Er sagte, dass er aus Ulm kommt, komme, käme oder kommen würde ? — Mit dass eingeleitete indirekte Redewiedergabe (Teil 1)

Bitte fragen Sie mich etwas Leichteres, möchte man als Grammatiker antworten, denn es zeigt sich bald, dass die exemplarische Formulierung viel ausblendet, was eine grundsätzliche Klärung zu berücksichtigen hat. Selbst eine Antwort nur für den konkreten Fall, gerät unweigerlich komplexer, als man vermuten könnte. Um nicht gleich alle Probleme auf einmal angehen zu müssen und so mehr zu verwirren als aufzuklären, wird die Titelfrage deshalb hier nicht rundweg als stellvertretend für alle Fragen aufgefasst, die im Zusammenhang mit indirekter Redewiedergabe von Interesse sind. Betrachtet werden hier nur Fälle, in denen festgestellt wird, dass eine 3. Person (er, sie, es, Herr Krause, mein Bruder, ...) sagte (und nicht etwa sagt, gesagt hat oder gar meinte, erklärte, bestätigte, ...), dass dies und dies der Fall ist, sei, wäre, sein würde.

Was darüber hinaus generell zu beachten wäre, wird in zwei weiteren Texten betrachtet:

  • Welche Rolle spielen Person, Numerus und Tempus? Gilt, was auf er sagte zutrifft, gleichermaßen auch etwa für ich sagte, du sagst, wir haben gesagt?
  • Wie wirkt sich die Beziehung zwischen dem Adressaten der Originaläußerung und dem Wiedergebenden aus?
  • Die Originaläußerungen selbst können in verschiedenen Tempora (Zeitformen) gehalten sein. Wie wirkt sich ihr Tempus bei der Redewiedergabe aus?
  • Die Feststellung, dass jemand etwas sagte, erfasst dessen Gesprächsbeitrag völlig neutral. Wirken sich weniger neutrale Beschreibungen – etwa: er behauptete, er meinte, er stellte fest, er unterstellte – auf die Form der Redewiedergabe aus und, wenn ja, wie?
  • Gesagtes kann indirekt in Form eines dass-Satzes oder – unter Anpassung der Personalform: ich zu er/sie/es – in Form eines normalen Aussagesatzes erfolgen. Gelten für beide Formen durchweg dieselben Regeln?
  • Kann sich, sollte sich eine ausdrückliche Festlegung in der Originaläußerung – etwa: Ich komme ganz bestimmt – auf die Form der Redewiedergabe auswirken?
  • Bei manchen Verben sind bestimmte Konjunktivformen nicht von Indikativformen zu unterscheiden oder auch so ungewöhnlich, dass man sich scheut, auf sie zurückzugreifen. Wirkt sich dies auf den Sprachgebrauch aus?

Bevor man die Frage beantworten kann, ist zunächst zu klären, was überhaupt gefragt wird, denn tatsächlich kann es sich hierbei um eine von zwei Fragen handeln:

  • Wird die Frage von jemand gestellt, der den Originalwortlaut erschließen will?
  • Wird sie von jemand gestellt, der etwas grammatisch korrekt wiedergeben will, das er zuvor gehört oder gelesen hat, und mithin den Originalwortlaut kennt?

Vom Hörensagen auf Gesagtes schließen

Wie könnte der Originalwortlaut zu den im Titel aufgeführten Formen der Redewiedergabe gelautet haben? Zu beantworten ist diese Frage nur, wenn man sich von vorn herein darauf beschränkt, Fälle zu betrachten, in denen der Originalwortlaut so getreu wie möglich wiedergegeben wird. Wollte man darüber hinaus auch nur sinngemäße Wiedergaben berücksichtigen und gar noch solche Fälle, in denen der Berichtende bereits Schlüsse aus dem Gesagten gezogen hat (etwa in dieser Art: "Er sagte damit auch, dass ..."), dann ist von grammatischer Seite keine Antwort mehr zu erwarten.

Beschränkt man sich auf solche Fälle, in denen eine möglichst wortgetreue grammatische Umsetzung vorgenommen werden soll, finden sich für die vier Formen kommt, komme, käme und würde kommen diese zwölf Kandidaten:

  1. Ich komme aus Ulm.
  2. Ich käme aus Ulm.
  3. Ich würde aus Ulm kommen.
  4. Du kommst aus Ulm.
  5. Du kämest aus Ulm
  6. Du würdest aus Ulm kommen.
  7. Sie kommen aus Ulm.
  8. Sie kämen aus Ulm
  9. Sie würden aus Ulm kommen.
  10. Er kommt aus Ulm.
  11. Er käme aus Ulm.
  12. Er würde aus Ulm kommen.

