche Wörter:
Nur wenige deutsche Wörter haben Eingang in die
italienische Sprache gefunden. Eins davon ist lo speck.
[Die
Zeit, 1.4.2004, S. 76]
Nicht so gut erkennbar sind begleitende Adjektive in nichtattributiver Funktion, etwa
wenn sie prädikativ oder adverbial vorkommen: das ist deutsch, er
spricht deutsch. Hier könnte es auch heißen: das ist Deutsch
und er spricht Deutsch. Lässt sich der Unterschied leichter am Nomen
erkennen?
Das Nomen Deutsch
Das Nomen Deutsch wird durch das Wortbildungsverfahren Konversion aus dem Adjektiv deutsch
gewonnen. Zu Nomina konvertiert, das heißt zu Nomina umgewandelt, werden vor allem
Adjektive, die Farben oder Sprachen bezeichnen: das Blau des Sees,
das Rot des Feuers, das elitäre Französisch meines
Vaters.
Spezifisch an Nomina ist unter anderem, dass sie von einem bestimmten Artikel wie
das oder unbestimmten Artikel wie ein, von einem
Adjektiv wie falsch oder einem Possessivartikel wie sein
begleitet werden können:
Auch das Deutsch des Polizistentrios tönt recht
differenziert: Huber ist Bayer, Dambrowski Berliner und Resch
Niedersachse.
[Züricher Tagesanzeiger, 31.07.1996, S. 71]
Der
Hauptkommissar holte tief Luft. "Akquisieren! Mein Gott, gebraucht die Jugend ein
Deutsch heutzutage!"
[Grossmann (2006): Rattengift und Bimbes.
Kriminalroman, S. 100]
In einem Lande, wo man Torte mit dem Messer ißt, und wo die
Prinzen falsches Deutsch reden, und wo es als eine verliebte Handlungsweise
auffällt , wenn ein Herr einer Dame den Fächer aufhebt, in einem solchen Lande ist es
leicht, hochmütig zu scheinen, Tom!
[Thomas Mann (1901): Buddenbrooks. In:
Gesammelte Werke in zwölf Bänden, Bd. 1. Frankfurt (1960), S. 388]
Heidi Joss ist
überzeugt, dass die eine oder andere Frau ihre neuen Kenntnisse der deutschen Sprache daheim
anwendet und damit möglicherweise auch den Mann beflügelt, sein Deutsch zu
verbessern.
[St. Galler Tagblatt, 11.12.2001, o.S.]
Auch nach Präpositionen wie
zu oder in folgt grundsätzlich ein Nomen
(Deutsch) bzw. eine Nominalphrase (recht gutes Deutsch):
Unter dem Vordach eines Gebäudes, das an ein Schweizer Haus
erinnert, warten die anderen Schwestern, um den Gast segnend zu begrüßen. Sie machen das
auf Griechisch, Englisch und Deutsch.
[Die Zeit, 22.12.2003, S.
66]
Marco Untersee am Akkordeon und Thomas Kuster an der Flöte spielten
zwischendurch zwei Instrumentalstücke, zuerst «Pulce d' acqua», zu Deutsch
«Wasserfloh», und eine sizilianische Volksweise, die sie «Die Süsse» nannten.
[St.
Galler Tagblatt, 23.01.2001, o.S.]
Nötigenfalls wiederholt sie in
Deutsch, um sicher zu gehen, dass die Kinder auch richtig verstanden
haben.
[St. Galler Tagblatt, 20.01.2001]
Der Sprecher der Gruppe, Fabio,
wirkte zugleich als Conférencier, mit Humor und in recht gutem Deutsch, das er
am Goethe-Institut in La Paz gelernt hat.
[St. Galler Tagblatt, 16.10.2001,
o.S.]
Deshalb ist zum Beispiel auch der Begleiter von gut in auf gut
Deutsch gesagt ein Nomen und wird folglich groß geschrieben.
Auf jeden Fall ein Nomen ist Deutsch schließlich als Bezeichnung für
das Unterrichtsfach:
Hier käme es darauf an, den Studierenden deutlich zu machen,
daß sie - wenn sie das unbedingt wollen - auch heute das Lehramt Deutsch und
Geschichte studieren können.
[Salzburger Nachrichten, 08.10.1998]
Für
folgende Fächer wird die Software, die von erfahrenen Lehrkräften erstellt wurde, angeboten:
Deutsch, Geschichte, Englisch, Französisch, Latein und
Sozialkunde.
[Computer Zeitung, 18.11.1993, S. 10]
Das Adjektiv und das Nomen in gleichen Kontexten
Häufig können wir deutsch und Deutsch in gleichen
Kontexten verwenden:
Die Stadt war multikulturell geprägt, die Bewohner
sprachen deutsch, polnisch, ukrainisch und jiddisch.
[Salzburger
Nachrichten, 09.12.2000, o.S. ]
Jani trug längere graue Haare und einen wuseligen
Bart. Er sprach Deutsch mit polnischem Akzent, was oft lustig war und ihm
manchmal Spott einbrachte, aber das war ungerecht.
[Die Zeit, 22.05.2003, S. 65]
Keiner der Aussiedler-Jungs, die das Kicker-Gerät einem rabiaten Härtetest
unterziehen, redet deutsch.
[Der Spiegel, 24.01.1994, S. 50:
]
Der PC wird zum Sprachgenie: Der Computer redet Deutsch, Englisch
oder Japanisch. Er dolmetscht in Sekundenschnelle zwischen Geschäftsleuten aus Tokio, New
York oder Frankfurt, die in ihrer Muttersprache telefonieren.
[Mannheimer Morgen,
28.11.2001, o.S.]
Hier gibt es von der Bedeutung her keinen spürbaren Unterschied.
Fazit
Das Adjektiv deutsch meint allgemein Deutsches: er
kocht deutsch, er fühlt deutsch, er spricht
deutsch; das Nomen Deutsch meint ausschließlich die Sprache:
er spricht Deutsch.
In Kontexten, in denen es um Sprache geht, können meist sowohl das Adjektiv
als auch das Nomen verwendet werden. Beide unterscheiden sich dann auch von der Bedeutung
her nicht.
Eine ähnliche Frage findet sich bei: Keine Zeit zu
schlafen haben oder Keine Zeit zum Schlafen haben - Klein geschriebenes Verb oder groß
geschriebenes Nomen?