Minimale Nominalphrasen
Nominalphrasen können mehr oder weniger komplex gebaut sein, setzen dabei jedoch immer auf elementaren Form auf, die entweder ausschließlich von einem Nomen oder von einem Nomen mit Artikel gebildet werden:
Heidelberg am Neckar
das alte Heidelberg am Neckar
das alte Heidelberg am Neckar, das schon Hölderlin in höchsten Tönen pries
mein alter Freund
mein guter alter Freund
mein guter alter Freund aus Studientagen
mein guter alter Freund aus Studientagen, den ich seit Jahren nicht mehr getroffen hatte
britisches Rindfleisch
zwei Pfund britisches Rindfleisch
zwei Pfund abgehangenes britisches Rindfleisch
zwei Pfund abgehangenes britisches Rindfleisch, das aus garantiert BSE-freien Beständen stammt
die interessante Überlegung
die überaus interessante Überlegung
die überaus interessante Überlegung eines Beiratsmitglieds
die überaus interessante Überlegung eines Beiratsmitglieds, man sollte in dieser Frage den Rat von Experten einholen
Erfasst sind hier nur einige gängige Basisformen, alle im gleichen Kasus gehalten. Die Menge möglicher Basisformen bleibt jedoch überschaubar.
Im einzelnen können diese Basisformen so gebildet werden (die Kasusvariation bleibt unberücksichtigt, da sie sich nicht auf die Typen von Bildungsmustern auswirkt):
Jede dieser Formen hat in formaler, semantischer und pragmatischer Hinsicht ihre spezifische Charakterisitik. Hier werden im Einzelnen nur die formalen Eigenschaften betrachtet. Für eine Darstellung ihrer Bedeutung und ihres kommunikativen Gebrauchs siehe Die Bedeutung minimaler Nominalphrasen und Nominalphrasen im Gebrauch.
Minimale Nominalphrasen ohne Artikel
Eigennamen
Eigennamen können viele Formen annehmen:
Als minimale Nominalphrasen ohne Artikel können natürlich nur solche Eigennamen gelten, die tatsächlich nur aus einem Wort bestehen, denn nur für sie gilt in allen Teilen, was Eigennamen als minimale Nominalphrasen aus formaler Sicht auszeichnet.
Als eigener Typ zu betrachten sind Eigennamen vor allem aufgrund ihrer Semantik ( Die Bedeutung von Eigennamen). Sie weisen jedoch auch eine Reihe spezieller formaler Eigenschaften auf:
- Sie erlauben, anders als andere Nomina, keine nur restriktiv zu
interpretierenden Attribute, also kein Genitivattribut:
*Hermann des Vaters, *Heidelberg der Kurpfalz
Werden solche Ausdrücke dennoch so und - zwingend - zugleich um einen definiten oder indefiniten Artikel erweitert, verlieren sie ihre Qualität als Eigennamen, wie dies etwa bei diesen Beispielen der Fall ist:
Das Heidelberg der 60iger Jahre kann man in dem von heute kaum noch erkennen.
Ein Pele des Tischfußballs ist schwer vorstellbar.
Das Berlin , das ich in meiner Kindheit kannte, war noch stark vom Krieg gezeichnet. - Werden Eigennamen im laufenden Text mit einem nicht-restriktiven Attribut
verbunden, bleibt das Produkt zwar ein Eigenname, doch nicht länger eine minimale Nominalphrase
ohne Artikel, denn jetzt muss ihm zwingend ein definiter Artikel vorangestellt werden: der
olle Hansen, die dicke Berta, das alte
Europa.
In der Anrede bleiben die Phrasen jedoch artikellos: Liebe Monica. - Eigennamen - nicht nur solche die als minimale Nominalphrasen realisiert werden - können nicht in den Plural gesetzt werden.
- Im heutigen Deutsch können von Eigennamen nur zwei Flexionsformen gebildet werden: eine Grundform für Nominativ, Dativ und Akkusativ und - für alle Genera - eine Genitivform in Form eines "s": Peters, Hamburgs, Klaras.