Das Sie ist hier als Form der Anrede zu verstehen, nicht als Mehrzahl der 3. Person.

Bemerkenswert ist hier auch, dass nur 12 Originaläußerungen in Frage kommen und nicht etwa 16. Im Fall der 1. Person – ich komme – und der Anredeform SieSie kommen – lässt sich dies damit erklären, dass sich hier Konjunktiv und Indikativ nicht unterscheiden. Bei der 2. Person - du kommest - und der 3. Person - er komme - trifft dies nicht zu, doch entsprechende Originaläußerungen hätten die Form Du kommest aus Ulm bzw. Er komme aus Ulm, wären also Heischesätze (Sätze im Heische-Modus in der Art von "Das möge Gott verhüten!") und könnten als solche in indirekter Rede nicht in Form eines mit sagte eingeleiteten dass-Satzes wiedergegeben werden.

So weit, was den vier Formen der Redewiedergabe überhaupt zugrunde gelegen haben könnte. Bleibt zu klären, was davon unter welchen Umständen wie wiedergegeben werden sollte. Auf die Regeln, die sich hierzu in einschlägigen Lehrwerken finden, sollte man sich dabei nicht blindlings verlassen, denn oft genug wurden diese ohne hinreichenden Überblick über die Faktoren erstellt, die den Sprachgebrauch bestimmen. Um ähnlich vorschnelle Verallgemeinerungen zu vermeiden, sei deshalb zunächst versucht, auf breiter Datenbasis zu erfassen, wie Rede faktisch wiedergegeben wird.

Wiedergegebenes – die Datenlage

Um festzustellen, was bei schriftlichen Äußerungen gängige Praxis ist, ein Blick auf den Sprachgebrauch, wie er sich in den Textkorpora des Instituts für Deutsche Sprache manifestiert. Für das Verb kommen ergab eine Recherche am 1. 12. 2008 diese Häufigkeitsverteilung:

RangAusdrucksformFrequenz
1.komme53
2.kommt14
3.käme12 (8)
4.kommen würde8 (1)

Gesucht wurde hier und im Folgenden:

  • ausschließlich nach Formen der 3. Person Singular, weil sich zeigte, dass in Texten nur für die 3. Person eine signifikante Anzahl von Belegen zu finden ist, und weil kaum anzunehmen ist, dass sich Einzahl und Mehrzahl in dieser Hinsicht unterscheiden,

und, aus rein praktischen Gründen,

  • lediglich nach Belegen, bei den der dass-Satz oder der daß-Satz nicht weiter als drei Wörter von dem übergeordneten Verb (sagte) entfernt ist.

Um den Verdacht auszuräumen, die Recherche könnte allzu grob erfolgt sein, sei darauf hingewiesen, dass die maschinell erhobenen Belege sorgfältig einzeln daraufhin überprüft wurden, ob sie wirklich einschlägig sind.

Im Fall von komme und kommt kann eindeutig davon ausgegangen werden, dass in der Originaläußerung ein kommt, kommst oder komme (als Form der 1. Person, nicht der 3.) vorlag.

Bei käme und kommen würde hingegen musste zunächst der Kontext ausgewertet werden, und selbst dann ließ sich nicht immer zweifelsfrei feststellen, wie die Originaläußerung gelautet haben könnte. Einiges spricht dafür, dass nur acht Belegen für käme ein kommt zugrunde lag. Bei den vier weiteren Belegen spricht hingegen einiges dafür, dass bereits in der Originaläußerung ein käme vorlag, vielleicht auch ein kommen würde, was in der Redewiedergabe zwingend zu berücksichtigen war, denn ein Übergang zu kommt oder komme hätte die wiederzugebende Information unzulässig verändert.

