Formtypen kommunikativer Ausdruckseinheiten

Um die Darstellung möglichst überschaubar zu halten, unterscheiden wir fünf Klassen grundlegender Satztypen sowie weitere, für die Ausprägung der verschiedenen Modi kommunikativer Ausdruckseinheiten relevante Formmerkmale.

  • Satztypen, die auf grundlegenden Satztypen aufbauen
  • Formtypen für Verbletztsätze
  • Formtypen für kommunikative Ausdruckseinheiten ohne finites Verb
  • Modusrelevante Formmerkmale

Grundlegende Satztypen

Im Bereich der Formtypen kommunikativer Ausdruckseinheiten lassen sich einerseits zentrale, prototypische Ausprägungen von andererseits peripheren Ausprägungen unterscheiden. Dabei bietet es sich an, den Vollsatz mit Verberst- oder Verbzweitstellung als Prototyp solcher Ausdruckseinheiten zu betrachten. Vollsätze dieser Art weisen jeweils einen bestimmten Satztyp auf, der anhand dieser Formmerkmale zu bestimmen ist:

SatztypenVerbstellung/ Vorfeldrealisierung (Verberststellung versus Verbzweitstellung).
Verbmodus (Indikativ/ Konjunktiv versus Imperativ).
Vorkommen einer W-Phrase wie wer, wie, warum, welches Haus.
Präsenz mindestens eines Konjunktors, der eine Alternative eröffnet.

Dies sind die grundlegend modusrelevanten Formmerkmale. Wenn sie in einer bestimmten Konfiguration vorliegen, können sie direkt mit einem Funktionstyp in Verbindung gebracht werden. Auf der Grundlage dieser Merkmale können diese Satztypen unterschieden werden:

Im Folgenden werden die unmarkierten Ausprägungen des Satztyps vorgestellt. Markierte Ausprägungen, wie sie bei Aussagesatzp und Aufforderungssatz zu finden sind, werden eigensa behandelt.

Satztypen, die auf grundlegenden Satztypen aufbauen

Auf der Basis der grundlegenden Satztypen lassen sich weitere Formtypen unterscheiden, die sich durch zusätzliche Merkmale auszeichnen. In bestimmten Fällen überprägt ein Formmerkmal wie die 'Intonation' einen Satztyp derart, dass dem resultierenden Formtyp eine Variante des Funktionstyps eines anderen Modus entspricht: So werden Sätze des Aussagesatztyps durch das Formmerkmal 'steigende Intonation' so überprägt, dass der gesamte Formtyp - in der Variante 'Bestätigungsfrage' - dem Entscheidungsfragemodus zuzuordnen ist.

Sie heißen mit Vornamen Alfred?

Formmerkmale dieser Art werden hier als modusüberprägend bezeichnet. Formtypen mit modusüberprägenden Merkmalen werden jeweils bei den einzelnen zentralen Modi mitbehandelt. In bestimmten Fällen resultieren spezifische Formmerkmale jedoch in einer neuen Modusqualität. In diesen Fällen sprechen wir von modusprägenden Formmerkmalen, aus denen periphere Modi resultieren. Zu unterscheiden sind dabei:

Der Optativmodus ist weniger klar zu fassen als die übrigen Modi dicendi. Häufig wird nur der Wunschmodus als eigener Modus betrachtet (Altmann, Scholz). Der Heischemodus wird dabei als periphere Erscheinung dem Aufforderungsmodus zugeschlagen. Aus semantischen Gründen empfiehlt es sich jedoch, zwei periphere Modi anzunehmen. Charakteristisch für beide ist, dass nicht obligatorisch Adressatenbezug vorliegt und kein Handlungs- oder Verhaltenskonzept für Adressaten spezifiziert werden muss. Das unterscheidet den Optativ- vom Aufforderungsmodus. Gemeinsam ist beiden Modi der Formtyp des Verbmodus Konjunktiv.

