Erweiterung von Nominalphrasen mit Attributsätzen
Auch Sätze verschiedener Art können zur Erweiterung von Nominalphrasen genutzt werden. In einzelnen sind das:
Relativsätze | - | Beispiele |
Dass-Sätze | - | Beispiele |
Ob-Sätze | - | Beispiele |
Adverbialsätze | - | Beispiele |
W-Fragesätze | - | Beispiele |
Verbzweitsätze | - | Beispiele |
Verberstsätze | - | Beispiele |
Relativsätze
Relativsätze sind sog. Verbletztsätze, die sich dadurch auszeichnen, dass eines der vorkommenden Komplemente oder Supplemente die Form eines anaphorischen Relativ-Elements- der, die, das, welcher, welche, welches, wie, wo, worauf, wodurch, ...- hat und als solches die Erstposition im Satz einnimmt, sofern es nicht Teil einer Präpositionalphrase ist (etwa: auf dem, über welche).
Das Relativ-Element fungiert gewissermaßen als Bindeglied zwischen Kopfnomen und attribuiertem Satz. Sein Genus wird vom Kopfnomen regiert, sein Numerus ist mit dem des Kopfnomens kongruent, beispielsweise:
Maskulinum- Singular:
Maskulinum- Plural:
Neutrum- Singular:
Sein Kasus ist abhängig von seiner Funktion innerhalb des Relativsatzes. Das Relativ-Element kann- unter anderem- sein:
Genitiv-Attribut:
Genitiv-Attribut innerhalb eines Präpositional-Attributs:
Genitiv-Attribut innerhalb eines Präpositivkomplements:
Dativ-Komplement:
Subjekt:
Teil eines Präpositivkomplements:
ein Versteck, an das niemand gedacht hatte
Teil eines Präpositivsupplements:
Teil eines Präpositivsupplements innerhalb einer Infinitivkonstruktion:
Die Erweiterung von Nominalphrasen durch Relativsätze ermöglicht, prinzipiell alles, was in Verbindung mit dem Denotat des Kopfnomens zu sagen sein könnte, in den Dienst der Modifikation der Phrase zu stellen. Dabei bleibt die Erweiterung nicht auf einen Relativsatz pro Kopfnomen beschränkt, wie das folgende Beispiel belegt:
(Heinrich Böll, Nicht nur zur Weihnachtszeit, München 1966, S.7. Sprecher: Franz Josef Antwerpes)
Dabei kann es unter Umständen zu Mehrdeutigkeiten kommen, wenn der vorangehende Satz ein Nomen mit selbem Genus und im gleichen Numerus enthält. Aber, wie das soeben angeführte Beispiel zeigt, führt dies nicht unbedingt zu Fehldeutungen: Dort kommen, rein formal gesehen, gleich drei Nomina (Dingen, Ohren, Zeitgenossen) als Kopf des zweiten Relativsatzes in Frage, doch für jeden halbwegs kooperativen Leser kommt nur das erste ernsthaft als Kopf in Betracht.
Relativsätze stehen, wie im Übrigen alle Attributsätze, stets postnominal, doch - auch dies zeigt das obige Beispiel- keineswegs immer adjazent zum Kopfnomen. Vor einem Relativsatz können dabei nicht nur andere Attribute stehen, sondern ebenso Satzteile, die selbst nicht derselben Phrase zuzurechnen sind. Zu erklären ist diese für Attribute große Stellungsfreiheit wohl damit
- Relativsätze bleiben als Sätze auch in einiger Entfernung vom Kopfnomen verstehbar, solang der Bezug des Relativ-Elements nachvollziehbar bleibt.
- Vor allem durch längere Relativsätze kann die Distanz zwischen dem Kopf einer Nominalphrase und dem zugehörigen Prädikat oder Prädikatsteil so überdehnt werden, dass die Verständlichkeit einer Mitteilung darunter leidet.
Dass-Sätze
Dass-Sätze, die im Rahmen einer Nominalphrase auftreten, sind überwiegend N-Komplemente zu Nomina, die von Verben des Sagens, Denkens und Empfindens oder von Sachverhalt-charakterisierenden Adjektiven abgeleitet sind:
erkennen | - | Ob sich aber die Erkenntnis, dass sich die Grünen
professionalisieren müssen, bis in die Ortsverbände hinunter wird vermitteln
lassen, das werden erst die kommenden Wochen zeigen.