- Aus Eigennamen können neue Eigennamen zusammengesetzt werden, indem sie adjazent aufgereiht werden: Hans Peter Graumann, Berlin Tegel
Nicht-Individuativa
Artikellos bleiben können auch Nomina, die man - aufgrund semantischer Überlegungen - als Nicht-Individuativa bezeichnet hat. Einige typische Beispiele
Fieber, AIDS, Schüttelfrost
Freiheit, Klugheit, Wachsamkeit, Ausbeutung
Essen, Waldlaufen, Abnehmen
Mit solchen Nomina werden Phänomene bezeichnet, die nicht als Einzelobjekte verstanden werden. Was darunter zu verstehen ist, macht man sich am besten anhand einiger der aufgeführten Beispielen klar:
Wenn jemand etwa feststellt: "Benzin ist in Spanien billiger als in Deutschland", redet er nicht von irgendeinem Individuum, das als Benzin zu charakterisieren wäre, sondern von der Substanz "Benzin" an sich. Und wenn er sagt: "Ich brauche dringend Benzin", braucht er zwar ein seiner Menge nach bestimmtes Quantum von dieser Substanz, doch nichts, das individuelle Eigenschaften hat.
Wer Fieber hat, hat möglicherweise eine spezielle Art von Fieber, doch keinesfalls ist er im Besitz eines Individuums. Ebenso wenig ist von Fieber als einem Individuum die Rede, wenn etwa festgestellt wird, Fieber sei in Maßen nicht schädlich.
Mit Freiheit, artikellos verwendet, ist nicht von einem individuell gegebenen Zustand die Rede, sondern von einer Qualität von Zuständen, die nicht auf diese aufzuteilen ist.
Nicht-Individuativa sind - von einigen wenigen Akronymen wie BSE, AIDS abgesehen - nicht bedingungslos darauf festgelegt, artikellos verwendet zu werden. Sie können auch mit einem Artikel zusammen Nominalphrasen bilden:
Zu den Auswirkungen, die eine Verbindung genuiner Nicht-Individuativa mit einem Artikel in verschiedenen Kontexten haben kann, vgl. Die Bedeutung von Nicht-Individuativa.
Neben "klassischen" Nicht-Individuativa können prinzipiell auch - von Eigennamen abgesehen - beliebige Nomina als solche gebraucht werden:
Artikellos Plurale
Pluralische Nominalphrasen ohne Artikel - etwa Kinder, Vielflieger, Autos - sind indefinit. Sie bleiben artikellos, weil es im Deutschen - jedenfalls in der Standardsprache - nicht eigens einen indefiniten Artikel im Plural gibt. Was nicht heißt, dass es im Deutschen keine Artikel gäbe, mit denen indefinite Nominalphrasen im Plural zu bilden wären. Auch Phrasen mit W-Artikel (welche) sowie mit vielen Quantifikativ-Artikeln (etwa viele, einige, manche, etliche, mehrere) sind als indefinit einzuschätzen
Verwendung finden artikellos Plurale zum einem, wo von einer mehr oder weniger großen Anzahl von individuellen Gegenständen nur im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zu einer Gattung gesprochen wird:
oder wo generalisierend von einer Gattung insgesamt gesprochen werden soll:
Auch artikellose Plurale können nicht ohne Einschränkung in allen syntaktischen Funktionen eingesetzt werden, die Nominalphrasen grundsätzlich haben können. Sie können nicht in attributiver Funktion verwendet werden:
Wie bei Substanzbezeichnungen ist hier auf Präpositionalphrasen mit von auszuweichen:
Individuativa in Schlagzeilen, Ein-Satz-Texten und Ausrufen
In speziellen Kontexten - besonders in Schlagzeilen von Tageszeitungen - können auch Nominalphrasen artikellos bleiben, die sonst zwingend mit Artikel zu verwenden wären, da sie zum Bezug auf Individuen verwendet werden:
(die tageszeitung, 11. 12. 2001)
(Bild, 11. 12. 2001)
(www.spiegel.de, 15. 04. 2003)
(Eddy Finger 1978 im ORF anlässlich des Siegtores der österreichischen Fußballmannschaft)
Zu interpretieren sind solche Nomina wie minimale Nominalphrasen im engeren Sinn.
