Weiterführende Nebensätze

Weiterführende Nebensätze modifizieren weder die Proposition des Obersatzrestes noch dessen Modus und sind auch keine Moduskommentare. Sie sind vielmehr semantisch und informationsstrukturell desintegriert, und nur die Verbletztstellung weist auf ihre Unselbständigkeit hin. Formal gesehen sind solche Nebensätze dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Verweis auf die Proposition des Obersatzrestes bzw. auf dessen Gesamtbedeutung , d. h. die Proposition und den Modus, enthalten. Dieser Verweis kann ausgedrückt werden durch:

  • ein einleitendes W-Element: was, Präpositionaladverb wie wobei, wofür, wozu, worüber, woran, worauf, W-Adverb wie weshalb, wohingegen
  • einen deiktischen Ausdruck wie das, dies oder die Anapher es in einem Nebensatz, der durch Subjunktoren wie ohne dass, wenn auch, obgleich oder durch wie eingeleitet wird

Beim Verweis auf die Proposition und den Satzmodus wird die Wahrheit des Obersatzrestes vorausgesetzt, z. B.:

(1) Die einzelnen Gruppen des Orchesters sind gut aufeinander abgestellt, die Aufnahmetechnik legte vor allem auch Wert auf Bläserpräsenz, was den Stücken nur zugute kommt. (Mannheimer Morgen, 6.2.1987, 47)
(2) Er hat sich nicht bei mir entschuldigt, wobei mir das nicht einmal seltsam vorkam.
(3) (...) der eine fällt, der andere kommt davon, ohne daß das mit der Tapferkeit des einen und des anderen viel zu tun hätte. (LMB, 67)
(4) Er hat sich auf diese Aufgabe eingelassen, wenn das auch aus meiner Sicht für ihn nur eine Belastung bedeutet.
(5) Er hat sich nicht bei mir entschuldigt, wie ich (das) von ihm auch nicht anders erwartet hatte.

Dagegen liegt ein reiner Propositionsverweis vor allem dann vor, wenn der Obersatz ein nicht-faktischer Untersatz in einem anderen Obersatz ist:

(6) Sollte Neuberg einem Mord zum Opfer gefallen sein - wofür bis jetzt nicht der geringste Beweis vorlag -, dann war dieser Anschlag durch eine schadhafte Nachttischlampe erfolgt und nicht durch Gift, das stand felsenfest. (TPM, 99)
(7) Wenn sich die anderen Länder nicht den deutschen Kreditmöglichkeiten anpaßten, wofür er keine Aussicht sehe, dann müsse eben die Bundesrepublik gleichziehen. (Welt, 3.12.1964, 16)
(8) Ganz besonders wichtig ist dabei, daß nicht nur die großen Länder, sondern auch die kleinen davon Nutzen haben, wofür die Bundesrepublik sich stark eingesetzt hat. (Bild, 17.5.1967, 5)

Weiterführende Nebensätze, die sich auf die Proposition und den Satzmodus beziehen, greifen die Gesamtbedeutung des Obersatzrestes auf und führen sie als Thema fort. Sie erlauben es, diejenige Proposition im Hauptsatz auszudrücken, die bei entsprechenden "normalen" Subjunktorsätzen als Nebensatz formuliert werden müsste, man vergleiche etwa

(9) Er ist endlich gekommen, worüber wir uns freuen.

gegenüber

(9a) Wir freuen uns darüber, dass er endlich gekommen ist.

Dies macht Umschichtungen auf der Ebene der Textorganisation möglich. Dabei ist zu beachten, dass weiterführende Nebensätze - anders als etwa nicht-restriktive/appositive Relativsätze, die typischerweise Träger von Nebeninformationen sind - zunächst einmal gewichtigungsneutral sind, das heißt, mit ihnen kann sowohl die Hauptinformation des Obersatzes vermittelt werden wie in (10) als auch eine Nebeninformation, die bei der weiteren thematischen Progression keine Rolle spielt, wie in (11):

(10) Rache an Mercedes ist der Beweggrund eines Franzosen, der in Hockenheim während des Rennens zwischen den heranbrausenden Autos auf der Piste herumspaziert. Seine Aktion ist letztendlich sogar erfolgreich: Sein Auftritt provoziert den Einsatz des Safety-Cars, wodurch Mika Häkkinen seinen Vorsprung einbüßt. Am Ende wird der Finne Zweiter hinter Barrichello. (Mannheimer Morgen, 23.10.2000, Sport, Die Tops und Flops 2000)
(11) Zwar wurde das Schiedsgericht nun zum Internationalen Gerichtshof aufgewertet, mit ständigen Richtern und einem festen Sitz, doch konnten strittige Fälle auch fürderhin dem Gremium nur unterbreitet werden, wenn alle Kontrahenten sich damit einverstanden erklärten (was übrigens noch heute gilt). Ein Fortschritt war es immerhin. (Die Zeit, 12.05.1999, 80)

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