Syntaktische Funktionen der Nebensätze

Nebensätze übernehmen ähnlich wie Nominalphrasen oder Präpositionalphrasen syntaktische Funktionen in komplexeren Ausdruckseinheiten. Sie können in diesen als Komplemente oder Supplemente fungieren. Im Hinblick auf den Obersatz stellen sie dabei primäre oder sekundäre Komponenten dar. Bei den sekundären Komponenten bilden Attributsätze den Kernbereich. Es gibt eine Korrelation zwischen den semantischen Grundtypen und den syntaktischen Funktionen der Nebensätze.

Komplementsätze

Als Komplemente fungieren in erster Linie Termsätze. Sie werden durch Subjunktoren dass und ob sowie W-Elemente eingeleitet oder erscheinen als nicht-eingeleitete Verbzweitsätze. Sie können Verbkomplemente sein, also primäre Komponenten des Satzes bilden. Dabei handelt sich um verschiedene Typen von Termkomplementen und das Prädikativkomplement:

(1) Dass man eine besonders hohe Produktqualität verlangt, ist bei diesem Preis durchaus legitim. (Subjekt)
(2) Man fragt sich, ob das seine Richtigkeit hat. (Akkusativkomplement)
(3) Wem viel gegeben wurde, kann viel genommen werden. (Dativkomplement)
(4) Er bezichtigte uns, wir hätten ihn betrügen wollen. (Genitivkomplement)
(5) Wir hoffen, dass wir bald gehen können. (Präpositivkomplement)
(6) Er bleibt, was er schon immer war - ein Volksverhetzer. (Prädikativkomplement)

Termsätze können auch Komplemente zu Nomina und Adjektiven sein, also sekundäre Komponenten des Satzes:

(7) Die Tatsache, dass Versprechen seltener gehalten als gegeben werden, ist nicht überraschend. (vgl. Attributsätze)
(8) Ich war mir nicht sicher, was mit dieser Behauptung gemeint war.

Als Verbkomplemente können am Rande auch Adverbialsätze fungieren. Es handelt sich dann in der Regel um Adverbialkomplemente wie in (9)-(11) und nur sehr selten um Termkomplemente wie in (12):

(9) Er wohnt, wo früher die Schmidts gewohnt haben. (Situativkomplement)
(10) Ich will fahren, wo du hingefahren bist. (Direktivkomplement)
(11) Soweit das Auge reicht, erstrecken sich Felder. (Dilativkomplement)
(12) Es ist gut, wenn er kommt. (Subjekt)

Supplementsätze

Als Supplemente fungieren in erster Linie Adverbialsätze. Sie werden dabei durch Subjunktoren oder W-Elemente eingeleitet. Sie sind meist satzbezogen oder verbgruppenbezogen und bilden somit primäre Komponenten des Satzes:

(13) Das Sportfest fiel aus, weil es den ganzen Tag regnete. (satzbezogen)
(14) Er unterhielt sich mit Leuten, wie er es von früher her gewohnt war, nämlich ganz locker und gelöst. (verbgruppenbezogen)

Daneben können bestimmte, vor allem temporale Subjunktorsätze vom semantischen Grundtyp Adverbialsatz als Supplemente in Nominalphrasen fungieren und somit sekundäre Komponenten des Satzes bilden:

(15) Der Tag, als endlich der Regen kam, war einer der letzten Augusttage.

Als Supplemente mit dem Status der primären Komponenten des Satzes können am Rande auch weiterführende was-Sätze gebraucht werden, deren semantischer Grundtyp der Termsatz ist:

(16) Das Sportfest fällt aus, was ja zu vermuten war.

Attributsätze

Attributsätze sind Nebensätze, die Nominalphrasen erweitern, sowie Nebensätze, die deiktische oder quantifizierende Ausdrücke spezifizieren. Sie bilden sekundäre Komponenten des Satzes. Attributsätze, die Nominalphrasen erweitern, können sowohl den Status von Komplementen als auch - viel häufiger - den Status von Supplementen haben.

Als Komplemente fungieren bei einer begrenzten Anzahl von Nomina Nebensätze vom semantischen Grundtyp Termsatz. Sie erscheinen als dass-, ob- und W-Fragesätze sowie Verbzweitsätze z. B.:

(7) Die Tatsache, dass Versprechen seltener gehalten als gegeben werden, ist nicht überraschend.
(17) Die Zweifel, ob sich das Unternehmen überhaupt lohnt, haben die Arbeiten verzögert.
(18) Man hat die Frage, was mit dieser Behauptung gemeint war, nicht beantwortet.
(19) Die Befürchtung, die Aktien würden schneller fallen als erwartet, hat sich bewahrheitet.

Als Supplemente in komplexen Nominalphrasen fungieren typischerweise die (durch W/D-Elemente eingeleiteten) Relativsätze (vgl. (20)-(23)) sowie bestimmte (vor allem temporale) Subjunktorsätze, deren semantischer Grundtyp der Adverbialsatz ist (vgl. (15)):

(20) Der Hund, der keine Lust zum Jagen hatte, lag faul in der Sonne.
(21) Unter sonst gleichen Bedingungen ist diejenige Handlung richtig, die die besten Konsequenzen hat.
(22) Unvergesslich bleibt uns Hans, welcher jeden zum Lachen bringen konnte.
(23) Der Ort, wo du wohnst, ist öde.
(15) Der Tag, als endlich der Regen kam, war einer der letzten Augusttage.

Die Relativsätze können semantisch gesehen restriktiv oder nicht-restriktiv wirken, z. B.:

  • restriktiv:
(21) Unter sonst gleichen Bedingungen ist diejenige Handlung richtig, die die besten Konsequenzen hat.
(24) Der Ort, wo du wohnst, ist öde.

  • nicht-restriktiv:
(20) Der Hund, der (übrigens) keine Lust zum Jagen hatte, lag faul in der Sonne.
(22) Unvergesslich bleibt uns Hans, welcher jeden zum Lachen bringen konnte.

Zur Erweiterung von Nominalphrasen mit Attributsätzen

Korrelation zwischen den semantischen Grundtypen und den syntaktischen Funktionen der Nebensätze

Die Korrelation zwischen den semantischen Grundtypen und den syntaktischen Funktionen der Nebensätze gibt vereinfacht folgende Tabelle wieder:

semantischer Grundtypprimäre Funktionsekundäre Funktionperiphere Funktion
TermsatzVerbkomplement Attribut/Nomenkomplement oder Komplement zum AdjektivSupplement (satzbezogen: weiterführende was-Sätze)
AdverbialsatzSupplement (satzbezogen oder verbgruppenbezogen)VerbkomplementAttribut/Supplement in einer Nominalphrase (vor allem temporale Subjunktorsätze)
Nomenmodifikatorsatz oder charakteristika-spezifizierender NebensatzAttribut/Supplement in einer Nominalphrase