Exklamativmodus
Exklamativsätze zeichnen sich durch eine besondere Bandbreite an sprachlichen Mitteln aus. Als spezielle aufbauende Exklamativ-Formelemente betrachten wir
Exklamativ-Formelemente | nicht obligatorischer Exklamativakzent, spezifische Partikeln (vielleicht, aber, auch sowie eingeschränkt doch und ja), sprachliche Mittel, die geeignet sind, den besonderen Funktionstyp des Exklamativ- Modus zum Ausdruck zu bringen. |
Die Abweichung kann sich auf zwei Aspekte des Sachverhalts beziehen:
- auf den Umstand, dass er überhaupt besteht,
- auf den Wert oder Grad, der diesem Sachverhalt auf einer Skala erwartbarer Sachverhalte zukommt.
Im ersten Fall liegt ein so genannter Fakt-Exklamativ vor:
Die | singt vielleicht schön. |
| | | |
ARG | PRÄD |
Im zweiten Fall liegt ein ein Grad-Exklamativ vor:
Hat | der | seinem Chef einen bösen Blick zugeworfen. |
| | | | |
ARG | PRÄD |
Im dritten Fall ist semantisch eine herausgehobene Relation zwischen graduierbarem Prädikat und Argument charakteristisch:
Hat | der | ein altes Haus gekauft. |
| | | | |
-- | ARG | PRÄD |
Man kann Ausdrücke für nicht hervorgehobene Argumente als Teil komplexer Prädikatsausdrücke betrachten, etwa: seinem Chef einen bösen Blick zuwerfen, ein altes Haus kaufen. Dabei hat der hervorgehobene Argumentausdruck Verweischarakter und wird häufig mit deiktischen Mitteln realisiert. Prädikatsausdruck und hervorgehobener Argumentausdruck stellen die beiden möglichen Träger des Exklamativakzentes - sowie eines hinzutretenden weiteren Gewichtungsakzentes.
Die Graduierung des Prädikates wird nicht immer eigens ausgedrückt. Sie muss dann aus dem Verwendungszusammenhang oder dem Hintergrundwissen erschlossen werden.
Beispiel
Jonas zeigt Fabian dieses Bild von Kaiser Wilhelm II:
Darauf Fabian:
Hier ist situations- und wissensabhängig eine Graduierung in Dimensionen wie Länge oder Schönheit anzunehmen, also etwa, dass es sich aus Sicht des Sprechers um einen ungewöhnlichen Bart handelt.
Formtypen des Exklamativmodus
Hier Formtypen des Exklamativmodus im Hinblick auf semantische Typen und zugrundeliegende Satztypen:
Der hat ja gelacht. ↓ | [Fakt-Exklamativ] |
Der spielt ja/doch gut. ↓ | [Fakt-Exklamativ] |
Die Elisabeth hat jetzt vielleicht lange Haare. ↓ | [Grad-Exklamativ] |
Dem Uli haben sie aber auch ein Geschenk gemacht. ↓ | [Grad-Exklamativ] |
Formtyp für alle Beispiele: Verbzweit-Aussagetyp + aufbauende Exklamativ-Formmerkmale
Es zeigt sich, dass hier der Partikelgebrauch bei der Differenzierung zwischen Fakt- (Partikeln ja, doch) und Grad-Exklamativ (Partikeln vielleicht, aber (auch)) mitwirkt. Fakt-Exklamative in Form von V2-Sätzen mit der Partikel ja oder doch werden verwendet, um Staunen darüber auszudrücken, dass das Gegenteil von dem der Fall ist, was man erwartet hatte, also z.B. dass eine Person gut spielt, nicht, wie erwartet oder befürchet, schlecht.
Hat die Elisabeth aber lange Haare. | [Grad-Exklamativ] |
Gelacht haben wir vielleicht. | [Grad-Exklamativ] |
Hat der einen Bart. | [Grad-Exklamativ] |
Formtyp für alle Beispiele: Verberst-Aussagesatztyp + aufbauende Exklamativ-Formmerkmale
Zugrunde liegt ein Aussagesatztyp, allerdings die stärker markierte Verberst-Variante. Entscheidend für die Annahme dieses Satztyps ist die zum Verbzweit-Exklamativsatz (Grad-Exklamativ) parallele Partikelwahl sowie die Übereinstimmung im Funktionstyp, was die Grad-Exklamative angeht. Ähnlich wie bei den markierten Verberst-Aussagesätzen kann man hier jeweils von vollrhematischen Äußerungen ausgehen. Im Falle der Exklamative wird der explizit oder implizit graduierte Prädikatsausdruck durch Spitzenstellung des finiten Teils besonders hervorgehoben.
Dass der immer eine Stunde zu spät kommen muss.
↓
Dass du so groß geworden
bist. ↓
Dass die aber auch immer nur Turnschuhe anzieht. ↓
Dass der Kleine im
Dunkeln keine Angst hat. ↓
Hier handelt es sich um Fakt-Exklamative. Der durch den dass -Satz bezeichnete Sachverhalt gilt als unerwartet. Graduierbarkeit des Prädikatsausdrucks ist nicht erforderlich, kann jedoch – zweites Beispiel - vorliegen. Die Proposition kann negiert sein, was bei Grad-Exklamativen ausgeschlossen ist. Die Interpretation als Exklamativ wird durch den zugrundeliegenden Nebensatz-Typ gestützt: Dass -Sätze denotieren Sachverhalte. In bestimmten Kontexten werden diese zusätzlich als faktisch fundiert und wahrheitsbestimmt ausgezeichnet. Anders als bei Fakt-Exklamativen auf der Basis von V-2-Aussagesätzen bildet keine gegenteilige Erwartung den Hintergrund.
Wie / was ist der groß geworden.
↓
Wie groß ist der geworden.
↓
Was hat der für ein
Fahrrad. ↓
Wen kennt der nicht alles. ↓
Wo waren die nicht überall / alles. ↓
Wie/was der groß geworden ist.
Wie
groß der geworden ist.
Wen der alles kennt.
Wen der nicht alles kennt.
Wo die nicht überall/alles
gewesen ist.
Wieso der immer zu spät kommt.
Der Formtyp von W-Exklamativsätzen ist schwer einzuschätzen. Als Ausgangspunkt bieten sich Verbletzt-Typen an. Hier handelt es sich eindeutig um selbständige Varianten propositionsfundierter Komplementsätze mit W-Elementen. Insbesondere bei Verben wie sich wundern, staunen und bestimmten Verwendungen von glauben (Du glaubst gar nicht, ...) kommen W-Sätze vor, die einer Verbindung von dass mit deiktischem so oder D-Element entsprechen. Genau diese Verwendungsweise liegt hier verselbständigt vor. Die Parallele macht deutlich: Wie ist in diesen Sätzen im Sinn von wie sehr, in welchem Maße zu verstehen, nicht im Sinn von auf welche Weise. Siehe hierzu Fries und Rosengren.
Auch die Distanzstellung von wie wird über die Parallele zu dass erklärbar: Bei entsprechenden dass + so -Sätzen liegt auch ein Verbletzt-Einleitungselement vor, das sich in Distanz zur graduierten oder quantifizierten Phrase mit so befindet. Beim mit wie austauschbaren was, bei dem man eine idiosynkratische Entwicklung annehmen muss, ist Distanzstellung obligatorisch.
Verbzweit-Sätze sind verglichen mit Verbletzt-Typen weniger präferiert. Ohne exklamative Dehnung und verstärkende Partikel alles - oft verbunden mit Negation - werden Sätze wie Was hat der gemacht nicht exklamativ interpretiert. Nur bei wie/ was und was für ein ist ein Verbzweit-Exklamativ ohne (nicht) alles üblich. Offenbar sind Verbzweit-W-Sätze gegenüber den genannten Verbletztvarianten sekundär. Man leitet sie nicht aus zugrunde liegenden Fragesätzen ab, sondern bezieht sie auf die Verbletztsätze.