Erweiterung von Nominalphrasen mit Adjektiven
- Erweiterung mit genuinen Adjektiven
- Erweiterungen von Adjektiven zu Adjektivphrasen
- Erweiterung mit Adjektiven in der Form eines Partizip I
- Erweiterung mit Adjektiven in der Form eines Partizip II
Erweiterung mit genuinen Adjektiven
Mit Adjektiven - und Adjektivphrasen - kann die nominale Komponente einer Nominalphrase erweitert werden, um deren Denotation enger zu fassen - restriktive Erweiterung - oder diese mit zusätzlicher Information anzureichern - nicht-restriktive Erweiterung.
Als Basis einer Erweiterung mit Adjektiven oder Adjektivphrasen kommen - von Eigennamen abgesehen -sowohl minimale Nominalphrasen als auch Nominalphrasen in Frage, die bereits mit Adjektiven oder Adjektivphrasen erweitert wurden, denn adjektivische Erweiterungen können additiv verwendet werden:
Formale Beschränkungen für die Erweiterung von Nominalphrasen mit Adjektiven gibt es weder für deren Anzahl noch für deren lineare Abfolge, doch ist aus sachlichen Gründen nicht jede formal mögliche Kombination von Artikel und Adjektiv sinvoll. So kann etwa von 'allen schnellsten Läufern' oder 'einem schnellsten Läufer' sinnvoll nur dann die Rede sein, wenn ein Bezug auf eine Gruppe von Individuen gegebenen ist, die jeweils Schnellste in einer Reihe verschiedener Läufe waren.
Semantisch begründete Beschränkungen existieren auch für die Erweiterung attributiver Adjektive zu Adjektivphrasen. Was dabei zu berücksichtigen ist, wird im Zusammenhang der Betrachtung der verschiedenen Erweiterungsformen im Einzelnen ausgeführt.
Wenn verschiedentlich zudem festgestellt wird, die Kombination eines Adjektivs mit bestimmten Nomina - etwa violette Gedanken - oder mit anderen Adjektiven - etwa dreieckige runde Gebilde - sei unzulässig, dann können dafür immer nur sachliche Gründe angeführt werden. Solchen Einschränkungen den Status grammatischer Regeln zu geben, verbietet sich, weil als Folge davon grammatisch wie sachlich völlig korrekte Aussagen unzulässig würden, mit denen festgestellt werden soll, dass es so etwas wie violette Gedanken oder zugleich dreieckige und runde Gebilde nicht gibt.
Adjektive und Adjektivphrasen können grundsätzlich restriktiv oder nicht-restriktiv gebraucht werden. In beiden Verwendungen gehen sie in der Regel - Ausnahmen - dem Nomen bzw. einem weiteren Adjektiv voran und werden flektiert. Sie passen sich dabei in Numerus und Genus dem Nomen an.
Appositiv verwendet, können sie auch unflektiert - Ausnahmen? - dem Nomen folgen, wie diese Beispiele zeigen:
(die tageszeitung, 14.02.1994, S. 14)
(Die Zeit, 02.01.1998, Nr. 02, S. 7)
(Mannheimer Morgen, 19.11.1994, Lokales)
Erweiterungen von Adjektiven zu Adjektivphrasen
Adjektive in Grundform können pränominal zu einfachen Adjektivphrasen erweitert werden, indem ihnen eine der folgenden Ausdruckseinheiten unmittelbar vorangestellt wird. Bei Komparativ- und Superlativformen sind dabei einige semantisch bedingte Einschränkungen zu berücksichtigen:
- eine Intensitätspartikel - Beispiele
- ein Adverb oder Adverbiale - Beispiele
- eine Präpositionalphrase - Beispiele
- ein adverbial verwendetes Adjektiv - Beispiele
- ein adverbial verwendetes Partizip I oder II - Beispiele
- ein Satzadverb - Beispiele
- eine Fokuspartikel - Beispiele
- eine Negationspartikel - Beispiele
- eine Abtönungspartikel -Beispiele
Zu diesen Erweiterungsmöglichkeiten kommen drei weitere, die nur bei postnominalen Adjektivattributen möglich sind. Zwei dieser Formen sind als Adjunktorphrasen zu realisieren, eine weitere als subordinierter Satz.
