Alles verstehen heißt alles verzeihen oder Alles zu verstehen
heißt alles zu verzeihen? — Infinitivkonstruktionen mit und ohne zu
In der vorliegenden Frage geht es um Infinitivkonstruktionen mit und ohne
zu — und denkbar sind hier sogar mehr als die beiden oben erwähnten Möglichkeiten:
1. Infinitiv | 2. Infinitiv | |
ohne zu | ohne zu | Alles Ø verstehen
heißt alles Ø
verzeihen. |
mit zu | mit zu | Alles zu verstehen heißt alles zu verzeihen. |
ohne zu | mit zu | Alles Ø verstehen heißt
alles zu verzeihen. |
mit zu | ohne zu | Alles zu verstehen heißt
alles Ø verzeihen. |
Wenn man sich andere Sätze mit dem Verb heißen anschaut, finden sich nämlich tatsächlich Belege für alle vier Strukturen:
Promis machen es vor: Schwanger sein heißt auch schön und sexy
sein.
(Berliner Zeitung, 13.05.2005, S. 23)
Sein Vaterland zu lieben, heißt nicht, andere Länder
gering zu schätzen und die dunklen Seiten der Geschichte
auszublenden.
(dpa, 11.06.2006; «Die Glocke» (Oelde)
zu Rüttgers/Einbürgerungen)
Arbeitszeit verlängern heißt im Klartext, Arbeitsplätze zu
vernichten.
(dpa, 22.02.2006; DGB-Vize-Chefin fordert Streikende im
Südwesten zum Durchhalten auf)
Den SED-Erben die Hand zu reichen heißt den Anspruch auf
historische Wahrhaftigkeit aufgeben.
(Frankfurter Allgemeine,
08.01.1997; Unanständig eilig E.F.)
Die Titelfrage umfasst also eigentlich zwei Fragen:
Zum Spruch als solchem
Alles verstehen heißt alles verzeihen ist ein Satz, der im Deutschen
den Charakter eines geflügelten Wortes (linguistisch: Phraseologismus) angenommen hat, und der wahrscheinlich
auf einem Zitat aus "Corinne ou l'Italie" von Madame de Staël (1807) basiert:
(tout) comprendre c'est (tout)
pardonner. Dieser Satz wurde ins Deutsche übersetzt und als
Alles verstehen heißt alles verzeihen tradiert. Die Form einer solchen Redewendung ist im Allgemeinen recht konstant. Die Tendenz zur grammatischen
Variation ist selbst dann gering, wenn sie nach gängigen grammatischen Regeln möglich wäre. Eine Google-Internetsuche im Dezember 2024 bestätigt dies. Ungefähr 12.000-mal wird der Satz mit
den Infinitivkonstruktionen ohne
zu gefunden (Alles Ø verstehen heißt alles Ø
verzeihen); allerdings beziehen sich viele dieser Belege auf einen gleichnamigen Film bzw. ein gleichnamiges Lied. Demgegenüber stehen nur knapp 200 Treffer mit zwei
zu-Infinitivkonstruktionen (Alles zu verstehen heißt alles zu verzeihen). Zweimal gibt es den Spruch in
der Fassung Alles Ø verstehen heißt
alles zu verzeihen und die
Fassung Alles zu verstehen heißt alles
Ø verzeihen kommt kein
einziges mal vor.
Im mit KorAP recherchierbaren Deutschen Referenzkorpus (DeReKo), das vorwiegend überregionale Zeitungen und Belletristiktexte erfasst, ist der Befund noch klarer: Der Satz kommt ausschließlich in der Fassung Alles
Ø verstehen heißt alles Ø verzeihen vor.
Als
Parteivorsitzender schmeißt man nicht hin. Flucht vor der Verantwortung. Rache. Alles verstehen heißt alles verzeihen. Das sagt sich leicht
und ist ja auf einer ganz rationalen Ebene auch irgendwie richtig.
(Die Zeit, 07.10.1999, "Der Fall Lafontaine")
Auch bei Abwandlungen bleibt die tradierte Grundform erkennbar stabil:
Alles verstehen heißt nichts
verzeihen.
(Frankfurter Allgemeine, 18.01.2003; Die im Dunkeln sieht
man doch)
Alles verstehen heißt angeblich alles verzeihen.