In solchen Kontexten können sogar Eigennamen, die im Fließtext zwingend mit Artikel zu verwenden sind, artikellos auftreten:
(taz vom 30.3.2002, Seite 10)
(taz vom 23.5.2002, Seite 9)
Minimale Nominalphrasen mit Artikel
Typische minimale Nominalphrasen bestehen aus einem Nomen und - diesem vorangestellt - einem Artikel (eine Kartoffel, das Museum, dieses Tages, welchem Politiker). In Frage kommen dafür Nomina aller Art, also auch solche, die artikellos auftreten können. Bei diesen wirkt sich die Verbindung mit einem Artikel allerdings in besonderer Weise auf die Bedeutung der Phrase aus: Die Bedeutung minimaler Nominalphrasen.
Neben dieser verbreiteten Verbindung finden sich in einigen wenigen, konventionalisierten Fällen Kombinationen aus Adjektiv und Artikel, mit denen Personen bezeichnet werden: ein Fremder, der Grüne, meiner Bekannten, jener Betrunkene. Zumindest aus heutiger Sicht können diese Phrasen nicht als Ellipsen gelten, bei denen man sich ein nicht genanntes Nomen hinzuzudenken hätte, denn sie können in Gesprächen ohne Weiteres auch initial verwendet werden:
Bei Adjektiven, die nicht als Personenbezeichnung gebräuchlich sind, bleiben solche Verwendungen unverstanden:
Lexika verzeichnen Adjektive, die solche Verbindungen eingehen können, im Allgemeinen als spezielle Form von Nomina, doch gegen die Auffassung, es handle sich dabei um Nominalisierungen, spricht, dass sie auch in dieser Funktion wie Adjektive zu flektieren sind:
- der Fremde - ein Fremder
- die Fremden - Fremde
Die Artikel, mit denen Nominalphrasen gebildet werden können, lassen sich in diese Klassen einteilen:
Zu diesen eindeutigen Artikelklassen kommt eine weitere Klasse, deren Elemente sich nicht in jeder Hinsicht und nicht in jeder Verwendung eindeutig wie Artikel verhalten:
Für jede Klasse dieser Artikel gelten besondere Verwendungsregeln, und entsprechend leisten die Artikel verschiedener Klassen ihren je spezifischen Beitrag zur Bedeutung der jeweiligen Nominalphrasen: Die Bedeutung minimaler Nominalphrasen.
Aus formaler Sicht allerdings unterscheiden sich die Artikelklassen (i) - (v) lediglich hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Flexion von Adjektiven, die als Erweiterung der Nominalphrase zwischen Artikel und Nomen, bzw. Artikel und Adjektiv eingefügt werden können:
Die Struktur erweiterter Nominalphrasen
Bei der Klasse der Quantifikativ-Artikel kommt hinzu, dass sich ihre Elemente in bestimmen Verwendungen wie attributive Adjektive verhalten, ohne allerdings völlig deren Eigenschaften zu teilen.
Nominalphrasen mit definitem Artikel
Unter formalem Aspekt ist zu dieser überaus gängigen Konstruktion anzumerken
- dass sie, anders als ihrer Bezeichnung vermuten lässt, nicht die einzigen Nominalphrasen mit definiter Bedeutung sind
- dass sie sich - in dieser Reihenfolge - aus definitem Artikel und Nomen zusammensetzt
- dass sie - anders als Konstruktionen mit indefinitem Artikel - über Singular- und Plural-Formen verfügt
- dass sie nicht auf der Basis beliebiger Nomina zu bilden ist - *das Heidelberg, *das BSE, *das Fronleichnam
- dass sich der Artikel - wie im Übrigen auch Artikel jeder anderen Art - in seinem Genus nach dem nachfolgenden Nomen richtet:
die Maschine
das Eichhörnchen
Besonders zu beachten ist die Verbindung von definitem Artikel mit Eigennamen: Während - wie oben festgestellt - Personennamen sowie die meisten Orts- und Ländernamen artikellos zu verwenden sind, ist vor Schiffsnamen sowie Fluss- und Geländenamen zwingend und ausnahmslos der definite Artikel zu setzen:
der Rhein, die Würm, das Aichtal, das Matterhorn, die Alpen
Zu dieser Klasse von Eigennamen gehören auch einige wenige Orts- und Ländernamen:
Treten zur nominale Komponente von Eigennamen dieser Klasse andere Artikel als eben der definite, verlieren sie - wie artikellose Eigennamen - ihren Status als Eigenname und sind wie Individuativa zu gebrauchen.
Was darüber hinaus zu Nominalphrasen mit definitem Artikel festzustellen wäre, insbesondere zu ihrer Kombination mit verschiedenen Erweiterungselementen ist durchweg semantischer Natur.
Die Flexion von Nominalphrasen mit definitem Artikel
Eine Beschreibung der formalen, semantischen und funktionalen Eigenschaften des definiten Artikels findet sich unter Definiter Artikel.
Nominalphrasen mit indefinitem Artikel
Zu Nominalphrasen mit indefinitem Artikel ist festzustellen:
- dass sie - zumindest im Standarddeutschen - nur über Singular-Formen verfügen. Der Plural bleibt artikellos.
- Artikellose Plurale
- dass bei Konstruktionen aus Artikel und Adjektiv die Verwendung des indefiniten Artikels gemischte Flexion des Adjektivs zur Folge hat: der Alte, jedoch ein Alter
- dass bei ihnen bestimmte Erweiterungsmöglichkeiten blockiert sind, die bei Verwendung des definiten Artikels gegeben wären: *eine Tatsache, dass zwei und zwei vier ist, *ein Fall, dass es regnet. Dabei handelt es sich um den syntaktischen Reflex einer semantisch zu begründenden Erscheinung: Durch das, was mit dem dass-Satz ausgeführt wird, wird der Redegegenstand eindeutig - definit - bestimmt. Ein indefiniter Artikel würde diese Bestimmung konterkarieren
Flexion von Nominalphrasen mit indefinitem Artikel
Nominalphrasen mit Possessiv-Artikel
Nominalphrasen mit Possessiv-Artikel kennen mehr Varianten als Nominalphrasen mit definitem oder indefinitem Artikel, weil das Paradigma der Possessiv-Artikel nicht nur verschiedene Kasus- und Numerus-Formen umfasst, sondern zusätzlich noch jeweils drei Personal-Formen und - in der dritten Person - drei Genera, die sich - anders als etwa im Französischen - nicht nach dem Genus des regierenden Nomens oder Adjektivs richten, sondern nach dem Genus des Ausdrucks, mit dem der Possessor bezeichnet wird oder werden könnte:
Bemerkenswert ist die Beziehung zwischen dem Genus des Possessiv-Artikels und einem nachfolgenden Adjektiv, wo dieses nicht als Attribut zu einem Nomen, sondern selbständig verwendet wird, etwa bei mein Alter oder meine Kleine. Hier kongruieren Genus des Adjektivs und Genus des Artikels auf der Basis einer Sexus-bestimmten Wahl des Genus.
Flexion von Nominalphrasen mit possessivem Artikel
Nominalphrasen mit Demonstrativ-Artikel
Nominalphrasen mit Demonstrativ-Artikel unterscheiden sich strukturell nicht von Nominalphrasen mit definitem Artikel, doch während es sich bei diesem um Formen eines Ausdrucks handelt, gibt es einen Demonstrativ-Artikel in diesem Sinn nicht, wohl aber eine Reihe solcher Artikel, oft unter semantischem Aspekt auch als deiktische Artikel bezeichnet:
- der, die, das - m Unterschied zum definiten Artikel stets betont:
- dieser, diese, dieses
- jener, jene, jenes
- derjenige, diejenige, dasjenige
- derselbe, dieselbe, dasselbe
- selbiger, selbige, selbiges
Sonderfall solch- und derartig-
Alle Demonstrativ-Artikel verfügen über Singular- und Plural-Formen und legen nachfolgende Adjektive auf schwache Flexion fest. Zwei Demonstrativ-Artikel - derjenige/diejenige/dasjenige und derselbe/dieselbe/dasselbe - weisen eine morphologische Besonderheit auf: Sie werden doppelt flektiert.
Flexion von derselbe und derjenige
Semantisch erschöpft sich die Gemeinsamkeit von Demonstrativ-Artikeln darin, dass sich mit ihnen im Verbund mit den weiteren Bestandteilen der Nominalphrase ein Bezug zu Vorerwähntem, Gezeigtem oder in der gegebenen Situation hinreichend Auffälligem herstellen lässt. Die Art und Weise des Bezugs ist dabei jeweils verschieden.
Nominalphrasen mit W-Artikel
Nominalphrasen mit W-Artikel finden sich in selbständigen Fragesätzen und abhängigen W-Sätzen:
(Friedrich Nietzsche: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, Digitale Bibliothek Band 31, S. 3621)
Sie sind auch in Fragen zu gebrauchen, die ohne finites Verb formuliert werden:
Und man findet sie in Ausrufen - finit und nicht-finit:
(LMB, 73)
Welch- übt Rektion auf die Flexion nachfolgender pränominaler Adjektive aus:
Die Genitivformen alternieren systematisch:
aber:
Belegen lässt sich diese Regel auch nach Auswertung umfangreicher Textcorpora nur schwer, weil entsprechende Phrasen extrem selten gebraucht werden:
(Mannheimer Morgen, 12.11.1994, Durch meine Brille)
Neben welch- findet sich das unflektierte welch, das auch zusammen mit dem unbestimmten Artikel auftreten kann. Häufiger noch als welch- tritt welch in Ausrufen auf, seltener sind abhängige W-Sätze, noch seltener selbständige Fragesätze:
(WBO, 117)
(AMB, 133)
(WBO, 46)
Bei Fragesätzen überwiegt welch + ein:
(AGK, 319)
Es finden sich jedoch auch Belege mit bloßem welch:
(AMJ, 170)
Oft wirken mit welch formulierte Fragen rhetorisch:
(AMF, 106)
Nominalphrasen mit Quantifikativ-Artikel
Minimale Nominalphrasen können auch mit so genannten Quantifikativ-Artikeln gebildet werden, denen gemeinsam ist, dass sie zur Mengenbestimmung dienen.
Zu den Quantifikativ-Artikeln werden hier gezählt:
- einiger/einige/einiges, etlicher/etliche/etliches
- irgendein/irgendeine/irgendein, irgendwelcher/irgendwelche/irgendwelches
- jeder/jede/jedes, jedweder/jedwede/jedwedes, jeglicher/jegliche/jegliches
- aller/alle/alles
- mancher/manche/manches
- mehrere
- kein
Die Quantifikativ-Artikel sind aufgrund ihrer jeweiligen Bedeutungen nicht alle gleichermaßen mit Singular- und Plural-Formen beliebiger Nomina zu verbinden:
einiger, einige, einiges
Die Singular-Formen von einiger/einige/einiges treten nur mit Nicht-Individuativa auf:
hingegen nicht:
Dass eine Kategorisierung als Artikel dennoch gerechtfertigt ist, zeigt sich an ihrer Auswirkung auf die Flexion der Singular-Formen attributiver Adjektive. Sie fordern schwache Flexion:
(B98/810.67045 Berliner Zeitung, 09.10.1998, Beilage, S. V)
(LJA, 250)
Im Plural hingegen liegt bei einiger/einige/einiges - anders als bei definiten, possessiven und demonstrativen Artikeln - keine Rektion des Artikels vor:
(LGB, 53)
etlicher, etliche, etliches
Etlicher/etliche/etliches flektiert wie einiger/einige/einiges. Rektion auf pränominale Adjektive übt es einigermaßen eindeutig nur im Dativ Singular Maskulinum und Neutrum aus:
(Süddeutsche Zeitung, 023.02.1998, S. 34)
(Süddeutsche Zeitung, 028.12.1998, S. 14)
Bei Formen im Nominativ Singular finden sich gleichermaßen starke wie schwache Flexionsformen:
(die tageszeitung, 05.09.1992, S. 14)
(die tageszeitung, 04.03.1994, S. 24)
Das Ganze dauert fünfundzwanzig Minuten: ein Digest vom
Puppenspieler Shakespeare, der hier vor allem in Vögeln brilliert: erst Fledermäuse; dann
etliches schwarzes Gefieder; dazwischen, wenn Ophelia ins Wasser geht,
ein schneeweißer Phönix, aufsteigend zum Kosmos; ...
[FAZ/354.00054: Frankfurter Allgemeine Zeitung,
199]
Man denkt an Erich Kästners Gedicht " Vornehme Leute -
1200 Meter hoch " und fragt sich , ob die Fotokünstlerin nicht doch nach dem Prinzip " Versteckte
Kamera " gearbeitet hat , um neben manch Komischem auch etliches
Entlarvende bieten zu können.
[Mannheimer Morgen (1986, Kultur), 29.07.86, S.
20]
Diese sehr spezifische Bibliothek, das Arbeitszimmer des
Meisters und etliches andere wurden nach dem Krieg von Radebeul nach
Bamberg sozusagen ins bundesdeutsche Exil gebracht.
[Süddeutsche Zeitung, 030.03.1995, S. 13]
Es
läßt sich da etliches Selbstgemachtes finden, was es sonst nirgendwo
gibt.
[Frankfurter Rundschau, 04.12.1997, S.
4]
Ihrerseits hätten die Darmstädter ebenfalls
etliches Unfeine unternommen, um dem großen Frankfurter Konkurrenten das
Geschäft zu vermasseln.
[Frankfurter Rundschau,
025.09.1998, S. 29]
irgendein, irgendeine, irgendein
Flexion und Rektion entsprechen dem indefiniten Artikel:
(die tageszeitung, 31.3.1990, S. 41)
(Berliner Zeitung, 02.01.1998, S. 16)
irgendwelcher, irgendwelche, irgendwelches
Singular-Formen kommen selten vor und sind beschränkt auf Nicht-Individuativa:
(St. Galler Tagblatt, 15.02.1999, Kein taugliches Mittel)
(AM3, 1036)
(Mannheimer Morgen, 19.01.1996, Nach dem Flirt folgt der Mord)
Ob irgendwelch- regulär Rektion auf nachfolgende pränominale Adjektive ausübt oder nicht, lässt sich auf der Basis von Korpusbelegen nicht beantworten. Beide Optionen werden hinreichend oft gewählt. Jede Festlegung wäre willkürlich. Das gilt nicht nur für Singular-Formen, wie diese Belege zeigen:
(LBC, 208)
(Studium Generale, 12/1966, 724)
(WBM, 94)
jeder, jede, jedes
Wie der indefinite Artikel kennt jed- nur Singular-Formen:
(LBC, 158)
(LBC, 188)
Die Genitivformen alternieren systematisch: jeden kann nur bei Nomina stehen, die den Genitiv stark markieren: jedes Mannes/jeden Mannes, aber: jedes Piloten/*jeden Piloten.
jedweder, jedwede, jedwedes
jedweder ist eine - etwas antiquierte - Alternativform zu jeder:
(TPM, 66)
(Mannheimer Morgen, 20.01.1989, Von der Kinoleinwand verbannt )
(AMJ, 595)
Traditionell geht man davon aus, dass die Genitivformen systematisch alternieren: jedweden steht bei Nomina, die den Genitiv stark markieren, bei anderen steht jedwedes: jedweden Mannes/*jedwedes Mannes; *jedweden Piloten/jedwedes Piloten.
Belege für jedwedes als Genitivform sind jedoch selbst in den riesigen Corpora des Instituts für Deutsche Sprache nicht zu finden.
jeglicher, jegliche, jegliches
Trotz sachlicher Nähe zu jed- bleibt jeglich- nicht wie dieses auf Singular-Formen beschränkt:
Die Singular-Formen von jeglich- sind Alternativen zu jed-. Im Allgemeinen bewirkt jeglich- schwache Flexion bei pränominalen Adjektiven:
(Die ZEIT, 29.03.85, S.1)
doch finden sich - gar nicht selten - auch Belege ohne Rektion:
(MHE, 446)
(FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG 3. 2. 1966, S. 1)
Die Genitivformen alternieren nach tradierter Auffassung systematisch, wie bei jedweder:jeglichen Mannes/*jegliches Mannes; *jeglichen Piloten/jeglichesPiloten. Belege für jegliches als Genitivform sind allerdings kaum zu finden.
aller, alle, alles
Singular-Formen von all- finden sich nur in Verbindung mit Nicht-Individuativa:
(Die Zeit, 19.07.1996, S. 41)
(Berliner Zeitung, 14.03.1998, Reise)
(die tageszeitung, 07.01.1994, S. 19)
Die Frage, ob all- als Artikel Rektion auf nachfolgende Adjektive ausübt oder nicht, lässt sich nicht eindeutig beantworten, denn es finden sich neben regierten Formen:
(die tageszeitung, 07.04.1990, S. 17)
Auch Formen wie diese:
(die tageszeitung, 07.10.1991, S. 12)
(die tageszeitung, 14.02.1990, S. 10)
mancher, manche, manches
Manch- kann mit allen Nomina in Singular- wie Plural-Form verbunden werden. Bei Eigennamen wirkt die Verbindung allerdings sehr gewollt:
Traditionell wird angenommen, dass manch- auf die Flexion pränominaler Adjektive Rektion ausübt. Im Singular ist das auch überwiegend der Fall, jedoch finden sich auch hier unregierte Formen:
Schließlich wird eine ganze Reihe von Dokumenten zitiert,
die so manchem bravem DDR-Bürger den Atem stocken lassen
werden.
[Mannheimer Morgen, 12.06.1989, Offenes
Bekenntnis zum neuen Moskauer Kurs]
Am Montag im Stadtrat
beteiligte sich der Fraktionsvorsitzende der CDU, Berthold Messemer, wacker an manchem
rhetorischem Höhepunkt der langen Sitzung, am Dienstag morgen trafen ihn Herzprobleme, die
einen Aufenthalt im Krankenhaus und intensive ärztliche Betreuung notwendig machen.
[Mannheimer Morgen, 18.12.1997, Berthold Messemer
ist erkrankt]
Was man dummerweise auch über so manches
auftretendes Model dieses Mode-Abends sagen muss.
[ Berliner Zeitung, 12.10.1999, S. 28]
Im Plural finden sich regierte wie unregierte Formen in so großer Zahl, dass nicht einmal Tendenzen zu erkennen sind:
(Berliner Zeitung, 23.01.1999, S. I)
Wäre er in einer gallischen Erziehungsanstalt und in
diesem Säkul sehr gut ausgebildet und verfeinert worden, so müßt' er manche romantische
Gefühle, die er dem Dichter gleich zubringt, erst ihm abfühlen. Jean Paul
Sieben Tage in der
Woche arbeiten manche jungen Mütter, zum größten Teil von zu Hause aus.
[Berliner Zeitung, 24.07.1999, S.
79]
Über diesen Sorgen traf sie der Werkführer oder oberste
Arbeiter, der jetzt eintrat, um mit ihr die Angelegenheiten und den Bestand der Geschäfte
durchzusehen und manche wichtige Dinge zu besprechen. [Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche
Literatur, S. 59791]
Noch heute regieren manche
afrikanische Staatschefs ihr Land wie einst ihr Großvater das Heimatdorf.
[Berliner Zeitung, 17.06.1998, S.
31]
Und Harnoncourt leistet sich obendrein manche kruden
Willkürlichkeiten: In der ersten Könniginnen-Arie verhindern -zig verschiedene Tempi einen
fließenden Largo-Teil, im Duett Pamina-Papageno eliminiert er zugunsten eines Sprechsatzes die
beiden Kadenz-Akkorde der ersten Phrase.
[Mannheimer
Morgen, 30.03.1989, Kultur]
Das ist nämlich eigentlich nur
bei intradeutschen Süßigkeitstransaktionen üblich, weil manche deutschen Kinder keinen
Zucker, andere keinen Weizen oder sowieso nur "Biofutter" essen dürfen.
[ Berliner Zeitung, 07.11.1997,S.
21]
Und am Ende klappt man, trotz mancher zynischer
Brutalitäten und Sex am Pool, den Film ohne Atemnot zu.
[B98/808.52845 Berliner Zeitung, 21.08.1998; KULTURPOLITIK, S.
1]
Die Genitivformen alternieren in der Regel systematisch:
Vereinzelt finden sich jedoch auch solche Formen:
(Mannheimer Morgen, 05.01.1989, Wirtschaft)
Gelegentlich tritt manch- mit dem Zusatz so auf:
(TPM, 47)
Auch unflektiertes manch tritt als Determinativ:
(AMJ, 603)
(AM1, 243)
Gelegentlich tritt unflektiertes manch auch mit indefinitem Artikel auf:
(LGB, 280)
mehrere
Mehrere tritt als Artikel aufgrund seiner Bedeutung ausschließlich mit Nomina in Plural-Form auf. Da es keine Rektion auf pränominale Adjektive ausübt, scheint es fraglich, ob es sich bei diesem Ausdruck überhaupt um einen Artikel handelt. Sein Auftreten blockiert jedoch alle anderen Artikel, was als hinreichender Grund dafür gelten kann, dass mehrere selbst die Funktion eines Artikels erfüllt, wenn es in Erstposition einer Nominalphrase steht.
Einige Beispiele:
(Mannheimer Morgen, 17.02.1989, S. 2)
(LFH, 212)
(die tageszeitung, 19.04.1990, S. 2)
kein
Trotz ausdrucksseitiger Nähe zum unbestimmten Artikel - gleiche Flexion im Singular - und zu den Possessiv-Artikeln - gleiche Flexion im Plural - ist kein aus semantischen Gründen zu den quantifizierenden Determinativen zu rechnen. Hierzu:
Die Bedeutung minimaler Nominalphrasen
Wie die Formen des unbestimmten Artikels regieren die Formen von kein im Singular die gemischte Deklination bei pränominalen Adjektiven:
Im Plural werden nach kein - wie bei Possessiv-Artikeln - pränominale Adjektive schwach flektiert:
Die Formen von kein verbinden sich - von Eigennamen abgesehen - mit Nomina aller Art:
(die tageszeitung, 9.8.1988, 8.8.1888, S. 20)
Die Ausdrücke, die hier als Quantifikativ-Artikel aufgeführt werden, verhalten sich jedoch zum Teil nur mit Einschränkungen wie Artikel. So kann etwa jed-, jeglich-,jedwed- und manch- im Singular ein indefiniter Artikel vorangestellt werden, etlich- im Plural ein Demonstrativ-Artikel (dies- oder jen-), ebenso mehrer-, das nur Pluralformen kennt. Bei diesen Ausdrücken scheint eine Klassifikation als Quantifikativ-Adjektiv näher zu liegen denn als Quantifikativ-Artikel. Andererseits verhalten sie sich aber auch nicht so ganz wie Adjektive, denn sie können in Nominativ- und Akkusativ-Formen Rektion auf nachfolgende Adjektive und Partizipien ausüben:
(Johann Wolfgang Goethe, "Wilhelm Meisters Lehrjahre", Hamburger Ausgabe, Band 7, S. 40)
(Frankfurter Rundschau, 03.06.1998, S. 8)
Das nämlich, von dem ich weiß, daß es mir dieser Hund
gesagt hat, ohne daß ich es gehört habe, weil, wie ein jeglicher Gescheiter weiß,
Hunde nicht reden können, so blabla wie wir, aber ich sage nicht, woher ich das weiß, was er
meinte.
[Frankfurter Rundschau, 026.06.1999, S.
6]
Mit Zuversicht und Vertrauen gehe unsere Volksvertretung
und gehe ein jeder Abgeordneter an seine Arbeit.
[Neue Zeit, Hrsg.: CDU; 06.04.1990, S. 3]
Der Schwierigkeit, diese Quantifikativ-Ausdrücke theoretisch zu klassifizieren, entspricht in der Praxis eine Unschärfe der Bildungsregeln, die nur normativ zu überwinden wäre.