Geltungsrelevante Diktumserweiterungen
Als geltungsrelevant können alle Erweiterungen von Dikta gelten, die sich darauf auswirken, welche Geltungsansprüche mit einem so erweiterten Diktum einzubringen sind. Dabei lassen sich allgemeint zwei Klassen von Erweiterungen unterscheiden:
Modifizierende Diktumserweiterung
Die modifizierenden Diktumserweiterungen bilden eine heterogene Klasse. Sie konstituiert sich unter einem Gesichtspunkt, der quer liegt zu unserer Analyse des Diktums, denn zu dieser Klasse zählen Operationen, die sich auswirken auf
- Propositionen
- Geltungsansprüche, die mit dem Modus dicendi eines Diktums verbunden sind
Das Konstrukt einer Klasse modifizierender Diktumserweiterungen führt mithin Operationen zusammen, die sachverhalts- oder normbezogene Geltungsansprüche zum Gegenstand haben. Ausschlaggebend für die Zusammenfassung dieser Operationen ist, dass sie, trotz verschiedener Operanden, gleiche Resultate haben können:
- Propositionsspezifikationen operieren auf Propositionen und bilden so neue, modifizierte Propositionen.
- Modifikationen der Geltungsmodalitäten operieren auf dem einer Basisproposition zugedachten Wissensstatus und können dabei ebenfalls zur Bildung neuer, modifizierter Propositionen führen.
Was auf den ersten Blick verwirrend scheint, besagt nichts anderes, als dass ein Sachverhalt und das Bestehen dieses Sachverhalts beide in gleicher Weise als Sachverhalte gelten können. Das zeigt auch die Schachtelung der Argumente in dieser Folge kommunikativer Minimaleinheiten:
Eine modusbezogene Modifikation, etwa eine Negation, gilt nicht dem Sachverhalt, der mit der Basisproposition entworfen wird, sondern dem gedachten Bestehen des Sachverhalts. Sie schließt dieses Bestehen aus. Ist diese Modifikation diejenige mit dem weitesten Skopus unter den modusmodifizierenden Operationen eines Diktums, führt sie nicht zur Bildung eines neuen Sachverhaltsentwurfs, sondern weist dem gegebenen Entwurf einen modifizierten Wissensstatus zu. Finden sich jedoch modusbezogene Modifikationen mit weiterem Skopus, bilden Operationen, die ansonsten modusmodifizierend wirken, modifizierte Sachverhaltsentwürfe, d.h. modifizierte Propositionen. Der Ausschluss des Bestehens eines Sachverhaltes etwa gilt dann seinerseits als Sachverhalt. Das heißt: Die wissensstatusbezogene Operation kann in der Bildung einer neuen Proposition resultieren.
Nur wenn man dieses Phänomen erkannt hat, kann es gelingen, von der Struktur erweiterter Dikta Rechenschaft zu geben, denn dabei trifft man auch auf Operationen, die Sachverhaltsentwürfe ins Spiel bringen, die ihrerseits bereits über modusbezogene Operationen zu konstituieren sind.
Additive Diktumserweiterungen
Unter den geltungsrelevanten Diktumserweiterungen finden sich drei Klassen von Erweiterungen, die weder auf die Proposition noch auf die mit dem Basisdiktum gegebenen Geltungsansprüche modifizierend wirken und die deshalb als additiv bezeichnet werden können:
(St. Galler Tagblatt, 05.05.1999, Du schnarchst)
(Josef Joffe, Regimewechsel, Teil 2, DIE ZEIT, Nr. 27 24. Juni 2004, S. 1)
Sachbezogene Kommentierungen und Wertungen
(die tageszeitung, 26.08.1988, S. 9)
(Salzburger Nachrichten, 18.04.1998, Ohne Protokoll)
(die tageszeitung, 18.02.1989, S. 6)
(Vorarlberger Nachrichten, 07.06.1999, Josefina Nick (92))
In der Praxis täglicher Kommunikation haben additive Diktumserweiterungen oft den Charakter eines Zusatzes oder einer Digression. Das wird deutlich, wenn man die Reaktionen auf solche Erweiterungen betrachtet. Typische Reaktionen auf eine Diktumsgraduierung, sachbezogene Kommentierung oder Wertung, die man ohne weiteres nicht akzeptieren will: "Was heißt denn hier sogar/nur/bekanntermaßen/leider?" oder "Wieso sogar/nur/bekanntermaßen/leider?" Bloßes nein oder das stimmt nicht genügt in der Regel nicht, wenn man zurückweisen will, was mit solchen Erweiterungen gesagt wird. Bloßes Nein gälte hier nur dem jeweiligen Basisdiktum. Lediglich bei bestimmten Formen der Weiterführung bleibt offen, welches Teildiktum die Verneinung auf sich zieht. Additive Diktumserweiterungen unterscheiden sich darin wesentlich von allen Arten modifizierender Diktumserweiterung, bei denen sich eine pauschale Verneinung stets auf die Operation mit dem weitesten Skopus bezieht.