(Die Presse,
27.06.1998; "Skandalkatholiken")
Alles verzeihen - heißt gar nichts verstehen.
(profil, 07.11.2016, S. 111)
Nur sehr selten findet man Abwandlungen mit zu:
Alles zu verstehen heißt aber auch hier keineswegs, alles
zu verzeihen.
(Die Zeit, 15.1.2015, S. 36)
Wenn nun Fragen zum "richtigen" Gebrauch der Redewendung auftauchen, dann liegt das vermutlich daran, dass man problemlos Infinitivkonstruktionen mit dem Verb heißen findet, die nach verschiedenen Mustern gebaut sind.
heißen und die von ihm abhängigen Infinitivkonstruktionen
Das Verb heißen gehört zu den wenigen Verben, die häufig zusammen mit
zwei Infinitivkonstruktionen, die eine als Subjekt
(orange gekennzeichnet), die andere als Objekt (braun
gekennzeichnet), auftreten:
Zu spenden heißt Mitmenschlichkeit zu zeigen.
(Berliner Zeitung, 06.01.2005, S. 4)
Prioritäten setzen heißt eben auch aussortieren
können.
(Mannheimer Morgen, 24.05.2005,
Der Rest des Lebens fängt heute an)
Weitere Verben, die häufig mit zwei Infinitivkonstruktionen auftreten, sind
bedeuten, scheinen,
lassen und
helfen. Einige weitere Verben wie z.B.
erlauben, ermöglichen,
ermutigen, halten für,
machen, umfassenoder
voraussetzen werden gelegentlich so
gebraucht.
Dasselbe sagen bedeutet eben
nicht dasselbe meinen.
(Berliner Zeitung, 30.08.2003, S. 9)
Denn gegen den Strom zu schwimmen scheint seiner Natur zu entsprechen.
(Frankfurter Allgemeine, 14.03.2001; Der Medienwerber in eigener
Sache)
Die Energie stärker, die Arbeit
dafür weniger stark zu besteuern läßt den
Energieverbrauch sinken.
(Die Zeit,
16.04.1998, S. 22)
"DDR-Waren kaufen
hilft Arbeitsplätze
sichern."
(Salzburger
Nachrichten, 10.06.1991; Dresden baut auf protestantische Emsigkeit)
Einen so bedeutenden Fall unter solcher
Missachtung der Vernunft zu entscheiden, erlaubt es, die unparteiische Aura des Gerichts als Illusion zu
durchschauen.
(Berliner Zeitung,
18.12.2000, Allzu menschliche Wesen, S. 15)
In einer NGO zu arbeiten
ermöglicht den Eliten und der linken Mittelschicht, ihre Ideen in
die Praxis umzusetzen.
(die
tageszeitung, 12.08.2005, S. 6-7)
Ihn als
Menschen zu betrachten ermutigt uns zu analysieren,
was ihn formte und warum sein Netz aus Krieg und Völkermord so viele normale Leute
beeindruckte.
(Berliner Zeitung,
24.02.2005, S. 26)
Die Marktaufsicht dem
Forschungsministerium zu übertragen hält Rexrodt für
nicht zu begründen.
(Frankfurter
Allgemeine, 1995)
Ewig Beine zu sehen
macht die Welt gähnen.
(die tageszeitung, 21.02.1990, S. 16-17)
Sich verstehen setzt
miteinander reden, zuhören können und einander anerkennen
voraus.
(Mannheimer Morgen, 01.09.1998;
Kinder setzen Thema in starke Bilder um)
Infinitivkonstruktionen in Subjektfunktion
Infinitivkonstruktionen in Subjektfunktion können mit ziemlich vielen Verben verbunden
werden, auch mit Verben ohne weitere Infinitivkonstruktion. Sie können in Aussagesätzen im Prinzip vor
oder nach dem Hauptverb stehen. Je nachdem, wo sie stehen, können sie anders gebildet
werden.
Wenn sie vor dem Hauptverb stehen, können sie prinzipiell mit zu oder
ohne zu verwendet werden. Es besteht aber die starke Tendenz, für
umfangreichere Infinitivkonstruktionen in Subjektfunktion einen Infinitiv mit
zu zu wählen und für kürzere, vor allem wenn sie nur aus dem Infinitiv
bestehen, eine Konstruktion ohne zu. Nichtsdestotrotz gibt es Ausnahmen:
Zu produzieren bedeutet für mich,
sich schon vorher eingehend mit dem Material der Gruppe
auseinandersetzen.