Adjunktorphrasen
Zwei Faktoren bestimmen Erweiterungen durch Adjunktorphrasen:
- die Steigerungsform des Adjektivs
- die Art des Adjunktors
Bei der einen Form handelt es sich um Positiv-Formen, die um eine wie-Adjunktorphrase erweitert wurden:
(Berliner Zeitung, 17.12.1997, S. 15)
(Berliner Zeitung, 13.11.1997, S. 30)
Adjektivphrasen dieses Typs werden überwiegend prädikativ verwendet. Bei attributiver Verwendung können sie nur postnominal eingesetzt werden.
Die andere Form setzt auf Komparativ-Formen auf, die um eine als-Adjunktorphrase oder eine wie-Adjunktorphrase erweitert werden, wobei Letzteres zwar durchaus gängig ist, von Puristen jedoch als unkorrekt abgelehnt wird:
(Theodor Fontane: Der Stechlin, Digitale Bibliothek, S. 16050)
Auch diese Form kann nur postnominal verwendet werden.
(Maria von Ebner-Eschenbach: Der Vorzugsschüler, Digitale Bibliothek, S. 9214)
Subordinierter Satz
Als Erweiterungen postnominaler Adjektivattribute kommen prinzipiell alle Formen subordinierter Sätze in Frage, die auch in Verbindung mit prädikativ verwendeten Adjektiven möglich sind. Hier einige Beispiele:
(Mannheimer Morgen, 05.05.2000, Im Dialog mit sich selbst)
Linearisierungsbeschränkungen
Damit sind die Möglichkeiten zum Ausbau von Adjektivphrasen noch lang nicht erschöpft. Adjektivphrasen - einfach oder bereits komplexer - können weiter ausgebaut werden, indem links vor die Erweiterung eine weitere gestellt wird. Allerdings sind dabei eine Reihe von Einschränkungen zu berücksichtigen, die nötig sind, um die Skopusverhältnisse überschaubar zu halten:
- Vor eine Fokuspartikel oder Negationspartikel kann keine Intensitätspartikel,
kein Adverb oder Adverbiale, kein adverbial verwendetes Adjektiv und kein adverbial verwendetes
Partizip I oder II mehr treten, jedoch durchaus ein Satzadverb oder Satzadverbiale:
- *ein sehr nur kurzer Weg
- *dieser strahlend nicht blaue Himmel
- *meine erwartet nicht stille Schwester
- der vermutlich sogar heimlich verheiratete Priester
- ein meines Wissens nicht großes Einkommen
- Vor ein Satzadverb oder Satzadverbiale kann keine Intensitätspartikel, kein
Adverb oder Adverbiale, kein adverbial verwendetes Adjektiv und kein adverbial verwendetes Partizip
I oder II mehr treten, wohl aber eine Fokuspartikel, eine Negationspartikel oder ein weiteres
Satzadverb oder Satzadverbiale:
- *jenes sehr seit Stunden stille Kind
- *diesem leicht nach einem Gläschen Wein betrunkenen Politiker
- *manchem überraschend glücklicherweise fröhlichen Knaben
- dem nur vermutlich größten Spieler des Jahrhunderts
- diese nicht erst seit gestern bekannte Tatsache
- eine nach meiner Meinung ungerechtfertigt harte Strafe
Einige Beispiele zu den aufgeführten Erweiterungsformen, mit Anmerkungen zu ihrer Kompatibilität mit den verschiedenen Steigerungsformen von Adjektiven:
Intensitätspartikel
(Berliner Zeitung, 01.08.1998, S. 33)
(Theodor Fontane: Vor dem Sturm, Digitale Bibliothek, S. 12274)
Bestimmte Intensitätspartikeln - recht, sehr und zu - sind nicht mit Komparativ- und Superlativ-Formen kombinierbar. Andere lassen sich zwar problemlos mit Komparativ-Formen verbinden, jedoch nicht mit Superlativ-Formen:
(Ludwig Tieck: Des Lebens Überfluß, Digitale Bibliothek, S. 98704)
Nur mit Komparativ- und Superlativ-Formen zu verbinden ist die Partikel weitaus, ausschließlich mit Komparativ-Formen die Partikel viel.