Doch urteilen Sie selbst! Hier die insgesamt doch überschaubaren Fundstellen mit etwas Kontext:

Das Gericht sah es jedoch als erwiesen an, daß die Polizei das "Beweismittel" untergeschoben hatte. Taylor sagte gestern, daß die Höhe des Schadensersatzes für ihn als Schock käme. "Ich bin froh, daß die Gerechtigkeit gesiegt hat", sagte er.
[die tageszeitung, 07.12.1989, S. 7]
Das Wirtschaftsministerium in Düsseldorf bestätigte, über diese Pläne informiert zu sein. Der Geschäftsführer der Schnell-Brüter- Kraftwerksgesellschaft (SBK), Günther Theisen, sagte gestern der taz, daß "der Reaktorblock selbst" für die Lagerung schwach radioaktiven Abfalls in Frage käme. Doch sei über ein Zwischenlager bisher lediglich allgemein im Rahmen künftig möglicher Nutzungen für den Brüter diskutiert worden.
[die tageszeitung, 15.06.1991, S. 4]
Außer Susanne und mir wussten nur deren Schwester und meine damalige Freundin Suse Bescheid. Die sagte aber gleich, dass ein Fluchtversuch für sie nicht infrage käme. Zweifelten Sie da nicht an Ihrem Fluchtplan?
[die tageszeitung, 11.06.2007, S. 28]
1997 XF11 hat etwa einen Durchmesser von 1,6 Kilometern. Der Asteroidenspezialist Jack Hills sagte, daß erstmals ein Objekt dieser Größe der Erde so nahe käme. "Das ist der gefährlichste, den wir je gefunden haben.
[Vorarlberger Nachrichten, 13.03.1998, S. D8]
Mehr Geld für die Österreich-Werbung, ein steuerliches Entlastungspaket für Fremdenverkehrsbetriebe und eine "Qualitätsverbesserung auf allen Ebenen des touristischen Angebots": Das sind die Rezepte, mit denen Wirtschaftsminister Johannes Ditz die Tourismusflaute in den Griff bekommen will. Bei einer "Aktuellen Stunde" im Parlament sagte Ditz gestern allerdings, daß eine von der Fremdenverkehrswirtschaft verlangte totale Abschaffung der Getränkesteuer derzeit weder für die ÖVP noch für die SPÖ in Frage käme. Ditz wandte sich gegen ein "Krankjammern" des Fremdenverkehrs.
[Die Presse, 01.06.1995, Österreich-Werbung wird aufgewertet]
Denn für den orthodoxen Juden gilt das Gebot, am siebten Tag der Schöpfung, dem Tag des jüdischen Gottesdienstes, jegliche Arbeit und alles schöpferische Tun - also auch das Orgelspiel - zu unterlassen. Das jüdische Frankfurt sei für seine Liberalität so bekannt, sagte Michaela Rychla, daß kaum ein Rabbiner gerne hierher käme. Bei der Führung erfuhren die Teilnehmer auch einiges über die Geschichte der Synagoge.
[Frankfurter Rundschau, 01.04.1999, S. 6]
"Mein Kollege wurde angerufen und ihm wurde gesagt, dass bei der Firma Eberhard ein Unfall passiert sei. Dann rief man nochmals an und mein Kollege sagte, dass er gleich käme. Beim dritten Anruf war klar, dass nur das Band lief - mein Kollege war ja schon unterwegs", schildert Pruckner den Ablauf.
[Kleine Zeitung, 17.11.1999, Betriebsunfall in St. Josef - der Arzt erschien aber nicht]
Der Europarat sei in der derzeitigen Phase der demokratischen Entwicklung Russlands die wichtigste Institution, sagte Jastrschembski. Moskau droht, dass im Falle eines Ausschlusses auch keine Ratsdelegation mehr nach Tschetschenien käme. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates wird Anfang April erneut über Tschetschenien beraten.
[Berliner Zeitung, 18.03.2000, S. 8]
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering rechnet damit, dass die Union CSU-Chef Edmund Stoiber zum Kanzlerkandidaten nominieren wird. Der "Welt" sagte er, dass der bayerische Ministerpräsident der SPD gelegen käme. "Ich kann mich über einen Kandidaten Stoiber nur freuen: Er wird die Mitte in Deutschland nicht besetzen", so Müntefering.
[Berliner Zeitung, 17.08.2001, S. 5]
Dean warf den rumänischen Behörden vor, der UN-Administration UNMIK nicht alle Informationen zur Verfügung gestellt zu haben. Der Sonderermittler sagte auch, dass ein Schadenersatz an die Hinterbliebenen der Opfer und die beiden Verletzten in Frage käme.
[dpa, 17.04.2007, Rumänische Polizisten haben zwei Demonstranten im Kosovo getötet]

Gefunden wurden insgesamt zwölf Belege, doch da bei dreien der Wortlaut und die Probleme mit der Bewertung nahezu identisch waren, wurden zwei der Belege nicht eigens aufgeführt.

