Wunschmodus

Wünsche sind wie Aufforderungen auf Sachverhalte ausgerichtet, die aus der Sicht des Sprechers als erstrebenswert gelten, doch unterbleibt, anders als bei Aufforderungen, eine Auftragserteilung an den Hörer, weshalb Wünsche zum einen nicht ausdrücklich zu adressieren sind, zum andern nicht auf Sachverhalte beschränkt bleiben müssen, die prinzipiell herbeigeführt werden können. Wünsche wie diese sind deshalb formal wie in der Sache akzeptabel:

Wenn du doch nur etwas klüger wärst!
Wäre es doch nur nicht so heiß!
Hätte es diesen verfluchten Krieg doch nie gegeben!

Der Formtyp des Wunschmodus hat eine Verberst- und eine Verbletzt-Variante. Die Verberst-Variante kann dabei als Überprägung der Entscheidungsfrage verstanden werden:


Verberst-Formtyp des WunschmodusVerberst-Stellung
Verbmodus = Konjunktiv Präteritum(perfekt)
kongruente Intonation: Grenztonmuster fallend
Verbletzt-Formtyp des WunschmodusVerbletzt-Stellung
Verbletzt-Einleitungswort = dass, wenn
Verbmodus = Konjunktiv Präteritum(perfekt)
kongruente Intonation: Grenztonmuster fallend


Ob dem Wunschsatz ein charakteristisches intonatorisches Muster zugewiesen werden kann, ist nicht geklärt. Das gilt insbesondere für das Verhältnis zum Exklamativakzent. Nach Scholz 1987 wird der Akzent im Wunschmodus wie im Exklamativmodus durch ein Gipfeltonmuster realisiert, auch Längung/ Dehnung der Nukleussilbe ist apparativ beobachtet, wird jedoch beim Exklamativmodus stärker empfunden als beim Wunschmodus. Beide expressiven und nicht-adressatenorientierten Modi weisen somit in einigen Zügen vergleichbare Intonationsstruktur auf.

Der funktionale Zusammenhang zwischen Wunschmodus und Entscheidungsfragemodus, auf dessen Satztyp der Formtyp aufbaut, ist nicht nachzuvollziehen. Eine Verbindung zeigt sich möglicherweise über den Verbletzt-Typ, der typischerweise durch konditionales wenn eingeleitet wird. Auch Konditionalsätze können nach dem Entscheidungsfragesatztyp gestaltet sein:

Erscheint die Bibliographie noch diesen Monat, bin ich vollauf zufrieden.
Erschiene die Bibliographie noch diesen Monat, wäre ich vollauf zufrieden.

Semantisch gemeinsam sind dem Vordersatz eines Konditionalgefüges und dem Entscheidungsfragesatz die Offenheit des Gesagten: In beiden Fällen fehlt der Anspruch auf Wahrheit. Auch im Wunschmodus wird kein Anspruch auf Wahrheit erhoben: 'So möge es sein, doch sage ich nicht, dass es so zu sein hat'.

Schnier, hätten Sie's doch beim Konkubinat gelassen.
(Böll 1963, 154)

Er schwieg auf eine Weise, die mir auszudrücken schien: täte sie es doch, sagte dann, an seiner Zigarette herumschmatzend: Sie war nicht Ihre Frau, und Sie haben nicht sieben Kinder miteinander.
(Böll 1963, 112)

Anstelle des Konjunktiv Präteritum kann auch eine würde-Form auftreten, wobei zu beachten ist, dass die Konjunktiv-Präteritum-Formen der schwachen Verben mit den Indikativformen zusammenfallen. So hat ein Satz wie der folgende potenziell drei Lesarten.

Arbeitete er nur!
  1. Entscheidungsfragesatz im Konjunktiv Präteritum
  2. Entscheidungsfragesatz im Indikativ Präteritum
  3. Wunschsatz


Frageintonation sowie weitgehend unterschiedlicher Partikelgebrauch und divergierende Verwendungskontexte disambiguieren die Lesarten.

Von Aufforderungssätzen mit Distanz- oder Adhortativform, die auch den Stellungstyp 'Verberst' haben, unterscheiden sich Wunschsätze verbmorphologisch:

Kommen Sie/wir nur!
Kämen Sie/wir nur!

Problematisch ist die Abgrenzung gegenüber bestimmten Exklamativsätzen. Verberst-Exklamativsätze und vergleichbare Wunschsätze unterscheiden sich im Wesentlichen nur durch den obligatorischen Partikelgebrauch:

Exklamativsätze

Gingen die aber schnell!
Wäre das vielleicht ein Erfolg!

Wunschsätze

Gingen die doch wenigstensschnell!
Wäre dasdoch nur ein Erfolg!

Einschlägig sind hier die Abtönungspartikeln doch, nur, bloß, die Gradpartikel wenigstens sowie die Kombinationen doch + nur, bloß, wenigstens und einfach mal. Verbletzt-Wunschsätze werden in der Regel durch wenn, seltener durch dass eingeleitet.


Konjunktiv Präteritum ist prototypisch für Wunschsätze. Daneben finden sich aber auch standardisierte Fügungen im Indikativ. Sie enthalten die Partikeln nur oder bloß und eventuell einen Negationsausdruck.

Konjunktiv Präteritum

Wenn ich bloß schon zu Hause wäre!

Indikativ

Wenn sie sich nur nicht übernimmt!


Temporal nicht unterschieden sind Konjunktiv Präsens (Heischesatz) und Konjunktiv Präteritum (Wunschsatz) sowie Konjunktiv Präsensperfekt (Heischesatz) und Konjunktiv Präteritumperfekt (Wunschsatz). Bei Wunschsätzen im Konjunktiv Präteritum überschneiden sich Sprechzeit und Betrachtzeit beziehungsweise ragt die Betrachtzeit in die Zukunft der Sprechzeit. Bei Wunschsätzen im Konjunktiv Präteritumperfekt ist die Sprechzeit in der Regel Orientierungszeit, relativ zu der die Aktzeit in der Vergangenheit liegt. Dass keine normale Präteritumbedeutung vorliegt, zeigt sich daran, dass bei Erzählungen im Präteritum ein Wunsch im Konjunktiv Präteritum nicht auf die Sprechzeitvergangenheit, sondern auf die Sprechzeitgegenwart bezogen wird.


Gestern traf ich meine Kusine.
Sie sah sehr schlecht aus.
Ach, wäre sie doch nicht so blaß gewesen.
Ach, wäre sie doch nicht so blaß.
Sprechzeitvergangenheit/ Erzählzeitebene
Sprechzeitgegenwart

Von der Relation zwischen Sprechzeit und Betrachtzeit hängt entscheidend ab, ob ein Wunsch prinzipiell erfüllbar ist.

  • Liegt die Betrachtzeit vor der Sprechzeit - so beim Konjunktiv Präteritumperfekt - ist der Wunsch nicht erfüllbar.
Wärst du doch nicht durch die Prüfung gefallen.
  • Überlappt die Betrachtzeit mit der Sprechzeit - beim Konjunktiv Präteritum von Prädikatsausdrücken mit reiner Zustandsbedeutung und ohne Signalisierung einer Betrachtzeitverlagerung in die Zukunft -, ist der Wunsch nicht erfüllbar.
Wäre ich doch glücklich.
Könntest Du mich doch nur verstehen.
  • Wird die Betrachtzeit erkennbar - etwa durch ein Zeitadverbiale - in die Zukunft verlagert, gilt potenzielle Erfüllbarkeit auch bei reinen Zustandsprädikaten. Häufig wird dieser Zukunftsbezug auf die Verwendung von würde zurückgeführt. Dies ist jedoch irreführend, da auch die Konjunktiv-Präteritum-Umschreibung mit der würde -Form ohne das Indiz eines Zeitadverbiales hier in der Regel als gegenwartsbezogen verstanden wird.
Würde der doch wenigstens morgen nicht hier parken!
Würde der doch wenigstens nicht hier parken.
  • Liegt die Betrachtzeit ganz oder teilweise nach der Sprechzeit - häufig beim Konjunktiv Präteritum von Prädikatsausdrücken mit der Bedeutung einer Zustandsveränderung auch ohne explizit zukunftsbezogenes Adverbiale -, kann der Wunsch noch als erfüllbar gelten. Bei solchen Prädikatsausdrücken liegt die erwünschte Zustandsveränderung stets in der Sprechzeitzukunft. Während der Ausgangszustand mit der Realität, wie sie zur Sprechzeit vorliegt, vereinbar ist, ist das Ergebnis der Zustandsveränderung zum Sprechzeitpunkt nicht erfüllt.
Würde Hans doch gesund!
Käme Hans doch jetzt nach Hause!

In den ersten Fällen wird oft von Irrealis gesprochen, im letzten Fall von Potentialis. Für Irrealis wie Potentialis gilt die Gebrauchsbeschränkung für den Konjunktiv Präteritum in Modalitätskontexten.

Mit dem Wissen des Sprechers ist stets vereinbar, dass Erwünschtes nicht der Fall ist. Im Irrealis wird dies - wie meist beim Konjunktiv Präteritum - verschärft zur Unvereinbarkeit mit dem, was man über Vergangenheit und Gegenwart weiß. Im Potentialis unterbleibt die Verschärfung. Wird dabei Künftiges erwünscht, bleibt oft eine negative Perspektive erhalten.

Wenn er bloß morgen nicht zu spät kommt!

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Autor(en)
Bruno Strecker
Bearbeiter
Elke Donalies
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