Fragemodus
Unter Fragemodus werden verschiedene Modi zusammengefasst, die bei der Ausführung des Fragens verwendet werden. Funktional ist ihnen gemeinsam, dass sie - wie Einheiten im Aussagemodus - Propositionen unter dem Aspekt ihres Zutreffens zum Ausdruck bringen, jedoch nicht festlegen, ob sich die Dinge auch wie ausgesagt verhalten. Formal ist ihnen gemeinsam das steigende, jedoch nicht obligatorische Grenztonmuster sowie die satzeinleitende Position (Vorfeld/linke Klammer).
Der Funktionstyp aller Fragemodi wird bestimmt durch diese Wissensqualität:
Wissensstatus | So ist es. |
Verpflichtungsqualität | Das sage ich nicht. |
Zu unterscheiden sind vor allem drei Formen:
- Entscheidungsfrage
- Ergänzungsfrage
- Alternativfrage
Hinzukommen drei aufbauende Formen:
- Bestätigungsfrage
- Nachfrage
- Rückfrage
Und ein Sonderfall:
- Rhetorische Frage
Entscheidungsfrage
Bestimmt wird er außerdem durch die Art der vorgebrachten Proposition, nämlich erstens ohne Argumente, die offenlassen, worum es sich dabei handelt, und deshalb mittels W-Phrasen auszudrücken wären, und zweitens ohne Konnexionen, die Auswahlmöglichkeiten eröffnen würden. Eine typische Entscheidungsfrage ist:
Siehe weiter Entscheidungsfragesatz.
Ergänzungsfrage
Die Wissensqualität von kommunikativen Ausdruckseinheiten im Ergänzungsfragemodus ist dabei prinzipiell dieselbe wie beim EntscheidungsfragemoduVerschieden ist, was der Hörer nach Intention des Sprechers leisten soll: Er soll nicht Stellung nehmen zu der Proposition, wie sie vorgebracht wird, sondern sie im Aussagemodus durch eine Proposition ersetzen, in der nichts offen bleibt, was zunächst offen war.
Siehe weiter Ergänzungsfragesatz.
Alternativfrage
Aus formaler Sicht eher dem Entscheidungsfragemodus verwandt, semantisch jedoch eher von der Art des Ergänzungsfragemodus ist der Alternativfragemodus.
(die tageszeitung 21.10.1989, 33)
Was soll ich jetzt über Funkzeugnisse oder Pilotenscheine diskutieren?
(Züricher Tagesanzeiger 10.2.1998, 12)
Nach Intention des Sprechers soll der Hörer bei solchen Fragen eine der angebotenen Teilpropositionen im Aussagemodus übernehmen und ins gemeinsame Wissen einbringen.
Siehe weiter Alternativfragesatz.
Bestätigungsfrage
Bestätigungsfragen sind ihrer Form nach Aussagesätze.
Sie können auch aussagespezifische Partikel enthalten wie wohl oder Kombinationen wie doch wohl nicht etwa, die sonst in Fragesätzen nicht auftreten.
Ihr Formtyp setzt sich so zusammen:
Aussagesatztyp + überprägende Frageintonation
Bestätigungsfragen sind - anders als Nach- oder Rückfragen - kontextuell verhältnismäßig selbständig. Sie müssen nicht im Wortlaut mit Vorgänger-Äußerungen übereinstimmen.
Aus funktionaler Sicht sind Bestätigungsfragen eine Variante der Entscheidungsfragen. Bestätigungsfragesätze sind das prototypische Beispiel für die Überlagerung assertiver Strukturen durch Frageintonation. Dies ist jedoch ganz generell möglich, etwa auch bei analeptischen Äußerungen.
B: Das mit dem Schiebedach? ↑
oder
B: Mit dem ich dich zum Tennisplatz habe fahren sehen? ↑
Nachfrage
Nachfragen, auch Echofragen genannt, weisen ein spezielles Intonationsmuster auf. Die Nukleussilbe der Phrase mit fokussierender Funktion, zum Beispiel das W-Wort, trägt den Gewichtungsakzent; das Tonmuster steigt im Bereich der Nukleussilbe stark an und verläuft in der Regel steigend-steigend.
Nachfragen können sich an Vorgänger-Äußerungen jeder Art anschließen.
B:
Den Wagen habt ihr schon 1992 gekauft? ↑↑
Schon 1992? ↑↑
Den Wagen habt ihr schon 1992 gekauft? x↑↑
Ihr habt den Wagen wann gekauft? ↑↑
A: Bring mir zwei Tafeln Schokolade mit. ↓
B:
Was soll ich dir mitbringen? ↑↑
Ich soll dir was mitbringen? ↑↑
Für Nachfragen gelten eine Reihe syntaktischer Besonderheiten, die teilweise als Reflex ihrer speziellen handlungsbezogenen Funktion zu werten sind.
W-Phrasen deuten auf Nicht-Verstehen, rein intonatorische Markierung auf Verständnisunsicherheit hin. Nachfragen ohne lexikalische Markierung zeigen Übergänge zu den Rückfragen, vor allem, wo es weniger um Verständnisunsicherheit als Zweifel oder Erstaunen geht.
Siehe vertiefend Nach- und Rückfrage.
Rückfrage
Rückfragen nehmen unter den Fragesätzen eine Sonderstellung ein: Sie übernehmen - meist unter Anpassung der Kommunikanten-Pronomina - wörtlich Voräußerungen wieder auf und heben sie durch deutliche Frageintonation (steigendes Grenztonmuster) von den reinen Wiederholungen ab. Da als Voräußerungen kommunikative Ausdruckseinheiten beliebiger Art in Frage kommen, können in Rückfragesätzen Formtypen beliebiger Modi auftreten.
B: Die Spanier kochen hervorragend? ↑
A: Ihr seht wirklich müde aus. ↓
B: Wir sehen wirklich müde aus? ↑
Wie kann man so etwas behaupten!
Zusätzlich zur Frageintonation unterscheiden sich Rückfragen von ihren Bezugsäußerungen meist deutlich durch weitere intonatorische Merkmale wie Gewichtungsakzent oder Lautstärke.
Rhetorische Frage
Wenn ein Sprecher die Tendenz der Antwort implizit bereits mit der Frage vorgibt, stellt er auch vermittels der Sequenz 'rhetorische Frage -> nahegelegte Antwort' indirekt eine Behauptung auf. Indirekte Behauptung und formulierte Frage können in folgenden Verhältnissen zueinander stehen.
- Die indirekte Behauptung ist eine verneinte Entsprechung zu einer positiv formulierten Entscheidungsfrage.
- Die indirekte Behauptung ist ein affirmiertes Pendant zu einer negativ formulierten Entscheidungsfrage.
- Die indirekte Behauptung ist Pendant zu einer Ergänzungsfrage und enthält an Stelle der W-Phrasen negierte Indefinit-Ausdrücke oder Quantifikativausdrücke, etwa niemand, keiner, nirgendwo, nie.
- Die indirekte Behauptung enthält einen qualifizierenden Ausdruck anstelle des Frageausdrucks in einer Ergänzungsfrage. Die Art dieses Ausdrucks ist kontextabhängig.
Typ | Frage | nahegelegte Antwort |
1. | Aber soll ich vielleicht stundenlang am Tisch sitzen bleiben,
nichts tun und warten, ob der Herr Sohn vielleicht noch etwas von mir will?
(www.kolik.at/archiv.php?ausgabeid=12&textid=62) | Nein. |
2. | Sind wir nicht alle etwas verrückt? (f17.parsimony.net/forum30397/messages/3413.htm) | Doch, sind wir. |
3. | Schule macht Spaß - aber wer kann schon jeden Tag Spaß vertragen?
(http://home.t-online.de/home/de.meissner/cool.htm) | Keiner. |
4. | Wann werden wir endlich von Röber erlöst? (www.blutgraetsche.de/he/00200120010909.php) | Hoffentlich bald. |
Die nahegelegte Antwort, die indirekte Behauptung ergibt sich allerdings nicht schematisch nach solchen Umdeutungstypen. Sie beruht auf Einschätzungen oder Bewertungen von Sachverhalten, die für die Interaktionspartner gleichermaßen gelten. Oft liegen stereotype Annahmen über Wünschenswertes oder Abzulehnendes zugrunde.
Es gibt keine speziellen rhetorischen Fragesatztypen. Die verwendeten kommunikativen Ausdruckseinheiten unterscheiden sich formal allenfalls hinsichtlich des Partikelgebrauchs von anderen Fragesätzen. So können Ergänzungsfragesätze mit der Abtönungspartikel schon nur zu rhetorischen Fragen gebraucht werden.
Wer kennt schon Warmbronn?
Auf wen nimmt der schon Rücksicht?
Zu beachten ist hier, dass die eindeutig rhetorisierende Partikel schon wohl nur in rhetorischen Fragen des Umdeutungstyps (3) steht, während sie in (1), (2), aber auch (4) ausgeschlossen ist.
Wer eine rhetorische Frage stellt, hat in der Regel nicht die Absicht, den Hörer zu Wort kommen zu lassen, doch eine Antwort seitens des Hörers ist möglich. Hat der Sprecher tatsächlich gemeinsame Einschätzungen angesprochen, wird die Antwort in seinem Sinn ausfallen, doch ist nie ausgeschlossen, dass eine rhetorische Frage wie eine gewöhnliche Frage aufgenommen wird - sei es aufgrund eines Mißverständnisses oder einfach deshalb, weil Hörer nicht bereit sind, sich in dieser Weise vereinnahmen zu lassen.
Rhetorische Fragen werden in öffentlicher Rede und im lebhaft geführten privaten Diskurs als Stilmittel eingesetzt, um mit besonderem Nachdruck auf einen Sachverhalt hinzuweisen. Den emphatischen Charakter kann in rhetorischen Fragen des Typs (1) und (2) die Abtönungspartikel vielleicht unterstreichen.
Auch nicht-finite kommunikative Ausdruckseinheiten können als rhetorische Fragen verwendet werden.
Immer nur arbeiten? Das bringt ja doch nichts.
Zu nennen sind auch standardisierte rhetorische Formeln wie
Warum (auch) nicht?
Wo käme man denn da hin?
Was soll's?
Wer ist schon xy?
Wo denken Sie hin?
Bin ich vielleicht xy?