Warum muss man bei indirekter Rede den Konjunktiv benutzen?

Frage von C. (14 Jahre)

Liebe C.,

es ist absolut nachvollziehbar, dass Du Dich fragst, warum wir in der indirekten Rede den Konjunktiv verwenden müssen. Dies ist wohl eine der häufigsten Fragen, die Deutschlehrerinnen und -lehrer von Schülerinnen und Schülern der 7. - 8. Klasse gestellt bekommen, wenn das Thema "Konjunktiv in der indirekten Rede" im Unterricht behandelt wird. Die Funktion von Konjunktiv, insbesondere in der indirekten Rede, ist ein grammatisches Thema, zu dem in der Schule oft der Praxisbezug fehlt. Außerdem erfordert die aktive Anwendung der indirekten Rede, beispielsweise beim Verfassen von Berichten oder Protokollen, die Bildung grammatisch korrekter Konjunktivformen. Selbst Schülerinnen und Schülern, die in Deutschland aufgewachsen sind, fällt dies oft schwer, wie aktuelle Studien zeigen. Was wird durch den Konjunktiv in der indirekten Rede signalisiert? Ist denn die Verwendung des Konjunktiv eine „Muss“-Regel oder kann stattdessen auch der Indikativ verwendet werden?

Um die Aussagen oder Gedanken einer anderen Person wiederzugeben, wird in der indirekten Rede tatsächlich am häufigsten der Konjunktiv verwendet. Wenn man sich nicht ganz sicher ist, ob die Informationen tatsächlich stimmen oder die Quellen zuverlässig sind, ist der Konjunktiv immer eine gute Wahl. Der Konjunktiv dient als ein eindeutiges Signal für die Redewiedergabe, ist jedoch nicht das einzige. Weitere Indikatoren können im unmittelbaren Kontext vorhanden sein, zum Beispiel Verben wie „sagen“, „berichten“, „fragen“ usw., wie in Beispiel (1) gezeigt. Diese Verben benutzen wir in unserem alltäglichen Sprachgebrauch auch um direkte, wörtliche Rede einzuführen. In diesem Fall greifen wir auf den Indikativ statt Konjunktiv zurück, siehe (2):

(1) Der Trainer sagte, Lea sei die Siegerin des Wettbewerbs.KONJ indirekte Rede
(2) Der Trainer sagte: „Lea ist die Siegerin des Wettbewerbs.“IND wörtliche Rede

Du wirst mir wahrscheinlich zustimmen, dass der Satz in Beispiel (1) im Vergleich zu (2) viel formeller klingt. Außerdem kannst Du Dir wahrscheinlich kaum vorstellen, in welcher Alltagssituation dieser Satz mit Konjunktiv ausgesprochen werden kann. In der Tat ist die indirekte Rede ein Merkmal gehobener Standardsprache und ist vor allem im schriftlichen Sprachgebrauch und natürlich in der Literatur sehr gebräuchlich; im Mündlichen findet sie in der Öffentlichkeit und Medienberichterstattung Verwendung, wie etwa in der 'Tagesschau', um eine Atmosphäre der Neutralität und Distanz zu den diskutierten Themen zu schaffen.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass in der indirekten Rede ausschließlich der Modus Konjunktiv verwendet werden darf: In welchen Fällen der Indikativ zum Zuge kommen darf und in welchen nicht, hängt von mehreren Faktoren ab. Das möchte ich Dir an ein paar Beispielen zeigen:

Stell Dir folgende Situation vor: Max sagt zu Lea nach einem erfolgreichen Wettbewerb: „Du bist ein Glückspilz!“ Lea berichtet später über diesen Moment in der Schulzeitung:

(3a) Lea: Max sagte erleichtert, ich sei ein Glückspilz.(KONJ) = Lea ist ein Glückspilz.
(3b) Lea: Max sagte erleichtert, ich bin ein Glückspilz.(IND) = Max ist ein Glückspilz.

In Sätzen, die nach dem Muster „Jemand sagt/hat gesagt, ich …“ (wie in (3a)), muss der zweite Satz, der die indirekte Rede enthält, ausschließlich im Konjunktiv stehen. Nur dann wird die mögliche Falschinterpretation vermieden, dass „Max“ sich selbst „Glückspilz“ genannt hat (vgl. (3b)).

Anders sieht es aus, wenn die indirekte Rede als dass-Satz ausgedrückt wird: In Nebensätzen nach dem Muster „Er sagt/hat gesagt, dass ich/er/sie…“ (wie in (4a) und (4b)), kann der dass-Satz sowohl im Konjunktiv als auch im Indikativ stehen. Ein kleiner Bedeutungsunterschied ist auch hier zu beobachten: Durch die Verwendung des Konjunktiv in der indirekten Rede kann der Sprecher deutlicher machen, dass er an der Aussage zweifelt oder sich davon distanziert. Wird der Indikativ verwendet, wird lediglich die Behauptung der jeweiligen Person wiedergegeben.

(4a) Lea hat gesagt/gedacht, dass sie schon seit 17 Uhr zuhause sei.KONJ indirekte Rede
(4b) Lea hat gesagt/gedacht, dass sie schon seit 17 Uhr zuhause ist.IND indirekte Rede

Es gibt noch viele weitere Nuancen für die Verwendung des Konjunktiv I und II und Indikativ in der indirekten Rede. Viele Informationen dazu findest Du zum Beispiel auf folgenden Grammis-Seiten:

Im Rahmen von Aktionstagen wie dem Girls' Day oder Türen auf mit der Maus haben Kinder die Möglichkeit, uns Fragen zu allem zu stellen, was sie an der deutschen Sprache interessiert. Die hier nachlesbare Frage mitsamt Antwort stammen aus diesen Quellen.

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Autor(en)
Anna Volodina
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