Nominalphrasen als Attribute zu Maßausdrücken
Einen besonderen Typus der Erweiterung von Nominalphrasen stellt die Bildung von Konstruktionen dar, in denen zu einem Maßausdruck - meist mit einem Zahladjektiv als Attribut - ein Nicht-Individuativum - genauer: ein Substanzausdruck - oder ein artikelloser Plural gestellt wird:
zwei Pfund Mehl
fünf Gramm Kokain
ein halber Liter Bier
ein Dutzend Schnecken
Als Maßausdrücke können neben genuinen Maß- und Mengenbezeichnungen auch Nomina verwendet werden, die Behältnisse bezeichnen, die sich aufgrund ihrer mehr oder weniger konventionalisierten Größe als ungefähre Maßeinheit nutzen lassen:
ein Gläschen Zwetschgenwasser
drei Stück Apfelkuchen
zehn Eimer Wasser
ein Stall Hühner
Den Kopf solcher Nominalphrasen bildet jeweils der Maßausdruck bzw. das als solcher genutzte Nomen:
Das wird deutlich, wenn man die Phrase zum Subjekt eines Satzes macht:
So weit scheinen diese - auch als Maßkonstruktionen bezeichneten - Nominalphrasen sich ganz regulär zu verhalten. In zweierlei Hinsicht fallen sie allerdings aus dem üblichen Rahmen:
- Das Kopfnomen ist stets eine Singularform, auch wenn sein Zahlattribut es als eine Vielzahl ausweist. Meist fällt das nicht auf, weil von den entsprechenden Nomina ohnedies keine Pluralformen zu bilden sind, doch auch, wo Pluralformen möglich wären, bleibt es beim Singular: zwei Stück, drei Dutzend.
- Die attribuierte Nominalphrase ist im heutigen Deutsch meist im Nominativ gehalten, unabhängig vom Kasus des Kopfnomens, sofern sie selbst kein Adjektiv-Attribut aufweist. Sie gleichen insofern Erweiterungsnomina, die allerdings nicht als N-Komplemente fungieren und ihrerseits nicht erweiterbar sind. Auch eine Interpretation als Apposition kommt nicht in Frage, da diese ebenfalls nicht als N-Komplemente fungieren. Das heißt: Es handelt sich hier um eine Attributklasse eigener Art.
Historisch - das stützt die Einschätzung der Struktur solcher Phrasen - handelte es sich bei diesen Attributen um Genitiv-Attribute:
(D. Martin Luther, Biblia, Wittemberg 1545, 1. Königsbuch 10, 16 und 17)
(D. Martin Luther, Biblia, Wittemberg 1545, Der Psalter LX, 5)
Wird ein solches Attribut selbst durch ein pränominales Adjektiv-Attribut erweitert, finden sich vor allem Kasus-kongruente Formen:
(H85/JP1.00083)
(Die Zeit, 06.05.1999, S. 52)
Daneben häufig "klassische" Genitivformen:
(THM/AMF.00000)
und - nicht selten - Akkusativformen:
(Berliner Zeitung, 21.10.1999, S. 30)
Die nominalen Attribute zu Maßausdrücken sind als N-Komplemente zu betrachten. Das gilt auch, wenn sie die Form eines Genitiv-Attributs haben, denn anders als reguläre Genitiv-Attribute wirken sie nicht restriktiv, sondern füllen eine Leerstelle (Argumentstelle), die der Maßausdruck eröffnet. Weniger technisch ausgedrückt: Ein Liter saurer Milch gehört nicht zu einer Subklasse von Litern, sondern ist eine Portion von Milch.