Zur Besetzung der Subjekt-Rolle bei transitiven Verben
Einen aktiven Part können strenggenommen nur Lebewesen spielen oder von Lebewesen gebildete Institutionen oder Verbände. Unter bestimmten Bedingungen lassen sich aber, wie die folgenden Beispiele zeigen, auch werden-Passivformen bilden, wo das Subjekt offenkundig so strengen Ansprüchen nicht genügt:
Auf den ersten Blick scheint dies allem zu widersprechen, was hier über die Bildung von werden-Passivformen festgehalten wurde. Genauere Betrachtung löst den vermeintlichen Widerspruch auf, denn er ist darauf zurückzuführen, dass die Beziehung zwischen Sachverhalten und deren sprachlicher Darstellung allzu eng und kleinlich gesehen wird.
Beschreibungen, die von Zuständen und Ereignissen gegeben werden, sind selten, wenn überhaupt je, einfache Abbilder der Sachlagen. In aller Regel setzen sie viel Wissen über die Welt voraus, das sie gleichsam stichwortartig aufgreifen: Wer etwa sagt, Rauchen gefährde die Gesundheit, weiß sehr wohl, dass die Gesundheit eines Menschen nicht durch das Rauchen als Verhaltensweise gefährdet wird, sondern dadurch, dass er sie praktiziert. Die Formulierung, die gewählt wird, gibt gewissermaßen eine Kurzfassung des Sachverhalts.
Wo immer eine Umformung in eine werden-Passivform möglich ist, obwohl das Subjekt des Aktivsatzes sich nicht auf etwas bezieht, das die Fähigkeit hat, Veränderungen herbeizuführen, kann ohne viel Aufwand gezeigt werden, dass die beschriebene Sachlage auf das Wirken von etwas zurückzuführen ist, das solche Fähigkeiten besitzt
Ein eindeutiges Kriterium ist freilich auch damit nicht gefunden, weil nicht immer klar ist, ob etwas einfach ist, wie es ist, oder ob es auf das Wirken handlungsfähiger Instanzen zurückzuführen ist. Nicht klar geregelt ist auch, was alles als handlungsfähig zu betrachten ist. Kann etwa der Mond als handlungsfähig gelten, weil er, wie man sagt, Ebbe und Flut bewirkt? Alles Fragen, die nicht von der Grammatik zu klären sind. Sie zeichnet nur auf, welche Tendenzen sich im Sprachgebrauch zeigen.
Beachtenswert ist auch, dass Verben wie verbinden, bedecken, beleuchten auch dann ein werden -Passiv bilden, wenn von Aktivität oder Veränderung eigentlich nicht die Rede sein kann, weil bereits die Aktivkonstruktion einen Zustand bezeichnet:
Die Stadt wird durch den Fluss in zwei Teile geteilt.
Durch einen schmalen Landstreifen wird die Kernstadt mit der Bahnhofsvorstadt verbunden.
Dass hier trotz werden -Passiv eher Zustandsbezeichnungen vorliegen, wird deutlich, wenn man die Sätze mit ihren in Perfekttempora gesetzten Pendants vergleicht:
Die Umformung wirkt sich hier nicht nur auf die zeitliche Einordnung aus, sie verändert zugleich den Charakter der beschriebenen Sachverhalte. Nicht die Zustände werden bezeichnet, sondern zum Abschluss gebrachte Vorgänge: Wenn es zutrifft, dass die Stadt durch den Fluss geteilt worden ist, dann muss dieser in früheren Zeiten einen anderen Verlauf genommen haben. Der Landstreifen wiederum muss eigens aufgeschüttet worden sein.
Dass das Tempus solcher Sätze nicht ohne über die zeitliche Einordung hinausgehenden Eingriff in die Satzbedeutung geändert werden kann, zeigt, dass die Präsensform hier zeitlose Gültigkeit von Zuständen zum Ausdruck bringen soll.
Festzuhalten bleibt, dass durch die Möglichkeit, werden-Passivformen zu bilden, der Eindruck verstärkt wird, dass ein Verb eine Handlungsweise oder allgemein eine Art von Veränderung bezeichnet, und zwar unabhängig davon, was die Bildung solcher Formen im Einzelfall motiviert haben mag: Was für die weitaus meisten Verben mit werden-Passivformen gilt, färbt unvermeidlich ab auf die wenigen Verben, deren Bedeutung in dieser Hinsicht nicht recht klar ist.