Adverb oder Adverbiale
(die tageszeitung, 10.01.1990, S. 11)
(Berliner Zeitung, 10.11.1997, S. 1)
Erweiterungen dieser Art werden eher selten verwendet. Beschränkungen hinsichtlich der verschiedenen Steigerungsformen sind nicht gegeben.
adverbial verwendetes Adjektiv
(die tageszeitung, 31.08.1988, S. 14)
(die tageszeitung, 23.07.1990, S. 13)
Keine Beschränkungen hinsichtlich der verschiedenen Steigerungsformen.
Präpositionalphrase
(Frankfurter Rundschau, 012.06.1999, S. 26)
(Frankfurter Rundschau, 019.12.1997, S. 3)
adverbial verwendetes Partizip I oder II
(Berliner Zeitung, 24.11.1999, S. 40)
(Mannheimer Morgen, 31.03.1989, Feuilleton)
Keine Beschränkungen hinsichtlich der verschiedenen Steigerungsformen.
Satzadverb
(Jean Paul Richter, http://gutenberg.spiegel.de/buch/titan-3216/43)
(die tageszeitung, 08.07.1989, S. 9)
(Mannheimer Morgen, 13.01.1996, Lokales)
Keine Beschränkungen hinsichtlich der verschiedenen Steigerungsformen.
Fokuspartikel
(Mannheimer Morgen, 14.11.1989, Lokales)
(Berliner Zeitung, 08.12.1997, S. 33)
Keine Beschränkungen hinsichtlich der verschiedenen Steigerungsformen.
Negationspartikel
(Berliner Zeitung, 28.01.1998, S. 2)
(Berliner Zeitung, 26.02.1998, S. 6)
Auch hier keine Beschränkungen hinsichtlich der verschiedenen Steigerungsformen.
Abtönungspartikel
Erweiterung mit Adjektiven in der Form eines Partizip I
Nominalphrasen können pränominal und postnominal auch mit einem Adjektiv in Form eines Partizips I oder einer darauf basierenden Phrase erweitert werden. Einige Beispiele:
pränominal
(Heinrich Böll, Nicht nur zur Weihnachtszeit, München 1966, S.24. Sprecher: Franz Josef Antwerpes)
(die tageszeitung, 07.11.1989, S. 20)
( Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1995)
postnominal
(ZEIT, 27.06.86, S. 37)
Erweiterungen mit Partizip I können auch mit attributiven Adjektiven kombiniert vorkommen:
(die tageszeitung, 18.07.1998, S. 9)
Solche Erweiterungen entsprechen weitgehend jenen mit genuinen Adjektiven oder Adjektivphrasen. Sie lassen jedoch prinzipiell alles an Erweiterungen zu, was als Komplement von Verbalkomplexen auf der Basis des entsprechenden Verb auftreten kann - abgesehen natürlich vom jeweiligen Subjekt, das seinerseits stets dem Nomen oder der Nominalphrase entspricht, zu der das Adjektiv in Form eines Partizips I als Erweiterung tritt:
(Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit, Digitale Bibliothek, S. 27128)
(Adelbert von Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte, Digitale Bibliothek, S. 7718)
Einen Eindruck davon, welche Komplexität derart erweiterte Nominalphrasen annehmen können, kann diese grafische Darstellung syntaktischer Beziehungen vermitteln:
Erweiterung mit Adjektiven in der Form eines Partizip II
Auch Adjektive in Form eines Partizips II können zur Erweiterung von Nomina eingesetzt werden. Dabei gilt grundsätzlich alles, was für die Positiv-Formen genuiner Adjektive gilt, doch können nicht alle Ausdrücke dieser Klasse als Erweiterungen genutzt werden.
Ob ein Adjektiv in Form eines Partizips II als Erweiterung zu einem Nomen treten kann, hängt davon ab, welche Komplemente das entsprechende Verb binden kann und mit welchem Hilfsverb es Perfekt-Formen bildet:
- Lässt sich von dem Verb ein werden-Passiv mit Subjekt bilden, kann das Adjektiv oder die
darauf basierende Phrase attributiv verwendet werden:
- Mit einer schrillen grüngelben Brille stiert der junge Psychiater
Dr. Hechtler in die offenbar von allen guten Geistern verlassene Psychiatrische
Klinik.
