Der Franz, der Beckenbauer oder ein Beckenbauer? — Artikelgebrauch bei Eigennamen

Österreich und die Schweiz, Hamburg und die Elbe, Johanna und die HannaEigennamen kommen im Deutschen offenkundig sowohl artikellos als auch mit Artikel vor. Ob ein definiter (bestimmter) Artikel gefordert ist oder nicht, ist dabei meist ganz eindeutig geregelt, jedoch ausgerechnet dort nicht, wo es einen bemerkenswerten Unterschied macht, ob er auftritt oder nicht: bei Personennamen.

Die klaren Fälle

Mit definitem Artikel verwendete Eigennamen

  • Gewässer — der Rhein, die Donau, die Spree, der Federsee, das Mittelmeer, der Atlantik, ...
  • Geländeformationen — der Katzenbuckel, die Hornisgrinde, das Erzgebirge, die Breitach Klamm, das Bühler Tal, die Wolfsschlucht, ...
  • Landschaften — die Heide, das Heckengäu, die Ziegelwiesen, der Odenwald, ...
  • Straßen, Wege, Gassen und Plätze — die Kaiserstraße, die Florinsgasse, der Philosophenweg, der Berliner Platz, ...
  • Gebäude — die Herzog Albrecht Kaserne, die Schleyer Halle, ...
  • Schiffe — die Bremen, die Berta Epple, die Queen Mary, ...
  • Vereine — der FC Bayern, die Union Böckingen, die Ruderschwaben, ...
  • Institutionen — das Einwohnermeldeamt, das Auswärtige Amt, der Bundesgerichtshof, das Reichsgericht, das Institut für Deutsch als Fremdsprache, ...

Für die so weit aufgeführten Fälle gilt die Regel bis auf eine generelle Ausnahme und eine spezielle durchgängig. Die generelle Ausnahme: In Schlagzeilen und Aufzählungen können auch diese Namen ohne Artikel aufgegriffen werden:

Katzenbuckel von Erosion bedroht.
FC Bayern unterliegt in Aachen.
Iller, Lech,Isar, Inn fließen zu der Donau hin; Wörnitz, Altmühl, Naab und Regen kommen ihr entgegen.

Die spezielle Ausnahme: Bei der Angabe von Straßen mit Hausnummern entfällt der Artikel, wenn zugleich die Präposition in entfällt:

Sie wohnen Kaiserstraße 13, 3. Stock.

Teils mit, teils ohne definiten Artikel verwendete Eigennamen

Bei manchen Klassen muss wortweise gelernt werden, ob die Eigennamen ihrer Elemente mit oder ohne definiten Artikel zu verwenden sind. Hierher gehören bestimmte

  • Ländernamen: die Schweiz, die USA, die Türkei, das Saarland, ...
    Deutschland, Frankreich, Spanien, Korea, ...
  • Namen von Ortsteilen: die Schönau, der Kräherwald, der Wedding, ...
    Lichterfelde, Spandau, Pasing, ...
  • Namen von Inseln: die Mainau, die Reichenau, der Fährmannsand, ...
    Elba, Föhr, Java, Madeira, ...
  • Markennamen: Daimler-Chrysler, Honda, Orange, ...
    die BASF, der Kaufhof, ...

Im Allgemeinen werden diese Namen durchgängig mit oder durchgängig ohne Artikel verwendet. Bei bestimmten Ländernamen jedoch schwankt der Gebrauch:

Das Regime in Iran will nach Möglichkeit jede Erinnerung an die Massenexekution vermeiden.
[St. Galler Tagblatt, 18.06.1998, Iran droht mit Rückzug]
Es ist unwahrscheinlich, daß der Iran und die Türkei die Absicht haben, Teile des Iraks zu annektieren.
[die tageszeitung, 07.03.1991, S. 10]
Die Zahl der aus Irak nach Ägypten zurückkehrenden Gastarbeiter hat sich nach offiziellen Informationen auf 22.000 erhöht.
[die tageszeitung, 18.11.1989, S. 11]
Die Sperrzone war zum Schutz der vom Irak systematisch unterdrückten kurdischen Bevölkerung im Nordirak verhängt worden.
[Salzburger Nachrichten, 13.04.1993, Zwischenfall in der Luftsperrzone]

