Kommunikativ-funktionale Sicht
Bei der Betrachtung der Grammatik einer Sprache wird - oft unbewusst und deshalb unerkannt - einer von zwei möglichen Gesichtspunkten gewählt:
- Man sieht sich konfrontiert mit Texten als formalen Gebilden, deren Struktur man zu erschließen sucht.
- Man sieht sich vor der Aufgabe, Informationen mit den Mitteln der bestimmten Sprache korrekt zusammenzustellen.
Wird der erste Gesichtpunkt gewählt, betrachtet man die Grammatik der Sprache in erster Linie aus der Sicht eines Hörers oder Lesers. Wird hingegen der zweite Gesichtpunkt gewählt, betrachtet man sie vorrangig aus der Sicht eines Sprechers oder Schreibers. Ein aktiver Sprachteilhaber hat unvermeidlich mal die eine, mal die andere Perspektive einzunehmen. Bei der Textproduktion wird man sich sinnvollerweise immer auch in die Lage seiner Adressaten versetzen, bei der Textrezeption wiederum auch in die Lage des Textproduzenten, doch das ändert nichts daran, dass sich unter jeder dieser Perspektiven grammatische Fragen in spezifischer Weise stellen.
Beim Blick auf die eigene Sprache mag einem entgehen, welche Bedeutung die Wahl der Perspektive hat, weil man im Alltag die Rolle des Textproduzenten ebenso selbstverständlich beherrscht wie die Rolle des Textrezipienten - jedenfalls so weit, wie keine gehobenen Ansprüche an Formulierungskünste gestellt werden. Beim Gebrauch einer fremden, nur unzulänglich beherrschten Sprache wird der Unterschied deutlicher: Als Textproduzent weiß man durchaus, welche Aufgaben im Einzelnen sind, doch hat man unter Umständen größere Schwierigkeiten damit, die richtigen Mittel für ihre Lösung zu finden. Als Textrezipient hingegen muss man komplexe Ausdrucksgebilde analysieren und dabei alles an formalen Indikatoren auswerten, was sich in diesen Gebilden auffinden lässt.
In einer Grammatik, die sich nicht ausdrücklich als Produzentengrammatik oder als Rezipientengrammatik vesteht, sollten beide Sichtweisen vertreten sein, ohne diese in nicht mehr durchschaubarer Weise zu vermischen:
- Sie muss zeigen, welche Ausdrucksmittel in der betrachteten Sprache zur Verfügung stehen und wie sie eingesetzt werden können.
- Sie muss - ausgehend von den Aufgaben bei der Übermittlung auch sehr komplexer Informationen - zeigen, welche Mittel in der betrachteten Sprache zur Verfügung stehen, um genau das zu sagen, was man zu sagen wünscht.
Nachfolgend versuchen wir diesem Umstand gerecht zu werden, indem wir neben die vor allem formorientierten Einheiten Funktionale Komponenten des Satzes, Ausdruckskategorien und Ausdrucksformen, Syntagmatische Beziehungen und Paradigmatische Beziehungen mit ihren Untereinheiten nun die zweite dieser Sichtweisen in den Vordergrund stellen. Die Darstellung ist gegliedert in folgende Einheiten:
Hier werden grundsätzliche Überlegungen zu Form, Bedeutung und Funktion sprachlicher Ausdrücke angestellt, als Grundeinheit der kommunikativ-funktionalen Betrachtungsweise wird das Diktum eingeführt und in seinem funktionsbestimmten Bau beschrieben.
Hier wird eine der beiden funktionalen Grundkomponenten von Dikta eingeführt und mit den Ausführungen in der Einheit Der Modus kommunikativer Ausdruckseinheiten verknüpft, die eine Schnittstelle zwischen Ausdrucksform und kommunikativer Funktion beschreibt.
Hier wird die zweite der beiden funktionalen Grundkomponenten von Dikta allgemein eingeführt und verknüpft mit Betrachtungen ihrer Hauptkomponenten Das Prädikat und Die Argumente des Prädikats sowie Ausführungen über Formen und Möglichkeiten der Modifikation von Propositionen, wobei diese gegen Modifikationen ganzer Dikta abgegrenzt werden.
Hier werden Formen und Möglichkeiten der Modifikation betrachtet, die sich auf Dikta insgesamt auswirken, etwa die verschiedenen Möglichkeiten, zu einer Aussage, einer Frage, einer Aufforderung, oder einem Wunsch Stellung zu beziehen. Behandelt werden u.a. Formen der Kausalspezifikation, d.h. Begründung, Erklärung oder Motivierung (wegen Überlastung, durch ein Versehen, aus Furcht, weil kein Geld dafür da ist), der Kommentierung (leider, bekanntermaßen), der Einschränkung (sofern es regnet, wenn möglich), der Verneinung (Das war ich nicht, kein Schwein schaut zu), der Einstufung (Sie kann sogar Chinesisch, Das war bloß der Wind).
Hier werden Verfahren vorgestellt, Zusammenhänge klarzustellen oder zu verdeutlichen, in denen zu verstehen ist, was gesagt wird.
Drei Formen solcher Klarstellung werden behandelt:
- Kommentare, die deutlich machen, warum oder wozu man etwas sagt (Ich bin bei Klaus, wenn jemand nach mir fragen sollte.), oder klären, wie ernst es einem damit ist (mal im Ernst; wenn ich mich nicht irre)
- Angaben zur Stellung des Gesagten im Gesprächsablauf (zum einen, zum andern; desweiteren; insbesondere)
- So genannte Abtönungen, die - allgemein betrachtet - dazu dienen, den Umständen Rechnung zu tragen, unter denen man spricht (Du bist ja ganz naß; Die sieht vielleicht aus; Was habt ihr bloß?)