(die tageszeitung, 30.10.1992,
S. 23)
Sich einer Partei zur Verfügung
stellen, bedeutet Ja-Sagen zu zig Positionen, denen man – für sich betrachtet –
oft nicht zustimmen würde.
(Berliner Zeitung,
02.09.2005, S. 4)
Beispiele mit zu:
(a. 1.) Zu spenden heißt
Mitmenschlichkeit zu zeigen.
(Berliner Zeitung, 06.01.2005, S.4)
(a. 2.) Gar keine Kollegen zu haben, heißt ja
auch, keine Tipps zu bekommen, wo man Arbeit findet.
(Berliner Zeitung, 22.01.2005, S. 1)
(b. 1.) Zu sparen bedeutet jedoch, daß sich die
schwierigen Arbeitsbedingungen der Redaktion und damit auch der Chefredaktion weiterhin
nicht verbessern.
(die tageszeitung, 19.01.1999,
S. 4)
(b. 2.) James Blunt zu
hören, bedeutet innere Reinigung, das Unbewusste nach oben zu befördern, um
sich daran abzuarbeiten.
(Berliner Zeitung,
12.12.2005, S. 25)
(b. 3.) Dies auf die
Arbeitslosenversicherung auszudehnen, bedeutet den Sinn dieses
Zweiges der Solidarversicherung weiter auszuhöhlen.
(dpa, 07.08.2006; <<Ostthüringer Zeitung (Gera) zu
Pofalla)
(c. 1.) Dieses Buch zu
lesen strengt an, weil es Gefühle aufwühlt und Assoziationsketten durchs
Hirn jagt.
(Berliner Zeitung, 02.12. 2002, S.
13)
(c. 2.) Denn diese vielen neuen
Eindrücke zu verarbeiten, strengt ein Tierbaby ganz schön
an.
(Neue Kronen-Zeitung, 27.02.1995, S. 9)
Beispiele ohne
zu:
(a'. 1.) Kochen
heißt Regeln zu brechen.
(Berliner Zeitung, 11.05.2005, S.21)
(a'. 2.) Deine Stücke lesen, heißt Vertrauen zu haben in
ihre elliptische Denkart.
(Berliner Zeitung,
23.03.2005, S.10)
(b'. 1.) Lügen
bedeutet, dass man die Empfindsamkeit des Partners respektiert.
(Berliner Zeitung, 28.05.2005, S. 4)
(b'. 2.) Fleisch garen bedeutet also immer, einen Kompromiss zu finden: Die
Muskelproteine dürfen nicht zu hart, das Kollagen muss möglichst weich werden.
(Berliner Zeitung, 23.12.2005, S.
4)
(c'. 1.) Strahlen strengt
an.
(die tageszeitung, 19.01.1999, S.
4)
(c'. 2.) Immer progressiv sein
wollen strengt eben an.
(die
tageszeitung, 11.04.1992, S. 28)
Infinitivkonstruktionen, die so umfangreich sind wie die in b. 3. oder c. 2., findet
man seltener ohne zu.
Diese Regel gilt auch in Fragesätzen, in denen das Subjekt nach dem Verb steht. Hier kann die
Subjekt-Infinitivkonstruktion mit oder ohne zu gebildet werden.
Infinitivkonstruktionen mit zu scheinen aber häufiger vorzukommen und wir beobachten wieder die Tendenz, längere Infinitivkonstruktionen eher mit zu zu
bilden.
Bedeutet auf einen Entscheid
zurückzukommen zwangsläufig Wankelmütigkeit und
Unentschlossenheit?
(Züricher Tagesanzeiger,
04.05.1996, S. 45)
Bedeutet mehr telephonieren
mehr verdienen?
(Die Presse, 11.08.1998; Mehr
Gewinn durch Einsatz von Handys?)
Tritt ein Verb zusammen mit zwei Infinitivkonstruktionen auf, dann steht die
Subjekt-Infinitivkonstruktion in Aussagesätzen vor dem Verb. Somit kann man in diesem
Zusammenhang den Fall der nachgestellten Subjekt-Infinitivkonstruktion
vernachlässigen.