[Berliner Zeitung, 21.09.1999, S. 4] |
denken | - | Dabei spielt der Gedanke, dass der Kreis Geld sparen
würde, für sie eine nur untergeordnete Rolle. [Frankfurter Rundschau, 09.10.1999, S. 1] |
vermuten | - | Der DFB und die Bundesliga-Rechte: Gerüchte, Bluffs und die
Vermutung, dass vieles bleibt, wie es ist
... [Berliner Zeitung, 31.03.2000, S. 21] |
fühlen | - | Man hatte lange Zeit nicht das Gefühl, dass diese
Begegnung auch für Rapperswil von kapitaler Bedeutung sei, so lau wirkte das
Team. [Züricher Tagesanzeiger, 14.01.1998, S. 57] |
überzeugen | - | Ihr neues Gewicht hat sie seitdem gehalten, geblieben ist auch die
Überzeugung, dass Vollwertkost das beste Mittel gegen typische
Zivilisationskrankheiten wie Rheuma, Arthritis, Stoffwechselkrankheiten und
Herzkreislaufprobleme sei. [Frankfurter Rundschau, 029.12.1999, S. 6] |
gewiss | - | Und die Gewissheit, dass er sich nach 11 Jahren, bis
auf 100 Punkte seinem damaligen Leistungsstand als Amateur angenähert
hat. [Frankfurter Rundschau, 026.08.1999, S. 40] |
möglich | - | Es bestehe die Möglichkeit, dass der Mensch die Seuche
von Stall zu Stall übertragen könne. [Berliner Zeitung, 19.08.1999, S. 28] |
Alphabetisch geordnete Liste von Nomina mit dass-Satz als Komplement
Als N-Komplemente finden sich dass-Sätze zudem bei einer Reihe weiterer, nicht oder nicht direkt von Verben abgeleiteten Nomina, mit denen Propositionen zu charakterisieren sind, etwa:
Tatsache | - | Die Tatsache aber, dass der
Reifenproduzent Bridgestone außer einem nichts sagenden Zwischenbericht noch
keinerlei Resultate der Ursachenforschung veröffentlicht hat
... [ Berliner Zeitung, 14.08.1999, S. 39] |
Fall | - | Ankündigung von FCZ-Präsident Sven Hotz im "Blick" für den
Fall, dass er einen irreparablen Schaden in der Beziehung
zwischen Trainer und Spieler feststellen sollte. [Züricher Tagesanzeiger, 11.04.2000, S. 51] |
Zustand | - | Die Steuerreform beende den Zustand, dass Großverdiener
keine Steuern mehr zahlten. [Mannheimer Morgen, 17.05.2000, Sozialdemokraten wollen Berührungsängste abbauen] |
Chance | - | Gewonnen aber wurde die realistische Chance, daß der
Bundestag mit Zweidrittelmehrheit einen Schlußstrich unter diesen fatalen
technologischen Irrweg zieht und dafür einen Fahrplan festschreibt.
[ die tageszeitung, 05.12.1992, S. 12] |
Neben solchen völlig standardkonformen Verwendungen, finden sich dass-Sätze auch in Verbindungen wie:
Sie hatte eine Fratze, dass einem Angst und Bange werden konnte.
Zum Nachtisch gibt es da eine Crème brulée, dass dir das Wasser im Mund zusammenläuft.
Bei diesen Attributen handelt es sich genau genommen um konsekutive Adverbialsätze und damit NP-Supplemente - unsere Klassifikation der Attributsätze ist hier nicht ganz homogen. Natürlich sieht man das den verwendeten dass-Sätzen selbst nicht an, wohl aber den Nominalphrasen, in denen sie figurieren: Während dass-Sätze in N-Komplementfunktion meist in Phrasen auftreten, die von einem definiten Artikel eingeleitet werden, liegt bei NP-Supplementfunktion nie ein solcher Artikel vor.
Abweichungen von dieser "Regel" finden sich ausschließlich bei Nomina, bei denen der dass-Satz auch- und stilistisch manchmal besser- auf ein Präpositionaladverb folgen könnte, dessen deiktische Komponente sich dabei auf diesen Satz bezieht:
Eine Chance dazu, dass er wieder gewählt werden könnte, bleibt ihm vielleicht noch.
Ob-Sätze
Als Attribute sind ob-Sätze stets N-Komplemente. Sie treten in Verbindung mit nur vergleichsweise wenigen Nomina auf, am häufigsten mit Frage und Zweifel, aber auch mit anderen Nomina:
(Berliner Zeitung, 18.08.2000, S. 12)
(die tageszeitung, 03.03.1990, S. 10)
(die tageszeitung, 16.01.1990, S. 15-17)
(die tageszeitung, 26.08.1988, S. 4)
(die tageszeitung, 05.05.1990, S. 3)
Alphabetisch geordnete Liste von Nomina mit ob-Satz als Komplement
Adverbialsätze
Bei attributiv verwendeten Adverbialsätzen sind zwei Klassen zu unterscheiden:
- Satzadverbialsätze, die als NP-Supplemente fungieren, also nicht das Kopfnomen einer Nominalphrase modifizieren, sondern diese insgesamt:
- Wie-Adverbialsätze, die als N-Supplemente fungieren und sich dadurch auszeichnen, dass das Subjekt oder - wenn vorhanden- das Akkusativ-Komplement dieses Satzes als anaphorisches Pronomen oder als Indefinit-Pronomen auf das Kopfnomen der Nominalphrase bezogen ist
Satzadverbialsätze, die als Attributsätze verwendet werden, sind meist temporal, d. h. mit ihnen werden Zeitabschnitte und Zeitpunkte bestimmt. Unabdingbar für ihre korrekte Verwendung ist, dass ihre Bezugsphrase ihrerseits Bezeichnung eines Zeitabschnitts oder Zeitpunkts ist:
(Berliner Zeitung, 08.06.2000, S. 31)
(Johann Wolfgang von Goethe, "Schriften zur Kunst", Hamburger Ausgabe, Band 12, S. 140)
Weit weniger häufig werden kausale, finale, konzessive, konsekutive und konditionale Satzadverbialsätze als Attributsätze verwendet. Da Belege für diese seltenen Formen kaum zu finden sind, hier einige konstruierte Beispiele:
kausal:
final:
konsekutiv:
konzessiv:
konditional:
Wie-Adverbialsätze können, sofern die genannten Bedingungen erfüllt sind, grundsätzlich zu beliebigen Nomina als Attribute treten. Weitergehende Restriktionen sind ausschließlich sachlicher Natur. Hier einige Beispiele:
(die tageszeitung, 31.08.1990, S. 17)
(die tageszeitung, 31.07.1990, S. 23)
W-Fragesätze
Zu einigen wenigen Nomina- etwa Frage, Überlegung, Hinweis, Ratschlag, Vorschlag sowie von diesen abgeleitete Nomina wie Zusatzfrage, Vorüberlegung- können auch abhängige w-Fragesätze als Attribute treten. Es handelt sich dabei ausnahmslos um N-Komplemente. Häufig- bei einigen Nomina zwingend- tritt im Verbalkomplex der verwendeten W-Fragesätze ein Modalverb (können, sollen, müssen, dürfen, wollen) auf, um klarzustellen, dass mit dem Fragesatz nicht von Fakten, sondern von Möglichkeiten, Wünschen oder Verpflichtungen die Rede ist.
die
Frage die Überlegung die Auskunft ein Hinweis eine Erklärung eine Idee | - | wer das tun
könnte wem man das antun sollte auf wessen Geheiß man das tun muss für wen ich das tun dürfte hat warum sie das getan haben könnte wieso wir das tun sollten weshalb ihr das tun wollt wozu er das tun sollte wie man das tun könnte wo das gewesen sein soll woher sie gekommen sein könnten wohin ihr dann gehen wollt worüber sie gesprochen haben könnten wovon sie das bezahlen will womit sie das verdient hat worunter man das verbuchen kann wofür das gut sein soll wann das gewesen sein soll ... |
Bemerkenswert ist, dass zu Frage mit w-Satz als Attribut immer ein definiter Artikel treten muss. Das ist darauf zurückzuführen, dass die jeweilige Frage durch den w-Satz eindeutig determiniert ist.
Bei Vorschlag, Rat und ähnlichen zukunftsbezogenen Nomina , muss im w-Satz stets zum Ausdruck gebracht werden, dass Gegenstand sein kann, was zur Betrachtzeit als möglich gelten kann:
(Mannheimer Morgen, 23.01.1998, Den Kinderschuhen entwachsen)
"Dies ist keine Zeit für Verhandlungen", erklärte das Weiße Haus zu dem irakischen Vorschlag, wonach UN-Generalsekretär Kofi Annan angesichts drohender US-Angriffe auf den Irak eine Vermittlungsreise nach Bagdad unternehmen sollte.