Im Fall von kommen würde kann bei sieben Fundstellen mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass in der Originaläußerung die Futurform kommen werde – als Form der 1. Person, nicht der 3. – oder kommen wird vorlag und nicht etwa eine Verwendung der würde-Form als Konjunktiv-Ersatz.

Die Tendenz zur Konjunktiv-Präsens-Form, die sich hier zeigt, bestätigt sich eindeutig, wenn man neben komm- noch Belege zu Formen weiterer Verben in wiedergegebener Rede berücksichtigt:

RangAusdrucksformFrequenz
1.nehme12
1.nehmen würde3 (2)
3.nähme2
4.nimmt
RangAusdrucksformFrequenz
1.gehe30
2.geht13
3.gehen würde3
3.ginge3
RangAusdrucksformFrequenz
1.stehe42
2.steht7
3.stehen würde1
3.stünde1
RangAusdrucksformFrequenz
1.erwarte30
1.erwartet2
3.erwartete1
3erwarten würde1
RangAusdrucksformFrequenz
1.glaube4
2.glaubt3
3.glaubte0
3.glauben würde0
RangAusdrucksformFrequenz
1.könne415
2.könnte98 (64)
3.kann73
4.können würde1
RangAusdrucksformFrequenz
1.trage5
2.tragen würde1
3.trägt
3.trüge
RangAusdrucksformFrequenz
1.habe1834
2.hätte208 (98)
3.hat181
4.haben würde1 (1)
RangAusdrucksformFrequenz
1.sei2312
2.ist202
3.wäre99 (61)
4.sein würde10 (7)

Die Angaben in Klammern betreffen den Anteil an Belegen, die nicht sicher einer Indikativ-Form in der Originaläußerung zugeordnet werden können.

Insgesamt fanden sich bei diesen – natürlich nicht umfassenden, doch wohl einigermaßen repräsentativen – Recherchen nahezu zehn mal so viele Verwendungen des Konjunktiv Präsens wie Verwendungen des Indikativs. Konjunktiv Präteritum wurden lediglich in knapp 4 % aller Belege eindeutig zur Wiedergabe einer Indikativform in der Originaläußerung gebraucht, und die umgangssprachlich häufig anzutreffende Ersatzform mit würde brachte es nicht einmal auf 0,3 %.

Die vergleichsweise sehr geringe Präsenz von Konjunktiv-Präteritum-Formen dürfte bis zu einem gewissen Grad auch darauf zurückzuführen sein, dass diese Formen altertümlich und zum Teil sogar verschroben klingen, vor allem aber darauf, dass sie bei den sog. schwachen (auch: regelmäßigen) Verben gar nicht verfügbar sind. Da in solchen Fällen verbreitet der Konjunktiv Präsens als Alternative empfohlen wird, ist wohl davon auszugehen, dass manche Konjunktiv-Präsens-Form "an sich" ein Fall für den Konjunktiv Präteritum wäre.

Wie Rede wiedergeben?

Ich komme aus Ulm

Nur, wenn in der Originaläußerung eine Indikativ Präsens Form vorliegt (Ich komme, bin, habe ... , Du kommst, bist, hast ... oder Er/Sie/Es kommt, ist, hat, ...), sind prinzipiell alle vier Formen der Wiedergabe möglich, wobei es sich dann allerdings nicht immer um einfache Varianten handelt, sondern zu berücksichtigen bleibt,

  1. wie der Wiedergebende selbst die Aussage einschätzt,
  2. ob die Redewiedergabe nur diese eine Aussage zum Gegenstand hat oder fortgeführt wird.

Sieht der Wiedergebende keinen Grund, an der Richtigkeit der Aussage zu zweifeln, kann er gleichermaßen die Indikativform er kommt oder die Konjunktivform er komme wählen, wobei letztere vorzuziehen ist, wenn die Redewiedergabe noch fortgeführt werden soll, denn in diesem Fall dient die Konjunktiv-Form dazu, Anfang und Ende der Redewiedergabe kenntlich zu machen:

Er sagte, dass er aus Ulm komme. Er sei über drei Stunden unterwegs gewesen und habe einen Bärenhunger.

Bei einer Wiedergabe im Indikativ

Er sagte, dass er aus Ulm kommt. Er ist über drei Stunden unterwegs gewesen und hat einen Bärenhunger.

wären die auf kommt folgenden Sätze als Feststellungen des Sprechers selbst zu verstehen.

