Konditionalsätze

Konditionalsätze gehören zu den Satzadverbialsätzen. Als konditionale Subjunktoren fungieren vor allem

Daneben können Verberstsätze konditional verwendet werden.

Wenn-Sätze

Das weiteste Gebrauchsspektrum hat der Subjunktor wenn. Wenn-Sätze können gebraucht werden als:

Beim Gebrauch als propositionsbezogenes Supplement sind zu unterscheiden:

  1. konditional-hypothetische Verwendung
    1. generisch/generalisierend

      (1) Wenn man Knollenblätterpilze isst, vergiftet man sich.
      (2) Der Mensch ist allgemein vermessen, wenn er sich in seiner Verblendung an das Unmögliche heranwagt.

    2. singulär

      (3) Wenn er bis fünf nicht anruft, werde ich nervös.

  2. temporale Verwendung

    1. generalisierend

      (4) Der Junge wollte nie etwas erzählen, wenn er von der Schule nach Hause kam.

    2. singulär

      (5) Wenn ich das Buch durchgelesen habe, gebe ich es dir gleich.

  3. faktische Verwendung

    (6) Wenn Helge Leiberg mit schweren, kraftvollen Pinselstrichen auf einer Länge von über dreieinhalb Metern einen Kneipen-Jazz-Pianisten darstellt, dann ist das eine Szene, wie man sie in der Wirklichkeit erleben kann (...). (Mannheimer Morgen, 12.1.1987, 24)

Allen diesen Verwendungsweisen liegt ein gemeinsames Konditionalschema zugrunde, das man folgendermaßen beschreiben kann:

Das Konditionalgefüge besteht aus Untersatz (Antezedens, p) und Obersatzrest (Konsequens, q). Dabei ist es aus der Sicht des Sprechers mit dem einschlägigen Wissen eher vereinbar, dass 'p und q' der Fall ist, als dass 'p und nicht-q' der Fall ist. Das heißt, Situationen, in denen p und q gelten, sind auf dem jeweiligen Redehintergrund und bei dem jeweiligen Wissensstand wahrscheinlicher oder eher denkbar als Situationen, in denen p der Fall ist, q jedoch nicht der Fall ist.
Zu indikativisch formuliertem, potentialem und kontrafaktischem Konditionalgefüge siehe die Informationseinheit Konditionalgefüge.

Auf der logischen Struktur des Konditionalschemas basieren außer Konditionalsätzen auch Kausalsätze, Konsekutivsätze, Konzessivsätze, Finalsätze und Irrelevanzsätze.

Beim Gebrauch als Komplement bleibt die oben festgelegte Grundbedeutung des adverbialen wenn-Satzes erhalten. Die verschiedenen Ausprägungen als hypothetische (generalisierend und singulär) sowie temporale (wohl nur generalisierend) und faktisch verwendete Untersätze bleiben ebenfalls erhalten, man vergleiche:

  1. hypothetische Verwendung
    1. generalisierend

      (7) Es ist immer gut, wenn man etwas zu tun hat.

    2. singulär

      (8) Es ist gut, wenn du heute Abend kommst.

  2. temporale Verwendung

    (9) Es war immer sehr schön, wenn er kam.

  3. faktische Verwendung

    (10) Es ist bewusste Verleumdung, wenn du sagst, ich hätte absichtlich die Vase fallen gelassen.

Die Besonderheit der wenn-Sätze als Komplementsätze beruht darauf, dass sie die von ihnen bezeichnete Proposition als Argument an das Obersatz-Denotat weitergeben: So ist bei (7) die Proposition, die man als 'man etwas zu tun haben' fassen kann, als Argument des Obersatzprädikates 'gut sein' (an Subjektstelle) zu interpretieren und es im Obersatzrest als Korrelat des Komplementsatzes zu analysieren.

Den Gebrauch als nicht-propositionsbezogene Supplemente bzw. moduskommentierende Nebensätze teilen wenn-Sätze mit anderen Subjunktorsätzen.

(11) Wenn die Wohnung muffig riecht, ist sie feucht.
paraphrasierbar als:
'Wenn die Wohnung muffig riecht, so ist daraus zu schliessen, dass sie feucht ist.'
(12) Wenn du es genau wissen willst, ich habe nicht an der Sitzung teilgenommen.
paraphrasierbar als:
'Ich sage das für den Fall, dass du es genau wissen willst.'
(13) Wenn dir das Benzin ausgegangen ist, die Tankstelle ist unten an der Ecke.

paraphrasierbar als:

'Ich sage das für den Fall, dass dir das Benzin ausgegangen ist.'

