Additive Diktumserweiterung

Neben Diktumserweiterungen, die sich - wie etwa Geltungsspezifikationen - modifizierend auf Geltungsansprüche auswirken, finden sich Erweiterungen, die zwar auch in gewisser Weise zusätzliche Ansprüche ins Spiel bringen, doch nicht als modifizierend betrachtet werden sollten, weil sie die mit dem Basisdiktum gegebenen Geltungsansprüche - insbesondere solche auf Wahrheit des Gesagten - nicht verändern, sondern dieses

  • auf Skalen von als gegeben betrachteten Einschätzungen oder Erwartungen in bestimmter Weise einordnen
  • en passant kommentieren oder werten
  • zum Ausgangspunkt der Darstellung einer weitergehenden Entwicklung machen

Von der ersten Art solcher hinzutretender - additiver - Erweiterungen sind die - hier so genannten - Diktumsgraduierungen, mit denen die Dikta um den Anspruch erweitert werden können, der angesprochene Sachverhalt entspreche in dieser oder jener Hinsicht mehr oder weniger den gegebenen Erwartungen.

In der CDU- und SPD-Fraktion in Bonn gibt es Bestrebungen, für den parlamentarischen Untersuchungsausschuß einen gemeinsamen Antrag zu formulieren. Der Ausschuß wird noch in dieser Woche eingesetzt werden.
(die tageszeitung, 20.01.1988, S. 1)
Die Gewinner des Zoo-Quiz' durften sogar selbst unter Anleitung insgesamt sechs Futterkörbe verfüttern.
(Frankfurter Rundschau, 029.09.1997, S. 14)
Eine gemeinsame Presseerklärung hätte wenigstens den Eindruck vermieden, daß die Partei tonangebend geworden ist.
(Mannheimer Morgen, 22.05.1996, Lokalkommentar)

Von der zweiten Art sind sachbezogene Kommentierungen oder Wertungen:

Großväter haben bekanntlich unverdient unkomplizierte Nähe zu ihren Enkeln; der Generationensprung entschärft die Konflikte, welche die aufeinander folgenden Generationen natürlicherweise miteinander auszutragen haben.
(die tageszeitung, 02.11.1992, S. 19)
"Deckung!", ruft einer. Schon hagelt es Orangen, klatschen die Früchte auf die - glücklicherweise gut gepolsterten - Körper.
(Züricher Tagesanzeiger, 17.02.2000, S. 76)
Die Norweger brachten alle vier Starter unter die ersten Sieben, während der beste Schwede Christer Majbäck zur Enttäuschung seiner Landsleute auf Platz zwölf landete.
(die tageszeitung, 22.02.1993, S. 17)

Von der dritten Art sind so genannte Weiterführungen:

Nach ihrer Ausschulung arbeitete sie bei verschiedenen Familien als Haushaltshilfe, um in späteren Jahren Beschäftigung bei der Firma F. M. Hämmerle aufzunehmen.
(Vorarlberger Nachrichten, 07.06.1999, Josefina Nick (92))
Auf der Seite wurde den Auern ein klarer Outeinwurf aberkannt, was in der Folge zu einem Foul für die Gastgeber führte.
(St. Galler Tagblatt, 22.10.2001, Erneut unnötige Punktverluste für Au)

Was additive Diktumserweiterungen von Geltungsmodifikationen unterscheidet, wird deutlich, wenn man auf die Reaktionen achtet, die sie in Gesprächen hervorrufen können. Typische Reaktionen auf eine Diktumsgraduierung oder auf eine sachbezogene Kommentierung, die man ohne weiteres nicht akzeptieren will, sind etwa:

Was heißt denn hier sogar/nur/bekanntlich/leider?

oder

Wieso sogar/nur/bekanntlich/leider?

Ein bloßes Nein! oder Das stimmt nicht! genügt in der Regel nicht, wenn man zurückweisen will, was mit solchen Erweiterungen gesagt wird. Bloßes nein gälte hier nur dem jeweiligen Basisdiktum. Lediglich bei bestimmten Formen der Weiterführung kann bei so pauschaler Zurückweisung offen bleiben, welches Teildiktum die Verneinung auf sich zieht.

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