Bei Korpusrecherchen zeigt sich bei solchen Namen zwar ein gewisses Übergewicht der Verwendungen mit Artikel, doch wirklich dominant sind sie nicht. Anders als bei Personennamen lassen sich hier keine systematischen Ursachen für die eine oder andere Verwendungsweise finden, so dass auch keinerlei weitergehende Wirkungen mit der Wahl der einen oder anderen Variante verbunden sind.

Artikellos verwendete Eigennamen

  • Namen von Kontinenten — Afrika, Amerika, Antarktika, Asien, Australien, Europa (jedoch: die Antarktis, die Arktis!)
  • Städte- und Dorfnamen — Düsseldorf, Heilbronn, Prag, Madrid, Kairo, ...

Ein — wiederum definiter — Artikel erscheint hier nur — dann aber zwingend —, wenn zum Namen ein Attribut tritt:

Man kann sagen, es ist ein etwas anderes Geschichtsbuch über das alte Wien.
[Die Presse, 24.11.1995, "Venuswege": Pfade der Lust im alten Wien]
Die heutige Tochtergesellschaft des Volkswagenkonzerns wurde 1950 vom staatlichen Industrie-Institut INI mit dem Ziel gegründet, das Spanien der Nachkriegsjahre zu automobilisieren.
[Berliner Zeitung, 17.05.2000, S. 52]
Ich bin buchstäblich den ganzen Vormittag auf der Weihnachtsbaum-Suche gewesen. Über die Eisschollen führende Elbe bis nach Loschwitz hinein, durch das verschneite innere Blasewitz zurück - alles vergeblich.
[Klemperer, Victor: Leben sammeln, nicht fragen wozu und warum, Bd. 1, Tagebücher 1918-1924, Berlin: Aufbau-Verlag, 1996]

Für all diese — nicht personalen — Eigennamen gilt, dass sie — von Schlagzeilen abgesehen — fast ausnahmslos mit oder ausnahmslos ohne vorangestellten Artikel zu gebrauchen sind. Die einzige, durchaus ungewöhnliche Ausnahme: Soll der Träger eines Namens wie die Schweiz, der Schwarzwald gleichsam als Person angesprochen werden, hat der Artikel zu entfallen:

Aber liebe Schweiz du schaust ja grosszügig weg und verpolitisierst alles lieber und diskutierst Jahrelang über mögliche soziale Lösungen.
[www.ignoranz.ch/forum/6_1138_0.html, abgerufen am 20.12.2006]
Watzmann, Watzmann, Schicksalsberg, du bist so groß und i nur a Zwerg.
[Wolfgang Ambros: Der Berg, 1974]

Personennamen

Bei Namen, mit denen Personen bezeichnet werden, ergibt sich ein etwas anderes Bild als bei nicht personenbezogenen Eigennamen. Zwar wird verschiedentlich angenommen, es gelte die Regel: Personennamen — Vor- wie Nachnamen — sind artikellos zu verwenden. Dies trifft aber nur dort ausnahmslos zu, wo diese gebraucht werden, um jemanden anzusprechen:

Julian, bitte reich mir das Wasser!
Müller, Sie gehen jetzt sofort zum Lager und fragen nach, wie lang das noch dauern soll, bis wir die Spanplatten bekommen!

Jemanden bloß mit seinem Nachnamen anzureden ist sicher nicht, was man als feine Art bezeichnen würde, doch fraglos kommt es auch heute noch vor und bleibt, wie die Anrede mittels Vornamen, in jedem Fall artikellos.

Sogar ein Attribut oder eine Apposition zum Namen führt bei Anrede nicht dazu, dass ein Artikel gefordert wäre:

Lieber Arnold Zweig, Sie haben hier neulich etwas sehr Hübsches gesagt.
[Kurt Tucholsky: Werke, Briefe, Materialien, S. 782]
Peter, du alter Gauner, gib doch zu, dass du wieder mal heimlich gelauscht hast.

