Mein Enkel nervt mich mit der Frage,
ob es "Frau Lehrer" oder "Frau Lehrerin" heißen muß.
Beides ist
richtig, habe ich ihm geantwortet,
aber ich bin nicht sicher.
Was
stimmt denn nun?
(http://www.korrekturen.de/forum/index.cgi/read/3794,
10.6.2005)
Sexusneutrale Bezeichnungen für Menschen wie Professor durch das Movierungssuffix -in sexuszumarkieren, ist im Prinzip immer möglich, aber nicht zwingend, denn sexusneutrale Bezeichnungen gelten selbstverständlich für beide Geschlechter: Mit Professor bezeichnen wir sowohl einen Mann als auch eine Frau. Ausführlich dazu: Genus und Sexus. Wer sich aber um Political Correctness bemüht, versucht, die Anwesenheit von Frauen konsequent durch frauenspezifische Ausdrücke zu betonen. Besonders im Kontext mit Anreden und Titeln stößt das allerdings sogar unter Frauen auf Unmut: "Eine mit Frau Doktorin angesprochene Ärztin dürfte sich vorderhand noch ein bisserl gehänselt fühlen" (Neue Kronen-Zeitung, 27.03.1994, S. 12). Wie also sagt man am besten: Frau Professor oder Frau Professorin?
Beides ist üblich, beides bietet das System der deutschen Sprache an. Wem die Entscheidung für das eine oder andere schwer fällt, sollte sich die Vor- und Nachteile bewusst machen:
Man kann sich darauf berufen, dass früher "in der Sprachgemeinschaft niemals irgendein Zweifel daran aufgekommen ist, daß der Bürgersteig auch für Frauen da ist, daß ein Führerschein auch für Frauen gilt, daß in einem Nichtraucherabteil auch Frauen nicht rauchen sollen. Es galt nämlich seit alters die Regel: Für Sammelbezeichnungen einzelner Gruppen, bei denen die Geschlechtszugehörigkeit sowenig interessiert wie andere Merkmale (Beruf, Alter, Größe, Haarfarbe und so weiter), wird die kürzere Grundform verwendet. Aus sprachhistorischen Gründen ist diese Form meist von maskulinem grammatischen Geschlecht, aber nicht immer: Geiseln, Seelen, Personen, Persönlichkeiten, Fach- und Führungskräfte sind Feminina, von denen sich gleichwohl nie ein Mann ausgegrenzt gefühlt hat. Generisch gebrauchte Substantive meinen beide Geschlechter, unabhängig von ihrem grammatischen Geschlecht" (Zimmer 1996).
Um welche Art Mensch es sich handelt, sagen wir ja bereits mit Frau aus.
Statistisch überwiegt Frau Professor. Sowohl die Korpora des Instituts für Deutsche Sprache als auch Google beinhalten am 3.7.2007 deutlich mehr Belege für Frau Professor als für Frau Professorin:
Korpora des IDS | ||
Frau Professor | 376 | 140.000 |
Frau Professorin | 25 | 21.000 |
Auch andere Verbindungen sind in der movierten Form seltener als in der generischen Normalform:
Frau Diplom-Ingenieur | 260 |
Frau Diplom-Ingenieurin | 80 |
Frau Direktor | 20.000 |
Frau Direktorin | 11.000 |
Frau Doktor | 202.000 |
Frau Doktorin | 1000 |
Andere Verbindungen mit movierten Formen dagegen haben sich offenbar etabliert; hier sind die Zahlenverhältnisse genau andersherum:
Frau Minister | 41.000 |
Frau Ministerin | 170.000 |
Frau Dekan | 140 |
Frau Dekanin | 470 |
Frau Pfarrer | 870 |
Frau Pfarrerin | 19.400 |
Frau Lehrer | 781 |
Frau Lehrerin | 35.300 |
Frau Lehrer kommt übrigens überwiegend auf österreichischen Googleseiten vor:
Etwas veraltet, aber immer noch in Gebrauch ist die matrimonielle, das heißt eheliche Verhältnisse anzeigende Verwendung von Verbindungen wie Frau Professor:
Besonders Frau Pfarrer meint häufig die Frau eines Pfarrers:
Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat 2005 als Wort des Jahres Bundeskanzlerin gewählt (http://www.gfds.de). Sie begründet diese Wahl so: "Die feminine Endung -in an Berufs- und Personenbezeichnungen ist nicht neu – dennoch wäre noch vor wenigen Jahrzehnten auch eine Frau an der Spitze der Regierung als Bundeskanzler bezeichnet worden. Spätestens seit Beginn des Wahlkampfs für die vorgezogenen Neuwahlen zum Deutschen Bundestag etablierte sich mit der Kanzlerkandidatin Angela Merkel auch die Bezeichnung Bundeskanzlerin", die inzwischen auch als Anrede üblich ist:
Besonders in offiziellen Kontexten, in denen politischen Korrektheit inzwischen Pflicht ist, finden sich häufig entsprechende Formen:
Allerdings ist politisch korrektes Verhalten ja an sich problematisch, unter anderem, weil es das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in Frage stellt (Wimmer 1998).
