Semantische Grundtypen der Nebensätze

Nebensätze lassen sich folgenden semantischen Grundtypen zuordnen:

Die Korrelation zwischen der morphosyntaktischen Gestalt und den semantischen Grundtypen der Nebensätze wird am Ende dieser Informationseinheit in einer Tabelle veranschaulicht.

Termsätze

Termsätze bezeichnen wie alle Terme Gegenstände. (Rede-)Gegenstände können dabei auch Propositionen sein. Auf solche propositionalen Gegenstände sind dass- und ob-Sätze sowie nicht-eingeleitete Verbzweitsätze spezialisiert:

(1) Eine Tatsache ist, dass Versprechen seltener gehalten als gegeben werden.
(2) Ich weiß nicht, ob sie meinen Bruder kennt.
(3) Man befürchtet, die Aktien werden schneller fallen als erwartet.

Dagegen bezeichnen Nebensätze mit W-Elementen Gegenstände unterschiedlicher Sorten. Die Gegenstandssorte kann durch das W-Element angezeigt sein. So wird z. B.

  • mit dem was-Satz in (4) auf (Rede-)Gegenstände beliebiger Art Bezug genommen, vorzugsweise aber auf propositionale Gegenstände:
(4) Niemand verstand, was mit dieser Behauptung gemeint war.
  • mit dem wer-Satz in (4a) nur auf Personen Bezug genommen:
(4a) Niemand verstand, wer mit dieser Behauptung gemeint war.
  • mit dem wo- Satz in (4b) nur auf Orte Bezug genommen:
(4b) Niemand verstand, wo die Versammlung stattfinden sollte.

Termsätze fungieren syntaktisch gesehen prototypischerweise als Komplemente. Sie können dabei wie in (1) bis (4b) primäre Komponenten des Satzes, also Verbkomplemente, sein oder wie in (5) und (6) sekundäre Komponenten des Satzes, das heißt Komplemente zu Nomina und Adjektiven:

(5) Die Tatsache, dass Versprechen seltener gehalten als gegeben werden, ist nicht überraschend.
(6) Ich war mir nicht sicher, ob der Zug schon abgefahren war.

Zu Subklassen der Termsätze

Adverbialsätze

Zu unterscheiden sind hier

Satzadverbialsätze sind semantisch weiter zu differenzieren. Sie sind typischerweise

(7) Das Sportfest fällt aus, wenn das Wetter schlecht ist.

Außerdem können sie sein:

(8) Wie ich vermute, fällt das Sportfest aus.
(9) Soweit ich es feststellen kann, fällt das Sportfest aus.
(10) Weil du es so genau wissen willst - das Sportfest fällt aus.

(11) Das Sportfest fällt aus, was ja zu vermuten war.
(12) Das Sportfest fällt aus, weshalb wir nicht unglücklich sein sollten.

Durch weiterführende Nebensätze wird die Proposition bzw. die Gesamtbedeutung des Obersatzrestes aufgegriffen und als Thema fortgeführt.

Satzadverbialsätze können Subjunktorsätze aller Typen sein (vgl. etwa (7), (9) und (10)). Außerdem erscheinen sie als W-Sätze. Dabei sind

  • propositionsbezogen z. B. Nebensätze mit wo, wann, die Charakteristiken von Orten oder Zeiten liefern, die als Propositionsmodifikatoren geeignet sind, wie in:
(13) Er unterhielt sich mit den Leuten, wo/wann es ihm gefiel.
  • modusmodifizierend z. B. Vergleichssätze mit wie, vgl. oben (8)
  • weiterführend vor allem was-Sätze, die prototypisch Termsätze sind, vgl. oben (11), und Sätze mit W-Adverbien wie weshalb, wobei, wofür, vgl. oben (12)

Schließlich können propositionsbezogen auch Verberstsätze gebraucht werden:

(14) Ist das Wetter schlecht, fällt das Sportfest aus.

Zur Peripherie der Satzadverbialsätze gehören Nebensätze, die weder modifizierend oder kommentierend noch weiterführend auf den Obersatzrest oder einen Aspekt des Obersatzrestes bezogen, sondern inhaltlich locker angefügt sind. Ihre Unterordnung scheint eher auf Gesichtspunkten der kommunikativen Gewichtung oder der Kontrastierung zu beruhen als auf semantischen Gesichtspunkten. Hierher gehören Konfrontativsätze und Komitativsätze wie

(15) Während das Sportfest ausfällt, findet die Theaterveranstaltung statt.
(16) Er fuhr durch ganz Europa, wobei er unterwegs zahlreiche Bekannte aufsuchte.

Verbgruppenbezogene Adverbialsätze fungieren als Prädikatsmodifikatoren und erscheinen z. B. als Nebensätze mit wie oder womit:

(17) Er unterhielt sich mit Leuten, wie er es von früher her gewohnt war, nämlich ganz locker und gelöst.
(18) Er kämpfte, womit er immer gekämpft hatte, nämlich mit der Faust.

Für die Adverbialsätze mit W-Elementen (eine Ausnahme bilden hier was-Sätze, die prototypisch Termsätze sind) ist charakteristisch, dass der gesamte Nebensatz im Obersatz dieselbe Adverbialfunktion hat wie das W-Element im Nebensatz. Dies zeigt sich z. B. an folgender Paraphrase von (13):

(13a) Er unterhielt sich mit den Leuten an Orten/zu Zeiten, die die Eigenschaft hatten, dass es ihm an/in ihnen gefiel.

Adverbialsätze fungieren syntaktisch gesehen prototypischerweise als Supplemente (vgl. (7)-(18)). Sie können aber auch als Komplemente wie in (19)¿(21) oder Attribute wie in (22) auftreten:

(19) Er wohnt, wo früher die Schmidts gewohnt haben.
(20) Er verhielt sich, wie ein Gentleman es gewohnt ist.
(21) Es ist gut, wenn er kommt.
(22) Der Tag, als endlich der Regen kam, war einer der letzten Augusttage.

Zu Subklassen der Adverbialsätze

Nomenmodifikatorsätze und charakteristikaspezifizierende Nebensätze

Als Nomenmodifikatoren werden vor allem W/D-Sätze gebraucht:

(23) Die Erwartungen, die wir hegten, wurden enttäuscht.
(24) Der Ort, wo du wohnst, ist öde.
(25) Eine Methode, wie man der Probleme Herr werden kann, ist noch nicht gefunden.

Außerdem können als Nomenmodifikatoren bestimmte (vor allem temporale) Subjunktorsätze auftreten, die prototypischerweise als Adverbialsätze fungieren, wie:

(22) Der Tag, als endlich der Regen kam, war einer der letzten Augusttage.
(26) Die Stunde, bevor der Tag anbricht, ist beunruhigend.

Charakteristikaspezifizierende Nebensätze bezeichnen Charakterisitika von (Rede-)Gegenständen bei deiktischen oder quantifizierenden Ausdrücken (meist Demonstrativ- oder Quantifikativ-Pronomina). Stehen diese im Neutrum Singular werden W-Sätze wie in (27) gebraucht, im Zusammenhang mit einem anderen deiktischen oder quantifizierenden Ausdruck D-Sätze wie in (28):

(27) Das/alles/vieles, was du gesagt hast, leuchtet mir ein.
(28) Die(jenigen)/alle/viele, die das Problem nicht verstanden haben, sollen sich melden.

Nomenspezifikatorsätze und charakteristikaspezifizierende Nebensätze fungieren syntaktisch gesehen als Attributsätze.

Korrelation zwischen der morphosyntaktischen Gestalt und den semantischen Grundtypen der Nebensätze

Die Korrelation zwischen der morphosyntaktischen Gestalt und den semantischen Grundtypen der Nebensätze gibt vereinfacht folgende Tabelle wieder:

Morphosyntaktische
Gestalt
primäre Funktionsekundäre Funktionperiphere Funktion
SubjunktorsätzeAdverbialsätzeTermsätze (dass, ob)Nomenmodifikatorsätze
W-SätzeTermsätze (was, wer, wo), Adverbialsätze (wie, wo)Nomenmodifikatorsätze (wie, wo, welcher), charakteristika-
spezifizierende Nebensätze (was)
D-SätzeNomenmodifikatorsätze, charakteristika-
spezifizierende Nebensätze
VerberstsätzeAdverbialsätze
VerbzweitsätzeTermsätze

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