Für eine Verwendung ohne Artikel scheinen auch die Recherchen in den Textkorpora des Instituts für Deutsche Sprache zu sprechen, denn, wie sich zeigt, wird das Gros der sehr zahlreichen Personennamen ohne vorangestellten Artikel verwendet. Doch dies gilt nur, solange man sich dabei ausschließlich an Geschriebenes hält. Bezieht man auch mündliche Kommunikation ein, findet man durchaus Personennamen mit Artikel, und zwar gleichermaßen für Vornamen, Nachnamen und Kombinationen der beiden. Hier nur einige Beispiele:

Ich meine, äh, Franz hat ja einen, äh, äh, bei uns eine Position, der ist Präsident des e.V. und Aufsichtsratsvorsitzender der AG, wo er kein Geld dafür bekommt, die, auch die Aufsichtsratsvergütung spendet er, äh, insofern muss er ja von irgendetwas leben.
[Uli Hoeneß in der ZEIT Matinée vom 25. 4. 2005]
Ja, aber die ham auch gelernt zu relativieren. Die wissen auch, dass des ja irgendeiner von der Bildzeitung schreibt, und der Franz telefoniert mit ihnen und sagt irgend seine Meinung, und dann schreiben die des unter seim Namen.
[Uli Hoeneß in der ZEIT Matinée vom 25. 4. 2005]
Franz Beckenbauer zum Beispiel, der hat g'sagt, ich bin froh, dass du den verschossen hast, weil ich wär nach dir gekommen.
[Uli Hoeneß in der ZEIT Matinée vom 25. 4. 2005]
Und ich wollte eigentlich gar nicht schießen, weiß ich noch genau, dann kam der Franz Beckenbauer als Kapitän zu mir, und ich war ja damals schon einer der Älteren mit vier- fünfundzwanzig Jahren, da kam er und hat g'sagt, willst du dass die, der Junge, zum Beispiel Dieter Müller, der neunzehn, zwanzig war, soll der jetzt schießen, du musst die Verantwortung übernehmen, und da hab ich gsagt, ja dann mach ich's halt.
[Uli Hoeneß in der ZEIT Matinée vom 25.4. 2005]
Sie selbst mit Netzer, Overath, Beckenbauer standen auch so ein bisschen für 'n Aufbruch, für Modernität, auch im Land, nicht nur auf dem Fußballplatz.
[Moritz Müller-Wirth in der ZEIT Matinée vom 25. 4. 2005]
der beckenbauer hat das gut getroffen... der hat danach sinngemäß gemeint, der zizou hätt sich da nicht hinreißen lassen dürfen sondern sich auf andere art revanchieren sollen.
[Online-Kommentar auf derstandard.at, abgerufen am 27. 11. 2006]

Uli Hoeneß ist zum Zeitpunkt des Interviews Manager des FC Bayern München, Franz Beckenbauer Präsident dieses Klubs. Beide zählen zudem zu den erfolgreichsten Fußballspielern in der Geschichte des deutschen Fußballs. Erfolgreiche Fußballspieler sind bzw. waren auch die übrigen, in den obenstehenden Beispielen erwähnten Personen.

Personennamen mit und ohne Artikel

Artikel-Personenname-Kombinationen wie die Marie, der Helmut, die Krause, die Maiers, der Herbert Mauk werden vielfach als regionale und eher umgangssprachliche Varianten betrachtet, die in der Hitze eines Gesprächs auch schon mal in einem Kontext der "gehobeneren" Art aufgegriffenen werden, unbeschadet des dort gültigen artikellosen Standards. Doch nicht immer und überall kann der Gebrauch oder Nicht-Gebrauch des definiten Artikels vor Personennamen als bloße regionale Besonderheit gelten. So ist es durchaus kein Zufall, dass sich in den Ausführungen von Uli Hoeneß kein Beleg für die Varianten Beckenbauer und der Beckenbauer findet, denn in dem gegebenen Interview-Kontext und in Anbetracht der langjährigen, durchaus vertrauten Beziehungen zwischen Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer hätte vor allem die zweite dieser Varianten geradezu beleidigend gewirkt. Moritz Müller-Wirth hingegen kann, ohne eine solche Wirkung befürchten zu müssen, einfach Beckenbauer verwenden, da er diesem nicht in gleicher Weise nahe steht. Wo solche Nähe gegeben ist, kann dies zu einem Schwanken zwischen regional üblicher Form mit Artikel und dem Medium angemessener Form ohne Artikel führen:

Und der Nachfolger soll dann Uli sein, und du hast g'sagt, er bestimmt den Tag, er kann zu Dir kommen und sagt: "Jetzt war's so weit!" oder? — Ja, ja sicherlich, Uli hat äh, hat äh, äh, äh Bestreben, äh äh Präsident äh äh zu werden, beziehungsweise, dann ist der automatisch äh Vorsitzender des Aufsichtsrates, und des is überhaupt kein Problem, also wir ham äh noch nie Probleme gehabt, und Probleme dieser Art schon glei gar net.
[Waldemar Hartmann und Franz Beckenbauer am 21. 11. 2006 in der Sendung Blickpunkt Sport, Bayerisches Fernsehen]

Derselbe Sprecher wenig später:

Wollt' der Uli auch testen, wenn er sagt, das ist ein Übergangsjahr. Franz, a Übergangsjahr bei Bayern gibt's net.
[Waldemar Hartmann am 21.11.2006 in der Sendung Blickpunkt Sport, Bayerisches Fernsehen]

Im Rahmen eines Internet-Chats oder einer Kneipenunterhaltung schließlich wirkt selbst die Variante 'Nachname mit definitem Artikel' nicht sonderlich despektierlich, weil die Gesprächsbeteiligten nicht persönlich mit den aufgeführten Personen bekannt sind und die medialen Rahmenbedingungen die Verwendung umgangssprachlicher Formen geradezu nahelegen. In der Öffentlichkeit und speziell im Süddeutschen kommt noch die Variante Nachname + Vorname hinzu:

Nach unserer Pleite gegen die DDR hat's intern auch gescheppert, als der Beckenbauer Franz ein bisserl lauter geworden ist.
[Abendzeitung, 24.06.2008, S. 2]

Generell ist festzuhalten, dass bei Verwendung von Personennamen die Entscheidung für eine Formulierung mit oder ohne Artikel stark kontextabhängig ist. Soweit dabei auf Vornamen zurückgegriffen werden kann — was seinerseits natürlich angemessen sein muss — ergeben sich im Allgemeinen keine ernsthaften Konsequenzen aus der Wahl der einen oder anderen Form. In Regionen, in denen üblicherweise ein definiter Artikel vor den Vornamen tritt, wird, vor allem bei mündlicher Rede, das Weglassen des Artikels ebenso als ungewöhnlich registriert werden, wie umgekehrt die Verwendung des Artikels in Regionen, in denen dies nicht üblich ist, doch darüber hinausgehende Wirkungen sind nicht zu befürchten. Festzuhalten ist noch, dass selbst Sprachteilhaber, die Vornamen mündlich stets mit vorangestelltem definitem Artikel verwenden, diesen sogar in privaten Briefen meist vermeiden, was als Hinweis darauf gelten mag, dass der Gebrauch des Artikels keine ernsteren Folgen hat: Niemand wird sich respektlos behandelt fühlen, weil seinem Vornamen ein Artikel vorangestellt oder ein solcher weggelassen wurde.

