Finalspezifikation
Durch eine Finalspezifikation wird ein geeignetes Basisdiktum zu einem Diktum, das die Feststellung einer Zweck- oder Absichtsbeziehung zwischen Sachverhalten zum Gegenstand hat. Als Basisdikta eignen sich dabei grundsätzlich nur Dikta, die Handlungen oder deren Resultate zum Gegenstand haben, denn nur diese können als absichtsvoll oder zielgerichtet verstanden werden.
Finalspezifikation können auf verschiedene Weisen realisiert werden:
- Die zweite Proposition kann explizit formuliert werden. Ihre Funktion als Bestimmung eines Ziels, eines Zwecks oder einer Absicht wird ihr dabei durch einen finalen Subjunktor wie damit, sodass, so ..., dass, solch ..., dass zugewiesen.
(Oberösterreichische Nachrichten, 19.02.1998, Man kann Geheimdienste nicht an der Moral messen)
(Die Presse, 15.05.1993, Bis heute lacht Peymann vor lauter Freude)
- Die zweite Proposition kann in Form einer Infinitivkonstruktion realisiert sein, der die Funktion als Finalspezifikation durch um ... zu zugewiesen wird.
(Züricher Tagesanzeiger, 26.06.1996, S. 12)
- Die zweite Proposition kann in Form einer Präpositionalphrase realisiert sein, die mit den Präpositionen zu, zwecks, behufs eingeleitet wird und deren nominales Element ein nominalisiertes Handlungsverb bildet.
(die tageszeitung, 08.06.1991, S. 27)
(die tageszeitung, 29.07.2000, S. 14)
(die tageszeitung, 19.12.1986, S. 2)
(St. Galler Tagblatt, 15.09.1997)
- Die zweite Proposition kann, oft verkürzt, als Präpositionalphrase realisiert sein, die mit für eingeleitet wird, gefolgt von einer determinierten oder undeterminierten Nominalphrase:
(die tageszeitung, 24.09.1994, S. 15)
- Auf eine zweite Proposition kann mit einem geeigneten Ausdruck verwiesen werden. Geeignete Ausdrücke können so genannte finale Adverbien oder Präpositionalphrasen sein, deren wörtliche Bedeutung im Verweis auf Vorgenanntes als Ziel, Zweck oder Absicht besteht.
(die tageszeitung, 19.05.2000, S. 11)
(Frankfurter Allgemeine, 1995)
(Frankfurter Rundschau, 02.10.1997, S. 6)
Diese Verfahren können, bei allen formalen Unterschieden, als identifizierend bezeichnet werden, denn stets ist es möglich, die ins Spiel gebrachte Proposition - jedoch nicht unbedingt einen genauen Wortlaut - auf der Grundlage des Gesagten eindeutig zu bestimmen.
Allgemein gilt, dass Finalspezifikationen sinnvoll nur auf Dikta mit Propositionen anzuwenden sind, die Sachverhalte entwerfen, die prinzipiell dem Erreichen anderer Sachverhalte dienen können. Wo dies nicht der Fall zu sein scheint, könnte man geneigt sein, grammatische Fehler zu unterstellen:
Die Propositionen der Basisdikta scheinen hier nicht die Art von Sachverhalten zu entwerfen, die man mit Zielen, Zwecken oder Absichten in Verbindung bringen kann. Genauere Betrachtung zeigt, dass diese Einschätzung sich nicht auf grammatische Daten, sondern auf allgemeine Wissenshintergründe stützt, denn es finden sich auch Dikta mit im Wesentlichen derselben Struktur, die problemlos akzeptiert werden:
Noch etwas spricht gegen eine pauschale Zurückweisung der als problematisch gesehenen Dikta: Finale Beziehungen werden nicht nur dann angenommen, wenn in der Basisproposition eine Handlung prädiziert wird, deren Folge der Sachverhalt sein kann, der mit der Finalspezifikation ins Spiel gebracht wird. Dem entworfenen Sachverhalt wird durch die Finalspezifikation eine Funktion beim Erreichen des "Zielsachverhalts" zugeschrieben. Dabei bleibt offen, wem er diese Funktion verdankt. Entwirft die Basisproposition eine Handlung, tendieren wir dazu, den Protagonisten eine Absicht zuzuschreiben. Dabei brauchen sie nicht einmal ausdrücklich genannt sein:
Ist mit der Basisproposition von keiner Handlung die Rede, werden als Träger des Ziels oder der Absicht die Protagonisten der vorauszusetzenden Handlungen betrachtet. Eine derartige Deutung ist immer möglich, wenngleich nicht immer gleichermaßen nahe liegend. So könnte man
etwa so deuten, als werde damit gesagt, ein fürsorglicher Gott oder die Natur habe die Sonne für uns als Heizung installiert, und man muss nicht gleich dieser Ansicht sein, wenn man akzeptiert, dass dergleichen gesagt werden kann.
Was hier zu beobachten ist, gilt im Prinzip für alle Propositionen, soweit sie nicht einer sequenzbezogenen Einschränkung unterliegen und damit ohnedies für eine Finalspezifikation nicht zur Verfügung stehen. Pauschale Feststellungen über Anwendungsbeschränkungen für Finalspezifikationen können sich deshalb nicht auf grammatische Regularitäten stützen. Seitens der Grammatik ist lediglich festzuhalten, dass es in bestimmten Fällen zwei Interpretationsmöglichkeiten gibt: Entwirft die Basisproposition eine Handlung, kann als Träger der beschriebenen Absicht der Protagonist dieser Handlung, aber auch der Protagonist einer anderen Handlung betrachtet werden, mit der die erstere herbeigeführt wurde:
Mag sein, dass es dem Nachtwächter ein Anliegen ist, Unheil zu verhindern. Man kann diesen Satz aber auch so auffassen: Der Rat der Stadt hat einen Nachtwächter angestellt, um so Unheil zu verhindern. Welche Option zu wählen ist, lässt sich nur bei entsprechendem Hintergrundwissen entscheiden.
Finalspezifikationen wirken sich auf die Bedingungen aus, unter denen die entworfenen Sachverhalte als bestehend gelten sollen. Sie erweisen sich dabei allerdings in verschiedener Hinsicht als problematisch:
- Was eine Finalspezifikation bestimmt, kann zutreffen oder auch nicht, doch muss weder Verifikation noch Falsifikation möglich sein.
- Finalspezifikationen sind oft zweideutig: Sie können Absichten nennen, zu denen man sich bekennt oder bekennen würde. Sie können aber auch Absichten unterstellen.
Dasselbe lässt sich von Kausalspezifikationen feststellen, die Motive ins Spiel bringen: Wird jemand ein Motiv für sein Handeln unterstellt, heißt das nicht, dass er oder sie sich zu diesem Motiv bekennen müssen oder auch nur müssten.
Die mit (i) angesprochene Schwierigkeit ist praktischer Natur. Über zugeschriebene Ziele, Zwecke oder Absichten kommt es nicht selten zu Auseinandersetzungen. Das liegt auch daran, dass die Verwendungsregeln für Finalspezifikationen so klar nicht sind: Wann etwa ist es zutreffend, davon zu sprechen, jemand tue etwas nur, um Karriere zu machen? Und es liegt daran, dass Finalspezifikation häufig der Deutung und Wertung von Handlungen und Verhaltensweisen gelten, die bereits vorab strittig waren:
Kommt es hier zu einem Dissens der Gesprächspartner, liegt das in aller Regel weder daran, dass sie sich nicht einigen können, was gemacht wurde, noch daran, dass sie verschiedener Auffassung darüber sind, was es heißt, jemand zu ärgern. Zum Problem wird die Subsumption des in Frage stehenden Geschehens unter die Fälle, in denen beide sagen würden, jemand habe etwas gemacht, um einen anderen zu ärgern. Sie sind auf einen verbindlichen Gebrauch von Absichtszuschreibungen nicht ebenso gut verständigt wie auf den Gebrauch elementarer Prädikate.
Die in (ii) angesprochene Zweideutigkeit von Finalspezifikationen hängt mit dem geringen Grad an Verständigung auf einen verbindlichen Gebrauch zusammen. Bemerkenswert ist, dass dies von vornherein eingeräumt wird. Wer etwas als rot beschreibt, geht normalerweise davon aus, dass jeder andere zu derselben Beschreibung kommen müsste. Wer Absichten zuschreibt, kann durchaus einräumen, dass andere die Dinge anders beschreiben würden. Absichtszuschreibungen geben deshalb vor allem die Auffassung der Sprecher oder Schreiber wieder.
Eine philosophische Diskussion könnte der Frage gelten, inwieweit es legitim ist, von Absichten zu sprechen, wenn sich deren Träger von solchen Absichten keine Rechenschaft geben kann. Für die grammatische Betrachtung ist dies ohne Belang. Festzustellen ist, dass Finalspezifikationen so und so gebraucht werden und dass es oft eines aufwendigen Raisonnements bedarf herauszufinden, wie ein Sprecher oder Schreiber seine Zuschreibung verstanden wissen will.
Weniger problematisch sind zwei weitere Eigenschaften von Finalspezifikationen:
- Eine Finalspezifikation bringt einen Sachverhalt ins Spiel, der zeitlich nach dem Sachverhalt der Basisproposition anzusetzen ist.
- Für den zusätzlichen Sachverhalt wird, anders als im Fall einer Kausalspezifikation, auch bei Assertion nicht beansprucht, er bestehe oder werde jemals bestehen.
Die Nachzeitigkeit des "Zielsachverhalts" ergibt sich aus der finalen Beziehung zwischen den beteiligten Sachverhalten. Wenn die Finalspezifikation damit nicht zu einer Unterform der Zeitspezifikation wird, liegt das daran, dass der "Zielsachverhalt" nie wirklich eintreten muss, um zu Recht als Ziel zu gelten. Was als Ziel oder Absicht zugeschrieben wird, wird nicht vorhergesagt. Das gilt gleichermaßen für Fremdzuschreibungen wie für Selbstzuschreibungen: Wer von sich sagt, er fahre an die See, damit sich sein Gesundheitszustand bessert, muss sich später nicht rechtfertigen, wenn er krank ist wie zuvor. Technisch ausgedrückt: Von einem finalisierten Diktum kann zwar auf das Basisdiktum, nicht aber auf das geschlossen werden kann, was mit der Finalspezifikation eingeführt wurde.
Darauf dürfte die Schwierigkeit zurückzuführen sein, beim Gebrauch von Finalspezifikationen zu stabilen Konventionen zu kommen: Was es heißt, dass jemand etwas in bestimmter Absicht tut, lässt sich nur in Zusammenhängen erlernen, in denen sich ein Erfolg einstellt. Andererseits kann weder das Ausbleiben noch das Eintreten des Zielsachverhalts die Zuschreibung bestätigen oder widerlegen. Die Gebrauchsregel kann nicht einfach erlernt werden. Sie schließt Überlegungen zur Plausibilität ein und muss komplexes Hintergrundwissen berücksichtigen. Das Verfahren der Finalspezifikation ist, so gesehen, weitaus am schwersten zu beherrschen.
Finalspezifikationen werden - wie Kausalspezifikationen - primär daran erkannt, dass sie mit für diese Operation typischen Ausdrücken formuliert werden. Identifiziert sind sie damit noch nicht:
- Es gibt Fälle, in denen es problemlos gelingt, einen in Frage stehenden Ausdruck als Ziel- oder Zweckbestimmung zu deuten, doch steht damit noch nicht fest, dass dieser Ausdruck eine Finalspezifikation realisiert, denn Ziel- oder Zweckbestimmungen können nicht nur der Proposition eines Diktums gelten.
- In anderen Fällen können Ausdrucksmittel verwendet worden sein, die neben ihrer Funktion bei der Artikulation von Finalspezifikationen auch noch ganz andere Funktionen erfüllen können. Bei den folgenden Sätzen handelt es sich also nicht um Finalspezifikationen:
Mit etwas Phantasie lassen sich sicher auch diese Sätze so deuten, als würden damit Finalspezifikationen artikuliert, doch sollte deutlich sein, dass sie nicht so interpretiert werden müssen. Ernsthafte Missverständnisse sind trotz der verschiedenen Interpretationsmuster eher selten, weil in der Regel genügend Hintergrund- und Situationswissen verfügbar ist, das die gewünschte Deutung plausibel erscheinen lässt. Wo es dennoch schwer fällt, zu einer Entscheidung für die eine oder andere Deutung zu kommen, helfen grammatische Analysen nicht weiter, denn sie können lediglich zeigen, welche Interpretationsoptionen bestehen.
Finalspezifikationen können - prinzipiell - mit beliebig vielen weiteren Finalspezifikationen koordiniert werden und greifen dann parallel auf dieselbe Proposition zu:
Eine sukzessive Anwendung von Finalspezifikationen auf Propositionen, die ihrerseits schon auf diese Weise gebildet wurden, ist nicht möglich. Scheinen Sequenzen von Finalspezifikationen vorzuliegen, handelt es sich nicht um sukzessive Anwendung, sondern um eine Spezifikation im Rahmen einer Spezifikation:
Mit Geltungsspezifikationen anderer Art sind Finalspezifikationen ganz wie Kausalspezifikationen kombinierbar, soweit keine generellen Beschränkungen greifen, die auf Interferenzen mit darin enthaltenen Zeitspezifikationen zurückzuführen sind. Gleiches gilt für die Kombination mit Diktumserweiterungen aller Art.