Solch- und derartig-
Beim Versuch, die Formen von solch- und derartig- einer Wortart zuzuordnen, ergeben sich eine Reihe von "Ungereimtheiten", wenn man sonst bewährte formale und semantische Klassifikationskriterien anwenden möchte.
Aufgrund ihrer Bedeutung läge es nah, solch- und derartig- als Adjektive klassifizieren:
Dagegen sprechen jedoch bestimmte morphologische Befunde bei Verwendung von solch- und derartig- ohne vorangestellen Artikel, denn nach gängigem Sprachgebrauch üben solch- und derartig- in dativischen Nominalphrasen fast durchgängig und in Pluralformen überwiegend wie Artikel Rektion auf nachfolgende Adjektive aus:
[Clemens Brentano: Ponce de Leon. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 4536]
Gebührt ein großes Grab.
[Heinrich Heine: Buch der Lieder. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 37809 ]
[Heinrich Heine: Reisebilder. Dritter Teil. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 39461]
[Achim von Arnim: Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 56]
[Wilhelm Raabe: Abu Telfan. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 77399]
Es finden sich allerdings - speziell bei Pluralformen - auch Belege für eine eindeutig adjektivische Verwendung von solch-:
[Georg Forster: Ansichten vom Niederrhein. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 16904]
[Georg Forster: Ansichten vom Niederrhein. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 17056]
[Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Eine Tragödie. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 22661]
[Kurt Tucholsky: Werke und Briefe: 1918. Digitale Bibliothek Band 15: Tucholsky, S. 1019]
[E. T. A. Hoffmann: Nachtstücke. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 46969]
[Franz Kafka: Amerika. Digitale Bibliothek Band 1: Deutsche Literatur, S. 55345]
Bemerkenswert ist auch, dass sowohl solch- als auch derartig- zum einem sehr viel häufiger ohne nachfolgendes Adjektiv verwendet werden als mit einem solchen und zum andern kaum weniger häufig mit vorangestelltem indefiniten oder quantifikativen Artikel auftreten.
Welche Konsequenzen sind aus diesen Erkenntnissen zu ziehen? Man kann entweder davon ausgehen, dass hier ein sprachlicher Wandel im Gang ist, der die kategoriale Zuordnung dieser Ausdrücke betrifft, oder man kann darin eine Schwäche der grammatiktheoretischen Rekonstruktion der deutschen Sprache erkennen, der es hier nicht gelingt, eindeutige Zuordnungen vorzunehmen. Für letztere Auffassung spricht vor allem, dass die grammatische Kategorisierung in jedem Fall keine Widerspiegelung realer Verhältnisse sein kann, sondern stets ein Konstrukt bleiben wird.
Siehe auch: Probleme der Wortartklassifikation.