Weiterführung

Nah verwandt mit bestimmten Formen der sachbezogenen Kommentierung sind Weiterführungen. Aus syntaktischer Perspektive stellen sich beide als ein und dieselbe Erscheinung dar. Was sie unterscheidet, sind vor allem ihre kommunikativen Funktionen. Diese können kaum besser beschrieben werden als mit den jeweiligen Bezeichnungen:

  • Sachbezogene Kommentierungen - die zu positionieren sind wie auch andere Satzadverbialia - beziehen sich insgesamt auf das, was mit ihrem Basisdiktum zum Ausdruck gebracht wird, und bilden damit eine Art "Metadiktum".
  • Weiterführungen hingegen - die immer erst an ein bereits abgeschlossenes Diktum anzuhängen sind - schließen thematisch an ihr Basisdiktum an, ohne dazu Stellung zu nehmen.

Weiterführungen können realisiert werden in Form bestimmter satzbezogener Relativsätze - weiterführender Nebensätze - und in Form von Infinitivkonstruktionen mit um zu. Im ersten Fall sind sie über ihre Form identifizierbar, weil sich weiterführende und kommentierende satzbezogene Relativsätze eindeutig unterscheiden lassen. Während kommentierende Relativsätze stets mit was oder wie beginnen (...,was sehr zu bedauern ist; ... wie aus gut unterrichteten Kreisenverlautet) werden weiterführende mit wobei, wofür, wogegen, womit, woran, worüber, wozu eingeleitet (..., worauf du Gift nehmen kannst; ..., worüber wir alle uns sehr gefreut haben).

So begrüßt Herr Münzberg die Anwesenden, Herr Pforte schließt sich an und macht noch schnell darauf aufmerksam, daß hoffentlich bald eine Straße nach Ingeborg Drewitz umbenannt werden soll - wogegen auch im Prinzip nichts einzuwenden ist, nur was haben die Zigeuner damit zu tun?
(die tageszeitung, 18.10.1991, S. 25)
Die Rebellen hatten zu Beginn des Postenschachers zehn Portefeuilles verlangt, und außerdem hatten sie ihren Chef Foday Sankoh zum Vizepräsidenten vorgeschlagen, wovon sie später abgingen.
(Frankfurter Rundschau, 25.06.1999, S. 2)
Die Kassen waren leer, woran sich auch in den kommenden Jahren trotz einer von engagierten Licher Bürgern organisierten Kollekte nicht viel ändern sollte.
(Frankfurter Rundschau, 06.09.1997, S. 5)
Vier DDR-Bürger, die in die Bundesrepublik ausreisen wollen, sind mit einem weißen Lada in den Hof der Bonner Vertretung in Ost-Berlin gerast, wobei sie einen DDR-Polizisten anfuhren und verletzten.
(die tageszeitung, 18.02.1989, S. 6)
Er hat diese Funktion währen rund 14 Jahren gewissenhaft und zuverlässig ausgeübt, wofür ihm der Gemeinderat im Namen aller Vertragsgemeinden den besten Dank ausspricht.
(St. Galler Tagblatt, 25.01.1999, Plastikabfälle von Siloballen)

Mit umzu-Konstruktionen gebildete Weiterführungen sind nicht ohne weiteres zu identifizieren, denn sie unterscheiden sich formal nicht von ebenso gebildeten Finalspezifikationen und Konsekutivspezifikationen:

Die armen Menschlein sind diesmal fünf Bewohner eines New Yorker Mietshauses, das abgerissen werden soll, um einem Wolkenkratzer Platz zu machen.
(die tageszeitung, 05.07.1988, S. 19)
Sein bekanntestes Foto: als er im Winter 1966 zusammen mit dem US-Botschafter Duke im Mittelmeer bei Palomares badete, um zu beweisen, daß von den drei bei einem Flugzeugzusammenstoß verlorenen amerikanischen Atombomen keinerlei Radioaktivität zu befürchten sei.
(die tageszeitung, 16.12.1986, S. 9)
Aus Angst vor dem Heim versenken sie die Mutter in einer Zinktruhe mit flüssigem Zement, der zunächst über ihr zusammenschlägt, um später, in den gleichen Rissen aufzuplatzen, die man in Polanskis "Ekel" sehen konnte - und durch die der Leichengeruch nach außen strömt.
(die tageszeitung, 22.02.1993, S. 25)
Dies erinnere an stalinistische Praktiken, "nach denen es üblich war, unliebsame Volksgruppen einfach zu deportieren, um später das Vakuum mit genehmen Neuansiedlern aufzufüllen".
(die tageszeitung, 22.01.1993, S. 21)
Schließlich hat er sich vorgenommen, innerhalb seines zeitbezogenen Dreigestirns vom Wundersamen zum Phänomen zu reisen, um letzten Endes bei den gegenwärtigen Schwierigkeiten zu landen.
(die tageszeitung, 10.11.2000, S. 23)
Das Rostock nicht der Ort für eine Schweigedemo mit rosa Tüchern ist, war klar, und wenn auch viele Sprüche unreif sind, ist es eine andere Qualität, als der ganze Quatsch von DGB, SPD und Kirchen - die demonstrieren zum Beispiel während des Golf-Kriegs friedlich, um letzten Endes "Notwendigkeiten" einzusehen und allenfalls ihr Mitgefühl für die Opfer zu betonen.
(die tageszeitung, 18.09.1992, S. 11)

Nur die beiden letzten Beispiele sind hier als Weiterführung interpretieren, weil hier - anders als bei den beiden ersten Beispielen - keine Interpretation als Finalspezifikation sinnvoll ist und - anders als beim dritten und vierten Beispiel - auch eine Interpretation als Konsekutivspezifikation angemessen erscheint, da es zumindest nicht naheliegend ist, das mit der Infinitivkonstruktion beschriebene Ereignis als Folge des vorgängigen Ereignisses aufzufassen.

Wie sich bereits an diesen wenigen Beispielen zeigt, ist insbesondere die Unterscheidung von bloßer Weiterführung und Konsekutivspezifikation nicht einfach zu begründen, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass man bei zeitlich aufeinander folgenden Ereignissen, in die dieselben Akteure involviert sind, immer vermuten kann, die späteren Ereignisse seien eine Folge der früheren.

Zum Text

Schlagwörter
Letzte Änderung
Aktionen
Seite merken
Seite als PDF
Seite drucken
Seite zitieren

Seite teilen