Sachbezogene Kommentierung oder Wertung
Will man sicher gehen, dass Hörern oder Lesern nicht entgeht, wie man zu der Sachlage steht, die Gegenstand des vorgebrachten Diktums ist, kann man dieses um eine Art "Anmerkung am Rande" erweitern, in der man in kompakter Form seine Haltung darlegt. Zusatzinformationen dieser Art werden in GRAMMIS als sachbezogene Kommentierungen oder Wertungen bezeichnet. Die Bezeichnung ist kommunikativ-funktional motiviert, insbesondere in Abgrenzung zu handlungsbezogenen Kommentaren oder Wertungen, die nicht den in Frage stehenden Sachverhalt zum Gegenstand haben, sondern den Sprechakt selbst.
Einen Eindruck davon, was an Sachbezogene Kommentierungen oder Wertungen möglich ist, sollen diese Beispiele vermitteln:
(Mannheimer Morgen, 01.12.1995, Richtfest bei den Handwerkern)
(Züricher Tagesanzeiger, 26.05.1999, S. 31)
(Salzburger Nachrichten, 08.01.1997, Landeshauptstadt ohne Kardiologie)
(die tageszeitung, 23.05.1991, S. 17)
(die tageszeitung, 06.02.1991, S. 9)
(Salzburger Nachrichten, 24.10.1992, LOTHAR STRÄTER Verliebte, Nonnen und König)
(die tageszeitung, 10.11.1987, S. 2)
(St. Galler Tagblatt, 14.09.1998, Kreuzlingen unterliegt Rapperswil auch im Cup)
(Salzburger Nachrichten, 23.05.1998, Realisierung des Ensembleschutzes)
Wie sich zeigt
- finden sich sachlich wie formal recht verschiedene
Ausdrucksmittel für diese Art von Diktumserweiterung - hierzu im
Einzelnen:
Die Ausdrucksmittel der sachbezogenen Kommentierung oder Wertung - darf man die Charakterisierung als "Anmerkung am Rande"
nicht wörtlich nehmen, denn die entsprechenden Ausdrucksmittel sind formal als
Satzadverbialia zu bestimmen und können als solche überall dort positioniert
werden, wo Satzadverbialia möglich sind - hierzu im Einzelnen:
Wie sachbezogene Kommentierungenen oder Wertung zu positionieren sind
Die Doppelbezeichnung Kommentierung oder Wertung soll grundsätzlich darauf hinweisen, dass zu dieser Klasse von Diktumserweiterungen neben mehr oder weniger sinnvollen Kommentaren auch die kommunikativ besonders bedeutsamen Bewertungen von Sachverhalten zu zählen sind.
Mit sachbezogenen Kommentierungen oder Wertungen können Dikta im Aussage-Modus - und nur solche - um eine Einschätzung des mit dem Basisdiktum Gesagten erweitert werden, ohne in dieses Diktum einzugreifen. Wer etwa feststellt:
sagt in wesentlicher Hinsicht nichts anderes, als er so hätte sagen können:
Syntaktisch gesehen sind sachbezogene Kommentierungen oder Wertungen Supplemente, semantisch verhalten sie sich ähnlich wie Modalfunktionen. Dass sie nicht einfach als solche zu werten sind, zeigt sich an diesen Eigenschaften:
- Modalfunktionen wirken sich auf den Geltungsanspruch aus, der mit dem Diktum gestellt werden kann, sachbezogene Kommentierungen wirken additiv.
- Modalfunktionen können auf Dikta im Aussage- und im Frage-Modus angewandt werden, sachbezogene Kommentierungen oder Wertungen nur auf solche im Aussage-Modus:
- Modalfunktionen und sachbezogene Kommentierungen oder Wertungen - auch mehrere - können gemeinsam in einem Satz auftreten, während eine Kookkurrenz von zwei Modalfunktionen nicht akzeptabel ist:
- Treten in einem Satz eine Modalfunktion und sachbezogene Kommentierungen oder Wertungen gemeinsam auf, kann der Ausdruck der sachbezogenen Kommentierungen nur ganz links oder als Parenthese stehen:
Das erste dieser Beispiele ist als abweichend gekennzeichnet, weil hier der Ausdruck einer sachbezogenen Kommentierung bruchlos in den Satz integriert ist, also weder durch Gedankenstriche - wie beim folgenden Satz - noch durch Kommata als Einschub ausgewiesen wird.
Einschätzungen, die als sachbezogene Kommentierungen oder Wertungen zu formulieren sind, können sich auf verschiedenste Gesichtspunkte der Wertung und der wissensbezogenen Einordnung von Sachverhalten beziehen. Hier eine kleine Auswahl:
Bekanntheit
(die tageszeitung, 02.01.2001, S. 13)
(Mannheimer Morgen, 12.12.2002, Vokabeltag macht Spaß)
(Tiroler Tageszeitung, 26.11.1999, Polizist im Zeugenstand)
Akzeptanz
(Frankfurter Rundschau, 018.06.1999, S. 28)
(Frankfurter Rundschau, 14.03.1998, S. 9)
(St. Galler Tagblatt, 31.12.1998, TB-VGN)
(die tageszeitung, 13.02.1996, S. 10)
(Berliner Zeitung, 10.12.1997, S. 3)
Rechtmäßigkeit
(die tageszeitung, 22.03.1989, S. 8)
(Frankfurter Rundschau, 07.05.1998, S. 19)
(Oberösterreichische Nachrichten, 10.07.1996)
Freud und Leid
(die tageszeitung, 27.10.1986, S. 5)
(Berliner Zeitung, 08.11.2000, S. 10)
(Frankfurter Rundschau, 02.01.1997, S. 5)
(St. Galler Tagblatt, 25.08.2001, Vom Open- zum Closed-Air)
Interesse
(Frankfurter Rundschau, 03.08.1999, S. 7)
(Die Presse, 17.01.2000, EU kein katholischer Verein)
(die tageszeitung, 22.10.1991, S. 5)
Erwartung und Erwartbarkeit
(Züricher Tagesanzeiger, 14.05.1996, S. 48)
(die tageszeitung, 19.09.1986, S. 9)
(die tageszeitung, 11.08.1988, S. 17)
(Frankfurter Rundschau, 30.08.1999, S. 11)
Den - ohnedies nicht systematisch zu bestimmenden - verschiedenen sachlichen Gesichtpunkten der sachbezogenen Kommentierung und der Wertung, entsprechen keinerlei formale Unterscheidungen. Unabhängig von der Zuordnung zu bestimmten sachlichen Gesichtspunkten lässt sich feststellen, dass in vollauf akzeptablen Sätzen in der Regel nur eine sachbezogene Kommentierung pro Satz auftritt. Sequenzen wie diese wirken zumindest überladen:
Zu erklären ist die Beschränkung auf jeweils nur eine sachbezogene Kommentierung oder Wertung mit den Schwierigkeiten, die sich bei mehrfacher Kommentierung hinsichtlich des Skopus der Kommentare ergeben: Ist es leider so, dass seltsamerweise kaum jemand zuhört, oder ist es seltsamerweise so, dass leider kaum jemand zuhört?
Völlig ausgeschlossen sind aus sachlichen Gründen wechselseitig unverträgliche Kommentierungen oder Wertungen, wie sie hier vorliegen: