Aussagemodus

Wie alle Modi kommunikativer Ausdruckseinheiten ist der Aussagemodus zu verstehen als eine Verbindung bestimmter Formtypen mit bestimmten Funktionstypen.

Die für den Aussagemodus einschlägigen Formtypen werden ausführlich dargestellt in der Einheit Aussagesatztyp und den damit verbundenen Vertiefungseinheiten. Diese Einheit hat den Funktionstyp des Aussagemodus sowie sein Zusammenspiel mit den für diesen Modus typischen und weniger typischen Formtypen zum Gegenstand.

Gemeinsam ist allen kommunikativen Ausdruckseinheiten im Aussagemodus, dass sie nach dem Willen der Sprecherschreiber Propositionen als zutreffend - oder auch nicht zutreffend - in das gemeinsame Wissen der Personen einbringen, die an der Kommunikation beteiligt sind.

Unter den vielfältigen Handlungszwecken, die dem Aussagemodus zuzuordnen sind, bilden Aussagen und Festlegungen aufgrund ihrer unterschiedlichen Wissensqualität die beiden Haupttypen.

Aussagen

Bei Aussagen hängt es nicht vom Vollzug der Sprechhandlung ab, dass 'es so ist, dass p'. Auf den Sachverhalt, der so ist, kann prinzipiell als vorfindlich z. B. mit gestischen Mitteln verwiesen werden. Vorfindliches und Gesagtes 'korrespondieren' miteinander im Falle der Wahrheit der Aussage, oder sie 'korrespondieren' nicht.

Festlegungen

Bei zukunftsbezogenen Festlegungen wie den so genannten Kommissiven, also beim Versprechen und bei der Zusage, wird ausschließlich auf diesen Aspekt eines künftigen 'so ist es' abgehoben: Dass mit Kommissiven eine spezielle Verbindlichkeit für den Sprecher bezüglich des Herbeiführens dieses Sachverhaltes einhergeht, wird nicht durch den KMmodus verdeutlicht, sondern durch eine spezielle Sprachmittelkombination aus sprecherbezogenem Subjekt, Handlungsverb, Indikativ Präsens oder Futur, zum Beispiel Morgen helfe ich dir.

Die expressive Qualität bestimmter Sprechhandlungen wie Lob oder Tadel wird nicht durch modusbezogene Mittel kenntlich. Sie alle haben insofern den Charakter von Aussagen. Die Wahl von Wertprädikatoren verbunden mit intonatorischen Mitteln der Expressivität gibt hier den Ausschlag für eine bestimmte illokutive Qualität. Auch Bekundungen von Empfindungen werden als Aussagen formuliert. In diesem Fall wird der Aspekt des 'so verhält es sich' nicht zur Bestreitung freigegeben.

Ich finde, dass dieser Wein nach Korken schmeckt.
Meinem Eindruck nach schmeckt dieser Wein nach Korken.

Bei allen zukunftsbezogenen Aussagen ist das 'So verhält es sich' ein Wechsel auf künftiges Zutreffen.

Morgen schneit es.
Morgen wird's schneien.


Der Fall der Kommissive kann verallgemeinert werden zu folgendem Prinzip:

Prinzip der handlungsbezogenen Deutung

Wird ein Sachverhalt im Aussagemodus als vorfindlich ausgegeben und entspricht dies zunächst nicht der Wirklichkeit oder ist nicht abzusehen, dass es in der Zukunft der Wirklichkeit entsprechen wird, so sind aus der Sicht des Sprechers handlungsbezogene Konsequenzen angezeigt, über die der Sachverhalt Teil der Realität wird.

Anhand dieses Prinzips ergeben sich etwa in diesen Fällen neben der "prima facie"-Interpretation als Assertion handlungsbezogene Interpretationen folgender Art:


Kommissive Interpretation als Zusage, VersprechenMorgen repariere ich das Garagentor.
Interpretation als AufforderungDu putzt dir jetzt die Zähne!
Interpretation aus Normsetzung/ ObligationssetzungDu sollst nicht ehebrechen.


In manchen Fällen wird durch Verwendung bestimmter Partikeln die handlungsbezogene Interpretation besonders nahe gelegt oder gar klargestellt. Die Partikeln ruhig, mal werden in Verbindung mit den Modalverben können und sollen so gebraucht:

Sie können ruhig eine rauchen.
Du könntest mal einen Kaffee machen.

Anders als Aufforderungen mittels kommunikativer Ausdruckseinheiten im Aufforderungsmodus kann jedoch der Hörer in seinen Reaktionen hier stets auf den vorliegenden Aussagemodus rekurrieren und etwa antworten:

Nein, kann ich nicht. Ich muss erst den Rasen mähen.

Das Prinzip der handlungsbezogenen Deutung gilt für einen Teilbereich der im Aussagemodus ausgedrückten Festlegungen, nämlich für Kommissive und bestimmte Direktive. Verallgemeinert ist es auch Schlüssel zum Verständnis der übrigen Festlegungen, bei denen das Gesagte allein durch die unter regulären Umständen vollzogene Äußerung zu einer sozialen Tatsache wird. Dies gilt für

  • Explizit performative Äußerungen
  • Deklarationen

Explizit performative Äußerungen

Mit solchen Äußerungen wird das Versprechen als intersubjektive Tatsache etabliert.

Ich verspreche dir, morgen zu kommen.

Explizit performative Äußerungen können in folgender Weise gestaltet sein:


Aktiv 1. Person Singular oder Plural Präsens eines Verbum dicendi (außer sagen, äußern, sprechen, reden
Ich bitte Sie, ...
Wir bitten Sie, ...
Passiv2. Person Singular oder Plural/ Distanzform des Verbs im Präsens (werden-Passiv mit Subjekt)
Sie werden gebeten, ...
Du wirst gebeten, ...
3. Person Singular des Verbs im Präsens (subjektloses werden-Passiv)
Es wird darum gebeten, ...


Derart gestaltete Sätze können auch zu Assertionen verwendet werden. Sie verweisen dann nicht auf den Vollzug der benannten Sprechhandlung, sondern beschreiben behauptend, dass der Vollzug stattfindet. Die Verwendung des Ausdrucks hiermit legt eine Äußerung eindeutig auf die performative Lesart fest. Die Verwendung der Partikeln doch, ja, schon und wohl schließt performative Interpretation aus. Hingegen sind die Partikeln halt, eben und mal mit beiden Lesarten verträglich.

Deklarationen

Das Diktum 'Es ist so, dass der Sprecher die Sitzung eröffnet', korrespondiert mit der Tatsache, die durch eben diese Sprecherhandlung geschaffen wird.

Hiermit eröffne ich die Sitzung.
Ich taufe dieses Schiff auf den Namen Marie Louise.

Die wichtigste Gruppe der Deklarativa sind solche institutionell abgesicherten Handlungsformen, mit denen in die wirkliche Welt eingegriffen wird. Daneben gibt es auch Deklarationen, mit denen eine spezifische, mehr oder weniger fiktionale Welt eingerichtet werden kann, so etwa bei Rollenspielen von Kindern, in denen Sätze wie diese geäußert werden:

Du bist jetzt die Prinzessin.

Wird der fiktionale Status stärker reflektiert, kann es stattdessen auch heißen:

Du wärst jetzt die Prinzessin.

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Autor(en)
Bruno Strecker
Bearbeiter
Elke Donalies
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