Infinitivkonstruktionen in Subjektfunktion können in Aussagesätzen
auch gelegentlich nach hinten, hinter das Verb verschoben werden. Dann erscheinen diese
Infinitivkonstruktionen mit zu. Vor dem Verb steht ein
Platzhalter für die Subjekt-Infinitivkonstruktion: es oder auch
das. Dieser Platzhalter kündigt sozusagen die
Subjekt-Infinitivkonstruktion an:
Ich weiß, was es
heißt, alles zu verlieren.
(Lenz,
Siegfried: Exerzierplatz. Erstv. 1985. In: Werkausgabe in Einzelbänden, Bd. 10. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1998)
Die Lehre, was es heißt, alles auf eine Karte
zu setzen, kann aus dem Yucca-Mountain-Endlagerprojekt der
USA gezogen werden.
(Marianne Tritz: Entsorgung nuklearer Abfälle. Rede im
Deutschen Bundestag am 21.04.2005)
...denn was das heißt, mit jemand deutsch reden, das wissen wir.
(Wolf, Christa: Deutsch sprechen, In: Werke, Bd. 4,
Essays/Gespräche/Reden/Briefe 1959-1974, Hrsg.: Hilzinger, Sonja, 1999, S. 162-172)
Infinitivkonstruktionen in Objektfunktion
Ob eine Infinitivkonstruktion in Objektfunktion mit oder ohne zu gebildet wird, hängt weder
von ihrer Position vor oder hinter dem Hauptverb, noch von ihrem mehr oder weniger großen
Umfang ab. Das Hauptverb bestimmt die Form der Infinitivkonstruktion.
- Die meisten Verben, die mit einer Infinitivkonstruktion in Objektfunktion
verwendet werden können, verlangen eine Infinitivkonstruktion mit zu:
Er beginnt zu
lesen.
(Die Rheinpfalz, 18.02.2011, S. 7)
Das würde es dem alten Mann erlauben, das Gesicht zu wahren.
(Berliner Zeitung, 18.01.2005, S. 26)
Das Kind zu fotografieren erlaubte er allerdings nicht.
(Berliner Zeitung, 12.08.2005, S. 28)
Nordkorea hatte im Februar offiziell erklärt,
Kernwaffen zu
besitzen.
(Berliner Zeitung,
09.05.2005, S. 5)
Damit hat es die Union in den Verhandlungen
mit der SPD erreicht, den Markt für Biokraftstoffe
zu schützen und den Produzenten eine Zukunftsperspektive über das
Jahr 2010 hinaus zu eröffnen.
(dpa, 01.06.2006; Koalition streitet weiter über Besteuerung von
Biosprit)
Jeder hofft, am
Leben zu bleiben.
(Berliner Zeitung, 06.05.2005, S. 2)
Während der Markttage
verkehren Sonderbusse und -bahnen, die Polizei rät, Bus und Bahn zu nutzen.
(Frankfurter Allgemeine, 01.11.2005; 400 000 Besucher erwartet)
Zu den Verben, die mit einer Objekt-Infinitivkonstruktion mit zu
verwendet werden, gehören auch die Verben erlauben, ermutigen, halten für,
scheinen, die auch mit einer Subjekt-Infinitivkonstruktion erscheinen können.
- Einige Verben, wie z.B. lassen, heißen (i.S.v.
befehlen), Modalverben
(können, müssen usw.) oder auch Verben der
Wahrnehmung (hören, sehen, fühlen
usw.) werden mit einer Infinitivkonstruktion ohne zu verwendet:
Er mag kein tieferes
Interesse heucheln.
(Frankfurter Allgemeine, 26.07.2001)
Nein, herausragende Einzelspieler nennen mag er
nicht.
(Frankfurter Allgemeine, 27.01.2005; Die Überflieger aus der
A-Jugend)
Zu diesen Verben gehören auch die Verben lassen und
machen, die auch mit zwei Infinitivkonstruktionen verwendet werden
können.
- Einige Verben wie lernen, helfen, brauchen können mit einer
Infinitivkonstruktion in Objektfunktion mit oder ohne zu gebildet
werden. Hier greift wieder die Faustregel: Umfangreiche Infinitivkonstruktionen
werden eher mit zu, weniger umfangreiche Konstruktionen eher
ohne zu gebildet:
Ich helfe dir tragen.