(Mannheimer Morgen, 13.11.1998, Bagdad lehnt jedes Einlenken ab)
Die Union will nun noch einen Schritt weitergehen und meint, den Vorschlag, was wegfallen könne, solle McKinsey machen.
(Mannheimer Morgen, 17.11.1994, CDU: Auch Häuptlinge einsparen)
Einige Nomina sind aufgrund ihrer Bedeutung auf bestimmte w-Fragesätze spezialisiert :
der
Grund die Ursache, ein Motiv | , , , | weshalb es dazu
kam warum dies geschehen konnte wieso das verboten wurde |
Verbzweitsätze
Zu bestimmten Nomina- überwiegend, jedoch nicht ausschließlich von Verben des Sagens, des Denkens, Erkennens und Empfindens abgeleitet- können auch reguläre Verbzweitsätze- Sätze, die typischerweise als Aussagesätze gebraucht werden- als Attribute treten, wenn diese die Form indirekter Redewiedergabe haben:
(Berliner Zeitung, 15.09.2000, S. 27)
Seine Mutter-Gemahlin Iokaste (Evelyne Didi) - die stets im Schleier auftritt, wie um zu zeigen, daß Frauen in der Öffentlichkeit nichts zu sagen haben, vielleicht aber auch, um die Altersfrage zu umgehen - beschwichtigt ihn in seinen Zweifeln mit der durchaus komisch gesprochenen Bemerkung, er wäre nicht der einzige Mann, der davon träumen würde, mit seiner Mutter zu schlafen.
(die tageszeitung, 27.07.1989, S. 11-12)
Das angebliche "Entsetzen" über den "Abgrund krimineller Energie" mag man ihm ebensowenig glauben wie die Behauptung, er wäre sonst von Anfang an anders vorgegangen - Veruntreuung bleibt Veruntreuung.
(Frankfurter Rundschau, 022.07.1999, S. 1)
Viele Eltern plagt in diesen Tagen wieder die Angst, in der Schule würde ihr Kind nicht genügend gefördert um es einmal vorsichtig auszudrücken.
(Berliner Zeitung, 31.01.1998, S. 4)
Als indirekte Redewiedergabe formulierte Verbzweitsätze in Attributfunktion sind als N-Komplemente zu betrachten, da sie an das Vorliegen bestimmter Nomina gebunden sind und nicht modifizierend wirken.
Nominalphrasen, in denen als indirekte Redewiedergabe formulierte Verbzweitsätze in Attributfunktion auftreten, sind zwingend mit einem definiten Artikel einzuleiten.
Neben attributiven Verbzweitsätzen in der Form indirekter
Redewiedergabe finden sich postnominal auch indikativische Verbzweitsätze, die man für
Supplemente zu der vorangehenden Nominalphrase halten
könnte:
Mein Großvater, er war noch keine 25 Jahre
alt, wurde bereits im ersten Kriegsjahr
getötet.
Marilyn Monroe, sie wurde am 1.
Juni 1926 als Norma Jean Mortensen geboren, galt zu ihren Lebzeiten als
die Verwirklichung männlicher Träume.
Sätze dieser Art
sind jedoch keine Attribute. Sie bieten Informationen, die strukturell auf derselben
Ebene angesiedelt sind wie jene, die mit dem Satz gegeben werden, in den sie als
Einschübe oder Nebenbemerkungen (Parenthesen) eingebettet und von dem sie
artikulatorisch durch kurze Pausen abgegrenzt sind. Man könnte sie ebenso gut aus dem
Matrixsatz herausnehmen und an diesen anschließen. Es handelt sich also nur um
"Pseudo-Attribute".
Verberstsätze
Zu Nomina, die als Kopfnomen zu Ob-Sätzen auftreten können, finden sich — allerdings eher selten und stilistisch markiert — auch Verberstsätze vom Typ des Entscheidungsfragesatzes als Attribute. Hier zwei der wenigen einschlägigen Belege:
(Frankfurter Rundschau, 08.06.1999, S. 4)
(Tiroler Tageszeitung, 23.06.1997, Auf Orientierungssuche)