Tempus

Wie die Bezeichnung Tempus verrät, handelt es sich um ein System zur Erfassung zeitbezogener Informationen (lateinisch tempus 'Zeit'), mit denen im Rahmen sprachlicher Mitteilungen die zeitliche Einordnung und der zeitliche Ablauf von Ereignissen und Zuständen zu leisten ist.

Nun ist Zeit keine Erscheinung, die auf den deutschen Sprachraum beschränkt ist, und der Erfahrung, dass die Zeit vergeht und nie wirklich zurückkehrt, kann sich niemand entziehen, weshalb man vermuten könnte, dass für ein spezifisch deutsches System, mit Zeit umzugehen, wenig Spielraum bleibt. Aber das hieße die Logik der Zeit verwechseln mit der Art und Weise, in der eine Sprache ihr Rechnung trägt.

Für den Umgang mit zeitbezogenen Informationen stehen im Deutschen verschiedene Mittel zur Verfügung. Eines dieser Mittel ist die Flexion der zentralen Ausdruckseinheit des Verbs, deren zeitbezogener Aspekt unter der Bezeichnung Tempus systematisiert wird. Hier eine Reihe von Beispielen, die sich in diesem Aspekt unterscheiden:

Die Tomaten wachsen prächtig.
Die Tomaten wuchsen prächtig.
Die Tomaten werden prächtig wachsen.
Die Tomaten sind prächtig gewachsen.
Die Tomaten waren prächtig gewachsen.
Die Tomaten werden prächtig gewachsen sein.

An diesen Beispielen zeigt sich zum einen, welchen Unterschied die Wahl der Tempusformen macht, zum andern, was Tempusformen nicht leisten.

  • Die Tempusform ordnet den festgestellten Sachverhalt relativ ein zum Zeitpunkt der Äußerung (der Sprechzeit) bzw. einer zuvor ausdrücklich eingeführten Zeit (der Orientierungszeit).
  • Die Tempusform bestimmt nicht, wann ein Ereignis stattgefunden hat, stattfindet oder stattfinden wird. Sie erlaubt keine indirekte Bestimmung dieses Zeitpunkts (der Ereigniszeit), wie sie etwa mit gestern oder letztes Jahr möglich wird, wenn die Sprechzeit bekannt ist.

Formenbestand des deutschen Tempussystems

Der Formenbestand des deutschen Tempussystems ist mit der Sprache gegeben, nicht jedoch seine Einteilung in bestimmte Klassen, die sogenannten Tempora. In dieser Frage haben uns neuere Untersuchungen dazu geführt, von der traditionellen, am Latein orientierten Einteilung in Präsens, Imperfekt, Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I und Futur II abzuweichen. Der Verlust an Vertrautem mag das Neue auf den ersten Blick schwer verständlich scheinen lassen, doch bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die hier gewählte Einteilung eine dem Deutschen angemessenere Darstellung der Bedeutung der Tempora erlaubt.

Das deutsche Tempus-System, so wie es hier erfasst wird, kennt drei einfache Tempora:

  • Präsens (Präsensstamm + Person-/ Numerus-Endungen)
  • Präteritum (Präteritumstamm + Person-/ Numerus-Endungen)
  • Futur (werden, Präsensstamm + Infinitiv)
    Das Futur hat zwar einen komplexeren Ausdruck (wachsen werden), seiner Bedeutung wegen kann es aber als einfaches Tempus gelten.

Aus der Kombination dieser Tempora mit dem Infinitiv Perfekt ergeben sich drei zusammengesetzte Tempora:

Literatur in Auswahl

Leirbukt 2004; Thieroff 2004; Welke 2005; Rothstein 2007; Vater 2007; Rothstein 2011.

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Autor(en)
Bruno Strecker
Bearbeiter
Elke Donalies
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