[Frankfurter Rundschau, 021.11.1998, S. 1] - Man beginnt ihn, indem man historische gegebene Chancen
ausnützt, wie zum Beispiel die Situation in den Vereinigten Staaten heute
[Paul Feyerabend, 1971, Vortrag in San Francisco ]
- Mit einer schrillen grüngelben Brille stiert der junge Psychiater
Dr. Hechtler in die offenbar von allen guten Geistern verlassene Psychiatrische
Klinik.
- Lässt sich von dem Verb ein werden-Passiv ohne Subjekt bilden, kann kein
departizipiales Adjektiv gebildet werden:
- *ein dem Retter seines Sohnes gedankter Vater
- *die von falschen Beratern geholfene Ministerin
- Handelt es sich um ein Verb, das nur ein Komplement binden kann und seine
Perfekt-Formen mit haben bildet, kann kein departizipiales Adjektiv
gebildet werden:
- *jegliches geschlafene Kleinkind
- *ein geschnarchter alter Trunkenbold
- Bildet das Verb seine Perfektformen mit sein, kann das
departizipiale Adjektiv - von den in Punkt (f) beschriebenen Fällen abgesehen - attributiv
verwendet werden:
- Daß es unter der Schirmherrschaft der inzwischen
ausgefallenen Skiweltmeisterschaft steht, wie der Hochglanzprospekt stolz verkündet, darf
man überlesen.
[Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1995] - Darin geht es um das im Naziterror untergegangene
Schtetl in Osteuropa und das Jiddische, jene Sprache, die Singer noch einmal glanzvoll zum
Leben erweckte.
[Frankfurter Rundschau, 024.02.1998, S. 9]
- Daß es unter der Schirmherrschaft der inzwischen
ausgefallenen Skiweltmeisterschaft steht, wie der Hochglanzprospekt stolz verkündet, darf
man überlesen.
- Ausnahmen von der in Punkt (e) angegebenen Regularität bilden so genannte Verben
der Fortbewegung (etwa gehen, kommen, laufen)
sowie das Situierungsverb liegen:
- *der gekommene Frühling
- *der gegangene Besuch
- *das gelegene Heidelberg
- das am Neckar gelegene Heidelberg
- Was wäre der neugestaltete Vorplatz wert, wenn das in die
Jahre gekommene Bahnhofsgebäude durch sein Outfit einen dunklen Schatten auf denselben
werfen würde.
[Frankfurter Rundschau, 03.01.1997, S. 3] - Auch abzuhobelnde Zimmertüren, aus dem Leim gegangene
Stühle, neue Glasplatten als Einlegefächer für den Kühlschrank sind alles ein Fall für den
Samstag morgen in der Schreinerwerkstatt.
[Mannheimer Morgen, 29.05.1999, Lokales]
Die Beziehung zwischen einem attributiv verwendetem Adjektiv in Form eines Partizps II und dem Nomen, zu dem es als Attribut tritt, ist nur formal in all diesen Fällen gleich. Das wird deutlich, wenn man die Phrasen in entsprechende Aussagesätze umformt:
Allgemein ist festzuhalten, dass nicht jeder Ausdruck, den man aufgrund seiner Form für ein Partizip II halten könnte, auch ein Partizip ist. Zahlreiche Adjektive sind von dieser Art, so etwa gestanden-, wie es in ein gestandener Mann vorkommt, oder gerissen-, wie in ein gerissener Kerl.
Wer aus methodischen Gründen - praktische wird es kaum geben - an einer sauberen Trennung verschiedener Klassen adjektivischer Attribute interessiert ist, kann auf dieses Kriterium zurückgreifen: Handelt es sich um ein genuines Adjektiv, dann ist es nicht möglich, das Attribut in der Weise zu erweitern, die bei einem entsprechenden Partizip zu erwarten wäre:
Beim zweiten Beispiel liegt hier zwar kein grammatischer Fehler vor, jedoch ein eindeutiger Wechsel in der Bedeutung von gerissener.
Einen Eindruck von der Komplexität von Nominalphrasen, die mit einem Adjektiv auf der Basis eines Partizips II erweitert sind, kann diese grafische Darstellung syntaktischer Beziehungen vermitteln: