Substitutivspezifikation
Mit Substitutivspezifikationen - die auf Basisdikta aller Modi dicendi anzuwenden sind - kann man:
- feststellen, dass anderes Fall ist, als der Fall sein könnte, sollte oder
müsste
(Aussagemodus) - fragen, ob anderes Fall ist, als hätte der Fall sein können, sollen oder
müssen
(Fragemodus) - dazu auffordern, etwas anderes zu tun, als vorgesehen war
(Aufforderungsmodus) - anregen etwas anderes zu tun, als man vorgesehen hatte
(Heische-Modus) - seinem Wunsch Ausdruck verleihen, anderes möge der Fall sein, als das, was
man erwartet
(Wunsch-Modus) - seine Verwunderung zum Ausdruck bringen, dass anderes der Fall ist als das,
was zu erwarten war
(Exklamativ-Modus)
Einige Beispiele zu den wenigen Formen, in denen Substitutivspezifikationen auftreten können:
(Frankfurter Rundschau, 04.12.1997, S. 22)
Infinitivkonstruktion
(die tageszeitung, 10.10.1988, S. 19)
Infinitivkonstruktion
(Oberösterreichische Nachrichten, 10.09.1997, 19 Monate für "Krebsheiler" Hamer)
Adverbkonnektor
(St. Galler Tagblatt, 18.06.1997, Schutz auf Zeit)
Peripherer Satzadverbialsatz
(Berliner Morgenpost, 01.06.99, S. 3)
Präpositionalphrase
(die tageszeitung, 13.09.2002, S. 4)
Präpositionalphrase
Wie alle Geltungsspezifikationen bringt auch die Substitutivspezifikation eine zweite Proposition ins Spiel. Wo dies - wie bei den beiden ersten Beispielen - in Form einer Infinitivkonstruktion geschieht, ist die zweite Proposition eindeutig zu erschließen. Wird die Substitutivspezifikation - wie beim dritten Beispiel - in Form eines Adverbkonnektors mit anadeikischen Element realisiert, muss die zweite Proposition aus dem Kontext erschlossen werden, was nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen führt, da nicht immer eine einschlägige Vorgängeräußerung gegeben sein muss, auf die der Sprecher sich bezieht. Bezugspunkt kann auch eine non-verbale Handlung sein:
Wir wollten ins Theater gehen und stehen jetzt vor verschlossenen Türen. Wegen Erkrankung der Hauptdarstellerin muss die heutige Aufführung leider ausfallen. Du sagst:
Wird die Substitutivspezifikation als Präpositionalphrase realisiert, etwa in Form der Präposition statt mit Nominalphrase - wie beim vorletzten Beispiel - oder - wie beim letzten Beispiel - mit Persondeixis, ist die entsprechende Proposition aus dem Basisdiktum zu erschließen.
In stark situationsgebundener mündlicher Rede trifft man auch auf Verwendungen von Substitutivspezifikationen ohne entsprechendes Basisdiktum:
(Hörbeleg bei einem Tennismatch)
Hier wird darauf verzichtet, ein Missgeschick auch noch eigens zu beschreiben, da dieses ohnedies die volle Aufmerksamkeit des Partners hatte.
Was Substitutivspezifikationen leisten
Was Substitutivspezifikationen leisten, lässt sich so beschreiben:
- Wer feststellt, dass p statt q, stellt damit fest, dass p und nicht q gilt.
- Gilt p statt q, dann heißt das, dass die Sachverhalte, die p und q entwerfen, als Alternativen zu betrachten sind.
- Von den mit p und q entworfenen Sachverhalten gilt, dass, was q entwirft, eher zu erwarten, zu fordern, zu erhoffen oder zu befürchten ist.
Mit Feststellung (iii) ist noch nichts darüber gesagt, welche Präferenzen ein Sprecher oder Schreiber hinsichtlich der mit p und q entworfenen Sachverhalte hat. Wenn sich doch so etwas wie eine Präferenz erschließen lässt, liegt das entweder am Modus dicendi oder an der Natur der entworfenen Sachverhalte oder an beiden.
Weist ein derart modifiziertes Diktum den Aufforderungs-Modus auf, ist es für die Aufforderung zu gebrauchen, den Sachverhalt herzustellen, den p entwirft, und jenen nicht, den q entwirft. Die Präferenzen sind damit klargestellt, selbst wenn der Sprecher insgeheim eine andere Einschätzung haben sollte. Bei allen anderen Modi dicendi - auch beim Wunschmodus, der ebenso als Modus des Befürchtens gelten kann - hängt die Bestimmung der Präferenzen von der Bewertung der betroffenen Sachverhalte ab.
Substitutivspezifikationen mit anderen Diktumserweiterungen
Substitutivspezifikationen sind nicht iterierbar.
Im Skopus von Substitutivspezifikationen können Propositionsspezifikationen ohne besondere Beschränkungen auftreten.
Substitutivspezifikationen sind mit anderen Geltungsspezifikationen kompatibel, wenn sie in deren Skopus auftreten und wenn sie solche in ihrem Skopus haben. Eventuelle Beschränkungen hinsichtlich der möglichen Modi dicendi sind dabei nicht auf die Substitutivspezifikation zurückzuführen.
Substitutivspezifikationen und Geltungsrestriktionen verhalten sich zueinander wie Substitutivspezifikationen und Geltungsspezifikationen.
Eine Substitutivspezifikation kann - wie beim folgenden Beispiel - eine Negation in ihrem Skopus haben:
und sie kann im Skopus einer Negation auftreten, wenn diese kontrastierend oder fokussierend ist:
Kontrastnegation:
Fokussierende Negation:
Modalfunktionen und Diktumsgraduierungen können nicht im Skopus einer Substitutivspezifikation auftreten, können aber Substitutivspezifikationen in ihrem Skopus haben:
Modalfunktion:
Die Skopusverhältnisse in diesem Satz werden deutlicher in folgender Paraphrase:
Der Versuch, die Skopusverhältnisse anders zu interpretieren, führt zu einer unverständlichen Alternative: Man kann nicht, statt einer ordentlichen Beschäftigung nachzugehen, vermutlich wieder im Weißen Bock herumhängen, und zwar ganz einfach deshalb, weil man entweder herumhängen kann oder nicht, aber keinesfalls vermutlich herumhängen. Wer dies nicht akzeptieren mag, sollte sich vornehmen, selbst einmal vermutlich irgendwo herumzuhängen.
Diktumsgraduierung:
Auch hier kann eine Paraphrase helfen, die Skopusverhältnisse klarer zu erkennen:
Sachbezogene Kommentierungen oder Wertungen, Weiterführungen, Diskursorganisatoren, handlungsbezogene Kommentierungen oder Wertungen sowie Abtönungen haben weiteren Skopus als Substitutivspezifikationen und sind unbeschränkt mit diesen kombinierbar.