Dass definite Artikel vor Vornamen durchaus nicht nur, wie verschiedentlich angenommen, im Süden Deutschlands anzutreffen sind, zeigen die folgenden Beispiele:

Hallo! Ich bin die Uli. Ich komme aus der Nähe von Leipzig und studiere seit dem WS 05 Europa Studien(Kuwi/Sowi) in Chemnitz.
[www.tu-chemnitz.de/stud/studium/ies/ies_wer.htm — 13. 12. 2006]
Moin! Ich bin die Sünje, und ich komm von hinterm Deich.
[www.tu-chemnitz.de/stud/studium/ies/ies_wer_ahnen.htm]
Und dann ist manchmal so, ich seh' dann den Walter irgendwo nach Haus gehen oder irgendwie beim Drehen wo, es is egal oder er macht 'ne Geste oder er guckt nach jemand, und dann krieg' ich so'n so'n, krieg' ich so'n warmes Herz, dann denk' ich: "Ach, mein Walter."
[Mariele Millowitsch in Stars und Hits, BR3 am 26. 2. 2006]

Auch manche Schriftsteller nutzen diese Konvention bei der Beschreibung von Gesprächen und Ereignissen, um den Umgang der handelnden Personen miteinander als vertraut oder auch volksnah erscheinen zu lassen:

Als der Toni an den Tisch trat, sah er zwei Gestalten, eine dicke und eine dünne, seinen Vater und den Käsbiermartel, in dem Hausflur erscheinen und sich nach dem Garten wenden, rasch bot er der Sali die Hand.
[Ludwig Anzengruber: Der Sternsteinhof]
Es waren wohl alles Ihre guten Freunde, Jungfer? Der Wilhelm und der Philipp, der Martin und der Fritz?
[Gotthold Ephraim Lessing: Minna von Barnhelm]
"Is scho recht," sagte der Martin. "Woll'n Sie net nausfahren? Der Haberlschneider is herin; der hätt' g'wiß an Platz."
[Ludwig Thoma: Andreas Vöst]
Wer mein Liebling sein will, muß austrinken; werde nur nicht rot, der Martin gönnt dir's und die Grissel auch.
[Theodor Fontane: Ellernklipp]

Vornamen mit vorgehendem Artikel sind im Übrigen keine Besonderheit des Deutschen. Beispielsweise auch in Italien, Frankreich, Katalonien oder Spanien werden — regional und kontextabhängig — Vornamen mit Artikel gebraucht: la Gianna, le Jean, la Marie, en Jordi, el Pablo.

Nachnamen mit und ohne Artikel

Auch Nachnamen (Familiennamen) sowie Kombinationen von Vor- und Nachnamen werden teils mit, teils ohne vorangestellten definiten Artikel verwendet. Für Kombinationen von Vor- und Nachnamen gilt dabei im großen Ganzen dasselbe, was zu Vornamen allein festzustellen war, mit dem Unterschied vielleicht, dass die Voranstellung des definiten Artikels in eher förmlichen Kontexten (z. B. Presseverlautbarungen, TV und Radionachrichten) allein schon deshalb etwas weniger respektvoll wirken müsste, weil sie dem Ganzen eine umgangssprachliche Note gibt, die nicht dem Standard dieser Textsorten entspräche. Allerdings sind auch hier regionale Unterschiede zu berücksichtigen: Was etwa in Hannover bereits despektierlich klingen mag, wird möglicherweise in Mannheim nicht weiter vermerkt, insbesondere dann nicht, wenn dies im Rahmen der wörtlichen Wiedergabe eines Gesprächsbeitrag erfolgt, wie etwa hier:

Emil Forcht: "Die Landesregierung will anscheinend die Industrie aus Hessen verbannen. Aber wir gehen davon aus, daß die Angela Merkel ihr Weisungsrecht nutzen wird und Block A wieder ans Netz geht."
[Mannheimer Morgen, 21.07.1995, Warten auf Angela Merkel]

Mehr Vorsicht ist geboten, wenn es darum geht, Nachnamen allein mit oder ohne vorangestellten definiten Artikel zu verwenden. Dabei sind verschiedene Kontextfaktoren zu berücksichtigen:

  • Unterhalten sich etwa zwei Arbeitskollegen, die vertraut miteinander umgehen, über eine dritte, nicht anwesende Person namens Herbert Pasulke, zu dem beide in keiner engeren privaten Beziehung stehen, so werden sie vermutlich sagen "der Pasulke", und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Büroboten oder einen Firmenchef handelt. Die Verwendung des definiten Artikels signalisiert hier Ebenbürtigkeit und wechselseitige Vertrautheit der Gesprächspartner. Vertrauter Umgang setzt dabei nicht unbedingt engere persönliche Bekanntschaft voraus, sondern kann auch gewissermaßen institutionalisiert sein, so etwa unter Studenten, Mitgliedern eines Klubs, Handwerkern oder einer Gemeinde von Fußballanhängern. Verwendet unter solchen Voraussetzungen einer der Gesprächspartner die artikellose Form, wird dies in bestimmten Gesprächskontexten etwas ungewöhnlich wirken, jedoch in keinem Fall als Anzeichen für eine mehr oder weniger positive Einschätzung der Person zu interpretieren sein, von der die Rede ist.
Scholl. Hau doch mal drauf! Scholl. Schuss und... Rein in den Tor! Nein! Der blöde Pfosten! Der muss auch da stehn. Der Scholl hebt ihn — nach toller Einlage vom Baslerüber'n Schmeichel an den Pfosten.
[Günther Koch, Reportage am 26.5. 1999]
  • Sind die Gesprächspartner zwar miteinander bekannt und hierarchisch auf einer Ebene, pflegen jedoch keinen vertrauten Umgang miteinander, werden sie eher von "Herrn Pasulke" oder, in bestimmten Kreisen — etwa unter Literaten, Forschern oder in einem Fakultäts- oder Lehrerkollegium — artikellos von "Pasulke" sprechen.
Ich nehme an, dass Becher zu jedem Wort immer noch steht, das hier geschrieben ist.
[Bertold Brecht, Diskussion mit Lasky und Becher]

Formen wie "der Becher" würde in solchen Kontexten meist als mehr oder weniger respektlose Einschätzung dieser Person verstanden werden, doch gilt auch dies nicht ausnahmslos. Handelt es sich bei der Person um einen so genannten Star, ist Voranstellung des definiten Artikels sogar als Ausdruck besonderer Hochachtung zu werten. Meist — jedoch nicht ausschließlich — handelt es sich dabei um weibliche Personen aus dem Showgeschäft:

Ungeachtet der Depressionen, die D'Annunzios egomanische Darstellung bei ihr auslöst, tritt die Duse bei einer Tournee durch die USA von Oktober 1902 bis Januar 1903 mit einer einzigen Ausnahme in Schauspielen ihres Geliebten auf.
[www.dieterwunderlich.de/Eleonora_Duse.htm, abgerufen am 30. 11. 2006]
Aristokraten und Bourgeois aus ganz Südamerika gaben sich hier die Ehre, wenn Caruso oder die Callas kamen.
[Berliner Zeitung, 28.08.2004, S. 1]
Dabei sei es ihr weniger darum gegangen, die Dietrich und die Piaf zu imitieren. Vielmehr habe sie den Texten und Vertonungen ihren eigenen Stempel aufgedrückt.
[die tageszeitung, 05.12.1992, S. 48]
Heinz Marecek in "Künstlerleben" über das Parodieren der Kollegen: "Das Nachahmen und Nachmachen ist komischerweise im Aussterben. Das ist eigentlich ein trauriges Phänomen, daß wir heute, auch wenn wir so untereinander Schauspieler nachmachen - blödelnderweise, aber nicht nur, auch bewundernderweise - sind das eigentlich immer die Toten. Es ist der Werner Krauß, es ist der Aslan, es ist der Moser, es ist der Gründgens. Die Zeitgenossen werden kaum kopiert. Da weiß man gar net, wie die gehn."
[Neue Kronen-Zeitung, 30.01.1995, S. 52]
Letzterer spielt so locker und ansprechend, dass man sich kaum ausmalen mag wie gut er ist, wenn seine Finger nicht angestaucht oder überreizt oder Ähnliches sind: Ein wunderbarer Virtuose. Gerne hätte man von ihm doch noch den Paganini vernommen.
[die tageszeitung, 14.02.2003, S. 23]
  • In Briefen und Publikationen traditioneller Art finden sich Nachnamen mit vorangestelltem definitem Artikel eher selten, und wenn doch, dann durchaus in der Absicht, nicht besonders respektvoll zu erscheinen:
Insbesondere können preußische Staatsbürger jüdischen Glaubens nicht in eine Gegend reisen, in der der Hitler zur Zeit sich aufhält, wo also dauernd die Gefahr besteht, daß man des Landes verwiesen wird oder sogar körperlichen Schaden erleidet.
[Kurt Tucholsky: Werke, Briefe, Materialien, S. 2997]
Nun wollen wir hier der Merkel nicht vorschlagen, aufs Land zu ziehen und "den Städtern den ihnen wichtigen Krach zu gönnen". Das haben schon die Veranstalter des Theaters "Götterleuchten" auf der Museumsinsel gemacht, als sich die gegenüber wohnende Merkel wegen des Lärms beschwert und sogar die Polizei gerufen hatte.
[die tageszeitung, 13.12.2002, S. 22]
  • In wissenschaftlichen Publikationen, Vorträgen und (fach)öffentlichen Diskussionen gilt die Verwendung von Nachnamen ohne Artikel als Regel, die unbedingt einzuhalten ist, will man sich nicht als Laie zu erkennen geben:
Später weist dann Eisenberg (1986, S. 191) darauf hin, dass Distanzkontraste „in der Umgangssprache“ durch Kombinationen von dieser mit einem geeigneten deiktischen Adverb ausgedrückt werden (vgl. (22)), eine Einsicht, die Himmelmann (1997, S. 50) und Thieroff (2000, S. 208f.) veranlassen, mit Blick auf die gesprochne Sprache ebenfalls die Behaghelsche Auffassung zu vertreten.
[Lutz Gunkel, Betontes der, in: Eva Breindl/Lutz Gunkel/Bruno Strecker (Hrsg.), Grammatische Untersuchungen, Tübingen 2006]
Die Einteilung in abgezirkelte Portionen befremdet ja auf's Höchste, und zwar nicht nur uns alle andern, sondern auch Planck selbst, der sie als notwendig erschlossen hatte.
[Erwin Schrödinger, Was ist Materie? Vortrag am 9. 12. 1952]
  • Eine Ausnahme bilden hier Äußerungen in Internetforen und Chatgroups, die zwar durch das Medium bedingt auch schriftlich zu erfolgen haben aber ansonsten eher den Charakter mündlicher Äußerungen haben. Durch die — über Decknamen erreichte — Anonymität der Teilnehmer ergeben sich hier Gesprächsbedingungen wie unter Bekannten am Biertisch, so dass Einschätzungen, die bei klassischer Schriftform angemessen wären, nicht zutreffen müssen:
MitchRyde: Der Beckmann hat den Franz bestimmt nur ausgesperrt wegen der Heidi... so hatte er mehr freies Handspiel... die Hand Gottes heißt nicht mehr Maradonna, sondern Beckmann...
[www.rollingstone.de/forum/archive/index.php/t-13177-p-26.html, abgerufen am 9. 1. 2007]
Der Spiegel-Artikel über die von der Layen ist toll. Selten so gelacht.
[www.planet-liebe.de/vbb/archive/index.php/t-126021.html, abgerufen am 9. 1. 2007]

Eine systematische Erfassung aller Faktoren, die dafür bestimmend sind, ob ein Nachname in einem gegebenen Kontext artikellos oder mit definitem Artikel zu verwenden ist, wäre sicher vor allem für Deutschlerner wünschenswert. Jeder Versuch, verlässliche Entscheidungshilfen zu geben, scheitert jedoch zum einen daran, dass oft keine klaren Grenzen zwischen verschiedenen Verwendungskontexten zu ziehen sind, zum andern daran, dass in vielen Fällen zeit- und situationsabhängiges Hintergrundwissen aktiviert werden muss, um die Konsequenzen der Entscheidung richtig einzuschätzen. So setzt etwa die angemessene Einschätzung vieler der hier verwendeten Beispiele Kenntnisse voraus, die zumindest in einschlägigen Kreisen zur Zeit der ursprünglichen Äußerung Selbstverständlichkeiten waren, doch möglicherweise bereits heute [8. 1. 2007] bei vielen nicht mehr gegeben sind.