Formtypen für Verbletztsätze

Verbletztsätze haben keinen Satztyp im hier definierten Sinne. Ihrer Struktur nach eignen sich Verbletztsätze nicht zur selbständigen Verwendung als kommunikative Ausdruckseinheiten, denn ihr Formtyp verweist für sich betrachtet auf keinen Funktionstyp. Erst ihre konventionalisierte selbständige Verwendbarkeit macht bestimmte Verbletztsatzarten zu kommunikative Ausdruckseinheiten. Die Zuordnung von Verbletzt-Sätzen zu Funktionstypen muss deshalb bei diesen selbst ansetzen: Man geht aus von den verschiedenen Funktionstypen und prüft, ob sich die jeweilige Funktion auch mittels eines Verbletztsatzes realisieren lässt. Dabei ergibt sich:

Es gibt keinen Verbletzt-Formtyp zum Aussagemodus.

Man kann dies auf den Status des Aussagemodus als Standardmodus mit dem breitesten illokutiven Spektrum zurückführen. Die Grammatikalisierung eines Verbletzt-Nebensatzes zum selbständigen Aussagesatz bietet sich nicht an, da der Bedarf nach expliziter Nennung der Standardhandlung ich behaupte, dass im Allgemeinen nicht besteht. Kommunikative Ausdruckseinheiten in Verbletzt-Form mit einleitendem dass stellen also grammatikalisierte Verkürzungen explizit performativer Formulierungen anderer, speziellerer Sprechhandlungen dar.

Verbletztsätze des Entscheidungsfragemodus werden durch den Subjunktor ob eingeleitet.

Ob wohl deshalb gute Tanzkritikerinnen und -kritiker so schwer zu finden sind, weil viele zwar den Tanz lieben, ihn im Körper tragen, aber nicht das Schreiben begehren?
(www.tanz-danse.ch/Archiv/Komnt/Kritik_99_10.htm)

Verbletztsätze des Ergänzungsfragemodus werden durch W-Phrasen eingeleitet.

Wie das nun wieder geht?
(www.taz.de/pt/2002/12/06/a0197.nf/text)
Auf wen die wohl alle warten...?
(www.carlsencomics.de/backstage/leipzig02)
Warum die Dinosaurier ins Gras bissen...
(www.kuh.at/article/articleview/899/1/7)

Verbletzt-Sätze des Aufforderungsmodus werden durch den Subjunktor dass eingeleitet.

Das Verb steht obligatorisch im Indikativ und weist die Personmarkierung 'Adressat' auf. In der Regel tritt zudem eine Partikel wie bloß, nur oder ja auf.

Klang wie eine Pflichtübung nach dem Motto 'Dass Ihr uns ja keine Vorwürfe macht! Bitte sehr, wir sind fair!'
(www.dabbel.de/invisiblemen/inv028ol.html)
Und dass ihr mir nur keine Dummheiten macht!
(www.nrw-kultursekretariat.de/programm/qadir.htm)

Auch die peripheren Modi weisen Verbletzt-Formtypen auf.

Verbletztsätze des Wunschmodus werden durch wenn oder dass eingeleitet.

Verbmodus ist der Konjunktiv Präteritum(perfekt). Meist liegt zudem die Partikel doch vor.

Wenn sie doch bloß nicht so unglaublich arrogant wäre.
(www.digimusik.de/forum/messages/6.html)
Wenn ich doch nur die Kraft hätte, Peter!
(Domenica in SDR 3 Leute 1994)

Und tausendmal verfluch' ich: Daß dich verschlingen mag das Meer, Dein brennend Haus dich töten! Daß breche dein Gebein der Leu, Dein Blut der Tiger lecke!
(Annette von Droste-Hülshoff: Bajazet. In: Digitale Bibliothek 1: Deutsche Literatur, 8089)

Verbletztsätze des Exklamativmodus sind dass-Sätze oder werden durch W-Phrasen eingeleitet.

Wie alle Exklamativsätze haben sie in der Regel eine spezielle semantische Struktur und ein spezielles Akzentmuster.

Darf dat dat? Dat darf dat! Dat dat dat darf! - Darf die das? [Die darf das! Dass die das darf!]
(www.koelnjournal.de/dialekt/dia_a.htm)
Wen Du nicht alles so kennst in Deinem Job...
(www.f17.parsimony.net/forum29780/messages/14178.htm)
Und was der für Hände hatte.
(Jutta Richter (2000): Der Tag, als ich lernte die Spinnen zu zähmen. München)

Da die Gemeinsamkeit zwischen den Funktionstypen solcher Verbletztsätze und den Satztypbedeutungen entsprechender Satztypen des gleichen Modus nicht auf die Annahme eines gemeinsamen Satztyps zurückzuführen ist, muss sie eigens erklärt werden auf der Basis der strukturellen Bedeutung der jeweiligen Verbletztsätze. Selbständig verwendbare Verbletztsätze sind dabei von kontextuellen Ellipsen, also nur im Text/ Diskurs vollständigen Äußerungen, zu unterscheiden: Sie können ohne direkte situative/ textuelle Einbindung verwendet werden und können wie andere kommunikative Minimaleinheiten die modusspezifischen Partikeln enthalten.

Oft werden auch Verbletztsätze als kontextuelle Ellipsen eingeschätzt, weil sie in einen zu ergänzenden übergeordneten Satz eingebettet werden können. So kann der Verbletzt-Fragesatz Ob er wohl kommt? ergänzt werden zu Ich frage mich, ob er (wohl) kommt. Der Verbletzt-Wunschsatz Wenn er doch käme! kann ergänzt werden zu Ich wäre froh, wenn er (*doch) käme.

Hier dient jedoch - anders als bei echten Ellipsen - der konstruierte übergeordnete Satz nur zur Verdeutlichung des illokutiven Typs und nicht dazu, ihn erst zu bestimmen.

Formtypen für kommunikative Ausdruckseinheiten ohne finites Verb

Auch nicht-finite kommunikative Ausdruckseinheiten können Modi zugeordnet werden. Allerdings reichen hier strukturelle Formmerkmale nicht hin. Meist muss zur Verdeutlichung des Modus auf intonatorische Mittel zurückgegriffen werden.

Nicht-finite kommunikative Ausdruckseinheiten im Aussagemodus

Sie finden sich vorzugsweise in Schlagzeilen der Tagespresse, Bildunterschriften und Laufschriften auf elektronisch gesteuerten Anzeigetafeln.

Keine Einigung im Streit um das Dosenpfand
Krisengipfel statt Reformdebatte in Berlin ↓
(die tageszeitung 30. 5. 2003, 1)

Nicht-finite kommunikative Ausdruckseinheiten im Entscheidungsfragemodus

Ein neues Kapitel in den deutsch-sowjetischen Beziehungen ↑
(Heute Journal Spezial 13.6.1989)
Alles in Ordnung!

Nicht-finite kommunikative Ausdruckseinheiten im Aufforderungsmodus

Ab ins Bett!
Alle mal herhören, ↓ auch die, die schwerhören!↓
(Erich Kästner)

Nicht-finite kommunikative Ausdruckseinheiten im Exklamativmodus

Was für ein Schauspiel!
Die und aufräumen …

Bei nicht-finiten kommunikativen Ausdruckseinheiten mit infiniter Verbform (Infinitiv oder Partizip) spielt neben der Intonation das Vorhandensein und die Realisation des Subjekts eine Rolle: Ist kein Subjekt vorhanden oder weist es Adressatenbezug auf, liegt eine Interpretation als Aufforderungsausdruck nahe. Ist in Verbindung mit einem Partizip II das Subjekt realisiert, kann Aussage-, Entscheidungsfrage- oder Exklamativmodus vorliegen.

Tibeter an China ausgeliefert
(die tageszeitung 2.6.2003, 12)
Tropenwald-Zerstörung ungebremst
(Spiegel 12.4.1993, 192)

Welcher Modus hier jeweils vorliegt, ist nur auf Grund des Intonationsverlaufs oder - in Schriftform - anhand von Satzzeichen zu entscheiden:

  • Fehlen eines abschließenden Satzzeichens signalisiert Aussagemodus;
  • Fragezeichen signalisieren Entscheidungsfragemodus;
  • Ausrufezeichen signalisieren Exklamativmodus.

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Autor(en)
Bruno Strecker
Bearbeiter
Elke Donalies
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