Ich helfe dir, das Päckchen (zu)
tragen.
Ich helfe dir, das schwere
Päckchen nach Hause zu tragen.
(Näheres dazu in: Ich helfe dir das Päckchen (zu) tragen, dann brauchst nicht (zu) warten — Verben mit und ohne Infinitiv mit
zu.)
Zu den Verben, die mit einer Objekt-Infinitivkonstruktion mit oder ohne
zu verwendet werden, gehören auch heißen,
bedeuten, voraussetzen und umfassen, die mit
zwei Infinitivkonstruktionen verwendet werden können.
Was folgt daraus für Verben mit zwei
Infinitivkonstruktionen?
- Prinzipiell kann die Infinitivkonstruktion, die die Subjektfunktion innehat,
beide Formen haben, d.h., sie kann sowohl mit zu als auch ohne
zu erscheinen.
- Die Form der anderen Infinitivkonstruktion ist von Verb zu Verb
verschieden:
mit erlauben, ermutigen, halten für, scheinen
wird sie mit zu gebildet;
mit lassen und
machen ohne zu;
mit
bedeuten, heißen, helfen,
umfassen und voraussetzen kann sie beide Formen
haben. Nur hier kann die Faustregel greifen, die besagt, dass umfangreichere
Infinitivkonstruktionen eher mit zu, kurze Infinitivkonstruktionen eher
ohne zu verwendet werden. Es ist aber auffallend, dass in den
allermeisten Fällen beide Infinitivkonstruktionen gleich gebildet sind und zwar beide
ohne zu.
Den schriftsprachlichen Gebrauch für heißen prüfen wir anhand des Deutschen Referenzkorpus (DeReKo).
Darin finden wir das Verb 76.230-mal mit zwei
Infinitivkonstruktionen, davon 49.322-mal mit beiden Infinitivkonstruktionen ohne
zu, 11.073-mal mit beiden Infinitivkonstruktionen mit
zu, 8.080-mal mit der ersten Infinitivkonstruktion mit
zu und der zweiten ohne zu und 7.755-mal mit der
ersten Infinitivkonstruktion ohne zu und der zweiten mit zu.
Die Korpusrecherche wurde Anfang Dezember 2024 mit Hilfe von KorAP und der Abfragesprache Poliqarp durchgeführt.
Die Belegzahl für heißen mit zwei Infinitivkonstruktionen mit oder ohne zu wurde mit dem Suchmuster ([tt/p=VVINF]|[tt/p=VVIZU]) heißt []{0,8} zu{0,1} ([tt/p=VVINF]|[tt/p=VVIZU]) ermittelt.
Durch Anpassung der Wortformen- und Wortklassenkriterien lassen sich Eingrenzungen vornehmen,
beispielsweise findet (zu [tt/p=VVINF]|[tt/p=VVIZU]) heißt []{0,8} (zu [tt/p=VVINF]|[tt/p=VVIZU]) ausschließlich Konstruktionen mit zwei zu-Infinitiven;
(zu [tt/p=VVINF]|[tt/p=VVIZU]) heißt []{0,8} [orth!=zu] [tt/p=VVINF] findet Belege mit einer zu-Konstruktion vor dem Verb etc.
Neben dem Umfang der Infinitivkonstruktion scheint es weitere Faktoren zu
geben, die die Entscheidung für oder gegen zu beeinflussen, nämlich den
Hang zum Parallelismus und die analogiebildende Kraft der Sprüche, der
Redewendungen.
Subjekt-Infinitivkonstruktionen sind in der Regel relativ kurz. Sie werden meistens
ohne zu gebildet. Tritt in einem Satz, der mit einer
Subjekt-Infinitivkonstruktion ohne zu beginnt, eine weitere
Infinitivkonstruktion hinzu, so wird die zweite, auch wenn sie umfangreich ist, häufig der
ersten nachgebildet.
Dass die Entscheidung für die Konstruktionen ohne zu
beim Verb heißen so eindeutig ausfällt, erklärt sich vielleicht
zusätzlich durch die Bekanntheit von Redewendungen wie
Alles verstehen heißt alles verzeihen oder Von der
Sowjetunion lernen heißt siegen lernen, die beide ohne
zu tradiert sind.