Abschreckend beim Deutschlernen ist u.a. die Erkenntnis, dass man so viel beachten muss, um eine kleine Wortgruppe mit einem Adjektiv, einem Nomen und gegebenenfalls einem Artikel richtig bilden zu können. Es reicht nämlich nicht, zu wissen, ob das Adjektiv vor einem maskulinen, einem femininen oder einem neutralen Nomen steht. Auch das Wissen, in welchem Kasus dieses Nomen steht, reicht nicht aus, um die richtige Form des Adjektivs auszuwählen, nein, man muss auch noch berücksichtigen, ob ein Artikel vor dem Adjektiv steht und wenn ja, welcher, denn auch das beeinflusst die Form des Adjektivs.
In vielen Grammatiken steht daher, dass es zwei Adjektivflexionen (Adjektivdeklinationen) gibt: eine "schwache" und eine "starke". Und je nach dem, in welchem Zusammenhang das Adjektiv steht, wird es schwach oder stark flektiert.
Wer es nicht mehr genau weiß, kann sich nachfolgend erst wieder in Erinnerung rufen, was "schwach" bzw. "stark" flektiert" bedeutet. Ansonsten kann man gleich zum Abschnitt "Adjektivflexion" springen.
Man sagt von einem Adjektiv, dass es schwach flektiert, wenn es nur die Endungen -e bzw. -en trägt.
Maskulinum Singular | Femininum Singular | Neutrum Singular | Plural | |
Nominativ | -e | -e | -e | -en |
Akkusativ | -en | -e | -e | -en |
Genitiv | -en | -en | -en | -en |
Dativ | -en | -en | -en | -en |
Man sagt von einem Adjektiv, dass es stark flektiert, wenn es die typischen Endungen des Demonstrativartikels dieser, diese, diese übernimmt.
Flexion des Demonstrativartikels
Maskulinum Singular | Femininum Singular | Neutrum Singular | Plural | |
Nominativ | dieser | diese | dieses | diese |
Akkusativ | diesen | diese | dieses | diese |
Genitiv | dieses | dieser | dieses | dieser |
Dativ | diesem | dieser | diesem | diesen |
Starke Flexionsendungen des Adjektivs
Maskulinum Singular | Femininum Singular | Neutrum Singular | Plural | |
Nominativ | -er | -e | -es | -e |
Akkusativ | -en | -e | -es | -e |
Genitiv | -en! | -er | -en! | -er |
Dativ | -em | -er | -em | -en |
Die schwache und starke Flexion unterscheiden sich nicht überall. Die Flexionsformen im Nominativ und Akkusativ Femininum Singular haben die gleiche Endung -e, im Akkusativ Maskulinum die gleiche Endung -en und im Dativ Plural Maskulinum, Femininum und Neutrum die gleiche Endung -en.
Die Kasusmarkierung (Flexionsendung) zeigt die Funktion eines Wortes, einer Wortgruppe im Satz an. Es ist also wichtig, dass der Kasus einer Nominalgruppe sichtbar wird, damit man ihre Funktion im Satz erkennen kann. In einer Nominalgruppe kann die Kasusmarkierung an drei Stellen festgemacht werden: am Artikel, am Adjektiv, am Nomen selbst, wenn letzteres im Genitiv Singular Maskulinum und Neutrum die Endung -(e)s annimmt wie des Mannes, des Brot(e)s. Da die Nominalgruppe zusammengehört, verwendet man nicht überall die differenzierteren Endungen der starken Flexion. Häufig reicht es, wenn nur ein Element eine starke Endung hat. Man greift für die restlichen Elemente auf die weniger differenzierten Endungen der schwachen Flexion zurück. Ab und zu geht man halt mit den Mitteln der Sprache sparsam um, das nennt man Sprachökonomie!
Die alte Dativendung -e für maskuline und neutrale Nomina im Singular findet man nur noch in Formeln wie: zu Hause, Vorsicht vor dem Hunde! (Sieht man oft an Gartenzäunen!). Die Endung -n bei Nomina im Dativplural kommt nur bei maskulinen Nomina vor, die im Nominativplural weder auf -n noch auf -s enden (die Menschen - den Menschen/die Autos - den Autos aber die Kinder - den Kindern).
Das Adjektiv wird im allgemeinen "schwach" flektiert. (In seiner "grammaire de l'allemand", 1952, S. 44 stuft Fourquet, ein bekannter französischer Germanist, die schwache Flexion sogar als die eigentliche Adjektivflexion ein.) Das Adjektiv wird aber "stark" flektiert, wenn es nötig ist, d.h. wenn der Kasus weder am Artikel noch am Nomen gut erkennbar ist.
Schwach flektiert wird das Adjektiv zum Beispiel nach einem definiten Artikel, denn da der definite Artikel dieselben Endungen hat wie der Demonstrativartikel, ist der Kasus am Artikel erkennbar, und es ist nicht nötig, auch noch das Adjektiv stark zu flektieren.
Flexionstabelle einer Nominalgruppe mit definitem Artikel
Maskulinum Singular | Femininum Singular | Neutrum Singular | Plural | |
Nominativ | der große Mann | die große Frau | das große Kind | die großen Menschen |
Akkusativ | den großen Mann | die große Frau | das große Kind | die großen Menschen |
Genitiv | des großen Mannes | der großen Frau | des großen Kindes | der großen Menschen |
Dativ | dem großen Mann | der großen Frau | dem großen Kind | den großen Menschen |
Stark flektiert wird ein Adjektiv, wenn weder am Artikel noch am
Nomen der Kasus gut erkennbar ist.
Das ist z.B. der Fall, wenn gar kein Artikel
vor dem Adjektiv steht. Mit einer Ausnahme: Wenn das Nomen im Genitiv Singular die starke
Endung (e)s trägt, dann wird das
Adjektiv wieder schwach flektiert, da eine starke Endung überflüssig wäre.
Flexionstabelle einer Nominalgruppe ohne Artikel
Maskulinum Singular | Femininum Singular | Neutrum Singular | Plural | |
Nominativ | teurer Käse | teure Milch | teures Bier | teure Orangen |
Akkusativ | teuren Käse | teure Milch | teures Bier | teure Orangen |
Genitiv | teuren Käses | teurer Milch | teuren Bieres | teurer Orangen |
Dativ | teurem Käse | teurer Milch | teurem Bier | teuren Orangen |
Auch hier kommt die Regel voll zur Anwendung, die besagt, dass das Adjektiv dann stark flektiert wird, wenn weder Artikel noch Nomen eine starke Endung tragen.
Wenn der indefinite Artikel (ein, eine, ein) eine starke Endung hat: einen, einem, eines, einer wird das nachfolgende Adjektiv tatsächlich schwach flektiert: einem großen Mann. Wenn der indefinite Artikel aber keine starke Endung hat, wie im Nominativ Singular Maskulinum oder Neutrum (ein), trägt das Adjektiv die starken Endungen: ein großer Mann, ein großes Kind. Im Akkusativ Maskulinum fallen die starke und die schwache Endung zusammen: -en. Auf Grund der Regel "stark, wenn es nötig ist" wurde die Endung des nachfolgenden Adjektivs als schwach eingestuft – man erkennt ja den Kasus am Artikel!
Flexionstabelle einer Nominalgruppe mit indefinitem Artikel
Maskulinum Singular | Femininum Singular | Neutrum Singular | |
Nominativ | ein großer Mann | eine große Frau | ein großes Kind |
Akkusativ | einen großen Mann | eine große Frau | ein großes Kind |
Genitiv | eines großen Mannes | einer großen Frau | eines großen Kindes |
Dativ | einem großen Mann | einer großen Frau | einem großen Kind |
Es gibt keinen indefiniten Artikel im Plural. Der Plural wird ohne Artikel gebildet, und auch hier kommt die Regel zur Anwendung: Da vor dem Adjektiv also keine starke Endung vorkommt und auch den Nomina im Plural keine starke Endung angehängt werden, muss das Adjektiv selbst die starken Endungen tragen. Siehe Flexionstabelle ohne Artikel .
Voll zur Anwendung kommt die Regel "stark, dann wenn es nötig ist, sonst schwach", wenn das Adjektiv ohne Artikel verwendet wird oder nach dem definiten und indefinitenden Artikel sowie nach den Demonstrativartikeln dieser, diese, dieses und jener, jene, jenes und den Possessiva mein, meine, meine usw. steht.
Flexionstabelle mit jener, jene, jenes
Maskulinum Singular | Femininum Singular | Neutrum Singular | Plural | |
Nominativ | jener große Mann | jene große Frau | jenes große Kind | jene großen Menschen |
Akkusativ | jenen großen Mann | jene große Frau | jenes große Kind | jene großen Menschen |
Genitiv | jenes großen Mannes | jener großen Frau | jenes großen Kindes | jener großen Menschen |
Dativ | jenem großen Mann | jener großen Frau | jenem großen Kind | jenen großen Menschen |
Flexionstabelle mit mein, meine, mein
Maskulinum Singular | Femininum Singular | Neutrum Singular | Plural | |
Nominativ | mein großer Mann | meine große Frau | mein großes Kind | meine großen Kinder |
Akkusativ | meinen großen Mann | meine große Frau | mein großes Kind | meine großen Kinder |
Genitiv | meines großen Mannes | meiner großen Frau | meines großen Kindes | meiner großen Kinder |
Dativ | meinem großen Mann | meiner großen Frau | meinem großen Kind | meinen großen Kindern |
Es wäre aber zu schön, wenn das Adjektiv sich immer so regelmäßig verhalten würde. Da im Zusammenhang mit weiteren Demonstrativartikeln wie solche und mit quantitativen Artikeln wie einige und keine es Unsicherheiten und Schwankungen im Gebrauch gibt, werden diese Fälle detailliert dargestellt in Viele brennende Fragen und keine einfachen Antworten? — Flexion des Adjektivs nach quantitativen Artikeln.
Mit echtem bayerischem Senf oder
mit echtem bayerischen Senf? — Flexion bei artikellosen Folgen von
Adjektiven
Wir Deutschen
lieben Fußball oder Wir Deutsche lieben Fußball? —
Flexion von adjektivischen Bezeichnungen nach einem Personalpronomen
Ein Kind zweier berühmter
Väter — Flexion bei Kombination von Zahladjektiv mit anderen
Adjektiven