Auch viele Frauen empfinden politische Überkorrektheiten als lächerlich.
Mitunter werden solche Formen auch bewusst eingesetzt, um jemanden lächerlich zu machen:
Die Gesellschaft für deutsche Sprache merkt zu ihrer Wortwahl von 2005 an: "Sprachlich wirft der Ausdruck Kanzlerin interessante Fragen auf, etwa die nach lexikalisierten Zusammensetzungen wie Bundeskanzleramt oder protokollarischen Gepflogenheiten der Anrede" (http://www.gfds.de). Hier kommt es zu gewöhnungsbedürftigen Verumständlichungen. Und brauchen wir wirklich ein Nichtraucher- und Nichtraucherinnenabteil? Umständlich sind auch politisch korrekte Formulierungen wie in Die Ministerin bzw. der Minister ernennt ihre Stellvertreterin oder ihren Stellvertreter bzw. ihren oder seinen Stellvertreter. Ausführlich zu "unaussprechlichen Notationen und grammatischen Komplikationen" Stickel (1988) und (1998). Solche "Längen wirken umständlich, pedantisch, zeitverschwenderisch, unschön. Inmitten einer allgemeinen Entwicklung zum hastigen Telegrammstil nun die endlosen, redundanten Paarformeln: Dekaninnen und Dekane, Professorinnen und Professoren, Dozentinnen und Dozenten - wann wird es niefrau mehr hören wollen?" (Zimmer 1996).
"Wenn ein Schulleiter heute eine Lehrerin als Kollege oder Lehrer tituliert, ist er wahrscheinlich wirklich Sexist. Dennoch gerät die Sprache schon bei den Titeln in eine Problemzone. Die Einführung femininer Formen dort, wo es vorher nur das Maskulin gab, macht Frauen in der Tat so sichtbar, wie es die feministischen Sprachreformerinnen fordern. Es schafft aber auch gleichsam einen Überschuß an Sichtbarkeit, der geradezu frauenfeindlich wirken kann: Dieses Amt wird von einer Frau ausgeübt, seht her und wundert euch! Obwohl sie eine Frau ist, hat sie die Doktorprüfung bestanden! Darum ist auch nach Jahrzehnten des Zweifels nicht entschieden, ob es nun Frau Präsidentin, Frau Ministerin, Frau Staatssekretärin, Frau Professorin, Frau Doktorin heißen soll. Auch viele Trägerinnen dieser Titel sind nicht dafür zu haben. Es wirkte ja, als beanspruchten sie in ihrer Tätigkeit einen Weiblichkeitsbonus" (Zimmer 1996).
Man sollte auf Sprache nicht mit zu heißen Ambitionen Einfluss nehmen wollen: "Die politische Korrektur der Sprache beruht auf der irrigen Meinung, durch bloße Namensgebung ließen sich die Verhältnisse und sogar die Gefühle der Menschen reformieren" (Zimmer 1996).
Deshalb sagen auch viele nicht des Sexismus verdächtigen Frauen Frau Professor, zum Beispiel:
Vgl. auch Kann der Chefarzt eine Ärztin sein? - Movierung
Die Rubrik „Grammatik in Fragen und Antworten“ greift Hauptschwierigkeiten und Zweifelsfälle der deutschen Sprache in Form einfacher Fragen exemplarisch auf. Spezifisch für diese Rubrik ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung Grammatik des IDS in diesen glossenartigen Beiträgen häufig gestellte, konkrete Fragen nicht nur anhand der Beleg- und Forschungslage beantworten, sondern auch eigene Standpunkte vertreten und ggf. Empfehlungen aussprechen.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IDS beschreiben in Fachzeitschriften und auch in populärwissenschaftlichen Beiträgen verschiedene Gesichtspunkte rund um das Thema „geschlechtergerechte Sprache“. Das heißt: Das IDS beobachtet die momentanen Entwicklungen im Sprachgebrauch, wir geben aber keinen Umgang mit geschlechtergerechter Sprache vor. Die gesellschaftliche Vielstimmigkeit zu dieser Frage und verschiedene sprachwissenschaftliche Positionen und Schreibungen spiegeln sich daher auch in Publikationen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Internet- und Social-Media-Angeboten wider.