Wirklich sicher, die angemessene Form gewählt zu haben, werden sich selbst kompetente Muttersprachler oft nur dann sein, wenn sie sich in ihrem gewohnten Milieu äußern. Schon der Wechsel von einer Arbeitsstelle oder Abteilung zu einer anderen kann hier Probleme bereiten. Wer peinliche Fehler vermeiden will, wird deshalb, wann immer er sich seiner Sache nicht ganz sicher ist, besser Formulierungen wählen wie Frau Schmidt oder Herr Krause. Das mag unter Umständen etwas zu förmlich wirken, jedoch gewiss nie ungewollt respektlos.

Personennamen mit indefinitem Artikel

Wird einem Personennamen ein indefiniter (unbestimmter) Artikel vorangestellt, kann dies keinesfalls als nur regionale oder stilistische Variante durchgehen. Ein indefiniter Artikel vor einem Vornamen oder auch einer Kombination von Vor- und Nachnamen ist, je nach Kontext und einschlägigem Hintergrundwissen, auf verschiedene Weisen zu interpretieren. Einige typische Beispiele, anhand derer dies gezeigt werden kann:

Bei uns reichen ja schon drei gute Spiele, dann sind Sie Nationalspieler. Da sind Sie schon fast ein Fritz Walter oder ein Franz Beckenbauer.
[Die Zeit, 01.07.2004, Nr. 28, S. 56]
Der FC Bayern ist die Nummer eins und wird es auf Jahre bleiben, weil sie mit Uli Hoeneß den besten Manager und das beste Präsidium haben. Die Spieler haben noch Respekt, wenn ein Franz Beckenbauer spricht. Jeder Spieler, der ein Angebot des FCB bekommt, geht auch dahin.
[Mannheimer Morgen, 03.03.1999, FCK hat nichts zu verlieren]
Bei der 70jährigen Margaret Whitman meldete sich ein Vince von der Firma Jay Enterprises und fragte, ob sie sich an ihn erinnere.
[Berliner Zeitung, 20.04.1999, S. 8]

Beim ersten dieser Beispiele erhalten Eigennamen, die an sich nur zur Bezeichnung genau einer Person zu gebrauchen sind, mittels Voranstellung eines indefiniten Artikels den Rang eines Gattungsnamens: einer, wie Fritz Walter einer war bzw. Beckenbauer einer ist. Auch beim zweiten Beispiel wird der Eigenname Franz Beckenbauer durch Voranstellung von ein zum Gattungsnamen: einer, wie Beckenbauer einer ist. Kurios ist nur, dass hier — Kennern der Materie kann dies kaum entgehen — von Franz Beckenbauer selbst als einem wie Franz Beckenbauer die Rede ist. Dadurch wird er gewissermaßen zur Institution erklärt.

Das dritte Beispiel scheint sich auf den ersten Blick radikal von den beiden andern zu unterscheiden, doch genau genommen handelt es sich um denselben Übergang vom Eigennamen zum Gattungsnamen: einer aus der Menge derer, die Vince heißen. Den ganzen Unterschied zwischen diesen Fällen macht das Zusammenspiel zwischen jeweiligem Prädikat und dem Argument der Form ein N.N. aus:

  • Ist etwa die Rede davon, jemand sei ein N.N. oder gleiche einem N.N., so kann man davon ausgehen, dass der Sprecher zumindest den Eindruck erwecken will, es handle sich bei N.N. um eine herausragende Persönlichkeit, die sich unter dem fraglichen Aspekt als Maß der Dinge eignet.
  • Spricht er etwa davon, er kenne einen N.N. oder habe einen N.N. getroffen, dann geht er offenbar davon aus, dass N.N. seinen Gesprächspartnern nicht bekannt ist.
  • Berichtet er hingegen, ein N.N. habe angerufen, dann gibt er zu verstehen, dass ihm zumindest der Anrufer bislang nicht bekannt war.

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Autor(en)
Bruno Strecker
Bearbeiter
Roman Schneider
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