Legt man als Wiedergebender Wert darauf, ausdrücklich zu betonen, man lege sich nicht darauf fest, dass die Originaläußerung sachlich zutreffend sei, kann man die Konjunktiv-Präteritum-Form er käme oder die sog. Ersatzform er würde kommen wählen, wobei letztere von manchen normbewussten Sprachteilhabern als weniger gelungen betrachtet wird. Wenn jemand in dieser Weise jede Festlegung auf die Richtigkeit der Originaläußerung vermeidet, liegt der Verdacht nahe, dass er deren Zutreffen bezweifelt, doch auch darauf legt er sich durch die Wahl der Konjunktiv-Präteritum-Form so weit nicht eindeutig fest.

Ich käme aus Ulm

Bei der Wiedergabe von Ich käme aus Ulm ist zu bedenken, dass die Originalaussage auf zweierlei Weisen zu verstehen sein kann:

  1. Der Sprecher könnte, wie dies vor allem im Süden Deutschlands nicht unüblich ist, die Konjunktiv-Präteritum-Form gewählt haben, weil er sich zurückhaltend ausdrücken wollte, ganz so wie man etwa auch sagen kann: "Ich wär' jetzt so weit!" statt zu sagen: "Ich bin jetzt so weit!"
  2. Die Äußerung könnte im Rahmen der Planung künftiger Handlungen, etwa einer Reise, vorgebracht worden sein, vielleicht so: "Wir könnten das so machen: Ich käme aus Ulm. Wir träfen uns gegen 10 Uhr in Augsburg und führen dann gemeinsam nach München."

Ist die Äußerung auf die erste Weise zu verstehen, gilt dasselbe wie für ich komme. Ist sie jedoch als bloße Überlegung zu verstehen, muss bei der Wiedergabe zwingend entweder auch die Verbform gewählt werden, die in der Originaläußerung vorlag oder aber die Form würde kommen, wobei letztere vielfach als weniger gelungen betrachtet wird.

Ich würde aus Ulm kommen

Für den dritten Fall – Ich würde aus Ulm kommen – gilt dasselbe wie für die Interpretation (ii) von Ich käme aus Ulm. Eine Interpretation wie (i) bei Ich käme aus Ulm kann hingegen ausgeschlossen werden.

Von Du kommst bis Er würde kommen

Die Fälle 4 bis 12 in der obigen Liste scheinen auf den ersten Blick vielleicht etwas seltsam, sind aber durchaus nicht ungewöhnlich. Schließlich muss nicht jeder, dessen Rede man – direkt oder indirekt – wiedergeben will, von sich selbst gesprochen haben. Er kann ebenso seinen Gesprächspartner angesprochen (Du kommst ..., Sie kommen ...) oder von einer dritten Person (Er kommt ... ) gesprochen haben. In diesen Fällen bezieht sich das er bei indirekter Redewiedergabe nicht auf den Sprecher der Originaläußerung, sondern eine weitere Person. Da es aber im Deutschen keinen Ausdruck für eine 4. Person gibt, wird man dies nur erkennen, sofern man nicht den Überblick über die Personen verloren hat, die gesprächsweise eingeführt wurden. Für die Wahl der Verbform im dass-Satz bleibt dies freilich ohne Belang: Für die Fälle 4, 7 und 10 gilt insoweit dasselbe wie für ich komme, für die Fälle 5, 6, 8, 9, 11 und 12 dasselbe wie für ich käme – einschließlich der Anmerkung zur Verwendung der würde-Form.

Fazit

  • Liegt in der Originaläußerung eine Indikativ-Form vor, ergeben sich für die Redewiedergabe drei Möglichkeiten:
    • Da auf die wiedergegebene sprachliche Handlung selbst neutral mit sagte Bezug genommen wird, kann der Indikativ beibehalten werden, ohne dass sich der Sprecher oder Schreiber dadurch in der Sache dem anschlösse, was die Originaläußerung besagte. Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass die Wiedergabe auf einen Satz beschränkt bleibt. Sind mehrere Sätze wiederzugeben, wird schon der zweite als Originaläußerung des Sprechers verstanden werden, wenn er im Indikativ gehalten ist.
      Wie die Recherche in den Textkorpora des Instituts für Deutsche Sprache ergab, wird jedoch bei schriftlicher Wiedergabe der Indikativ nur in etwa 9,5 % aller einschlägigen Fälle bevorzugt. Bei mündlichen Äußerungen dürfte der Anteil des Indikativs um einiges höher liegen, genaue Daten sind hierzu jedoch sehr schwer zu erheben.
    • Durchweg möglich und in der Wirkung – zumindest in Texten – meist neutral ist eine Wiedergabe mit Konjunktiv Präsens (er komme, sie trage, es liege). In den Textkorpora, die hier exemplarisch ausgewertet wurden, lag der Anteil dieser Konjunktivform bei etwa 90,5 %. Die Einschränkung auf "meist" ist erforderlich, weil diese Form bei so genannten schwachen (auch: regelmäßigen) Verben anstelle einer nicht erkennbaren Konjunktiv-Präteritum-Form verwendet werden kann, um eben das zu leisten, was sonst mit dieser Form zu erreichen ist. Bei mündlichen Äußerungen ist jedoch damit zu rechnen, dass die Verwendung der Konjunktiv-Präsens-Form in informellen, eher alltäglichen Kontexten als "gehoben" und insofern etwas gestelzt wirken kann.
    • Aus rein grammatischer Sicht völlig korrekt ist auch die Verwendung der Konjunktiv-Präteritum-Form, doch diese wirkt nur dann völlig neutral, wenn sie erkennbar eine ebensolche Form in der Originaläußerung wieder aufnimmt. Ist dies nicht der Fall, kann sie – zu recht oder zu unrecht, das hat man als Sprecher oder Schreiber nicht unter Kontrolle – als Distanzierung des Wiedergebenden vom Wiedergegebenen betrachtet werden. Er geht damit nicht so weit, das Wiedergegebene als sachlich unzutreffend darzustellen, doch er stellt ausdrücklich fest, dass dieses nicht als erwiesen zu betrachten ist. Es ist vor allem dieses ausdrückliche Feststellen, das bei der Redewiedergabe den Unterschied zwischen Indikativ Form, Konjunktiv-Präteritum-Form und Konjunktiv-Präsens-Form ausmacht, denn zu einer Festlegung auf die sachliche Richtigkeit des Wiedergegebenen kommt es in keinem Fall.
    • Insgesamt kann festgehalten werden, dass man als Sprecher oder Schreiber nie daneben liegt, wenn man die Form des Konjunktiv Präsens wählt, um eine Indikativ-Form in indirekter Rede wiederzugeben.
  • Aus Wiedergegebenem die Originaläußerungen zu rekonstruieren ist ganz einfach, wenn
    1. das Subjekt des dass-Satzes die Form einer Nominalphrase oder einer Pronominalphrase (etwa die Mannschaft, das alte Gebäude, die gesamte Belegschaft, dieselbe, jenes, dieser) hat, sofern letztere nicht gerade er, sie oder es lautet
    2. das Verb des dass-Satzes entweder im Indikativ oder im Konjunktiv Präsens gehalten ist.

Das Verb in der Originaläußerung kann unter diesen Voraussetzungen nur im Indikativ gehalten gewesen sein. So ist zum Beispiel, ausgehend von

Die Sprecherin des Regierungspräsidiums sagte, dass ein Abriss des denkmalgeschützten Hofes nicht zulässig ist/sei.

als Originaläußerung eindeutig zu erschließen:

Ein Abriss des denkmalgeschützten Hofes ist nicht zulässig.
  • Schwieriger kann sich die Aufgabe gestalten, wenn
    1. das Subjekt des dass-Satzes er, sie oder es lautet,
    oder
    1. das Verb des dass-Satzes im Konjunktiv Präteritum gehalten ist.
    Im Fall (c) kann er, sie oder es in der Originaläußerung sechs verschiedene Entsprechungen haben: ich, Du, Sie, er, sie und es. Erst die Auswertung des Kontextes ermöglicht hier die Bestimmung der korrekten Entsprechung.
    Im Fall (d) könnte dem Konjunktiv Präteritum in der Originaläußerung ein Indikativ oder ein Konjunktiv Präteritum entsprochen haben. Auch hier hilft meist eine Auswertung des Kontextes weiter, doch diese kann sich unter Umständen sehr viel schwieriger erweisen und manchmal doch nicht hinreichen, weil es dabei nicht genügt, genau darauf zu achten, welche Personen bereits gesprächsweise eingeführt wurden, sondern auch noch allgemeines Weltwissen und spezielles Hintergrundwissen über die Sprecher bzw. der Schreiber der Originaläußerung und der Wiedergabe erforderlich werden können.

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Bruno Strecker
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