Bei moduskommentierenden wenn-Sätzen wie (11) liegt ein reduktiver Schluss zugrunde. Moduskommentierende wenn-Sätze in Aussagesatzgefügen wie (12) und (13) können dagegen nicht als Basis von Inferenzen fungieren. Vielmehr gilt das Konsequens (Obersatzrest) aus der Sicht des Sprechers ohnehin, unabhängig davon, ob das Antezedens (wenn-Satz) gilt. Der Sprecher formuliert keine Regularität, sondern mit seinem Moduskommentar im Nebensatz einen Hinweis darauf, unter welchen Bedingungen die Hauptsatzaussage aus seiner Sicht relevant werden kann. Wie andere moduskommentierende Nebensätze werden solche wenn-Sätze auch im Kontext von Fragesätzen verwendet:

(14) Wenn ich fragen darf, haben Sie sich überhaupt angemeldet?
paraphrasierbar als: 'Ich frage Sie das, wenn ich fragen darf.'

Falls- und sofern-Sätze

Falls und sofern werden ausschließlich konditional-hypothetisch gebraucht, z. B.:

(15) Falls ihr hierbleibt, werdet ihr von den Chinesen umgebracht. (Frankfurter Rundschau, 1.09.1997, 14) (TPM, 151)
(16) Auf diese Weise wird verhindert, daß explosive Gasgemische entstehen, falls der Gasbehälter einmal ein Leck haben sollte. (Bild der Wissenschaft, 2/1967, 146)
(17) Der A3XX wird in Hamburg gebaut werden, sofern Airbus demnächst offiziell den Produktionsstart beschließt. (TAZ, 10.10.2000, 21)
(18) Dort kann man, sofern das Auge nicht geblendet ist, die Sterne auch in unmittelbarer Nähe der Sonne beobachten; (...). (WGW, 125)

Kontrafaktischer Gebrauch ist in der Regel ausgeschlossen. Das heißt, Belege mit Konjunktiv sind meist entweder auf einen Indirektheitskontext zurückzuführen wie in (19), oder potenzial zu interpretieren wie in (20). Dennoch ist manchmal auch kontrafaktische Verwendung möglich wie in (21):

(19) Hierauf wurde ihm ein Ordnungswidrigkeitsverfahren angedroht (...), falls er nicht innerhalb von vier Wochen eine Müllnormtonne bereitstelle. (Zeit, 12.4.1985, 15)
(20) Falls die Tiere dort wirklich von der Maul- und Klauenseuche befallen wären, hätte das auch für die Bremer Bauern katastrophale Folgen. (taz, 24.03.2001, 25)
(21) Solange die Boeing in Algier stand (...), wäre ein Kommandounternehmen denkbar gewesen, falls die algerische Regierung die Zustimmung gegeben hätte. (Zeit, 21.6.1985, 2)

Häufig wird bei potentialer Verwendung sollte- hinzugesetzt (vgl. weiter oben (16)).

Wie falls und sofern werden die Verbindungen unter der Bedingung, dass/unter der Voraussetzung, dass/im Fall(e), dass/vorausgesetzt, dass gebraucht. Bei angenommen, dass wird auf den hypothetischen Charakter besonders abgehoben:

(22) Hätte man die Prinzessin retten können? Ochsner: "Angenommen, daß sie nach fast zwei Stunden immer noch am Leben war und man sie innerhalb einer Stunde eingeliefert hätte, hätte man ihr Leben vielleicht retten können." (Berliner Zeitung, 10.02.1998, 18)

Verberstsätze

Verberstsätze werden konditional-hypothetisch, jedoch regelmäßig auch kontrafaktisch gebraucht (vgl. (24) und (25)). Bei potenzialer Verwendung wird häufig sollte- hinzugesetzt (26).

(23) Es bleiben übrig Arbeiten wie meine, die, stoßen sie dem Menschen zu, von gleicher Wirkung sind wie Autoräder, die Menschen überrollen und verstümmeln. (M. Maron, Flugasche, 1981, 179)
(24) Hätte ich nicht seit meiner frühen Jugend Migräne gehabt, wäre ich Musiker geworden. (Zeit, 9.8.1985, 50)
(25) Hätte Lessing jenen Vortrag gehört, er wäre am Schluß über Enrico Grass hergefallen (...). (Zeit, 25.1.1985, 41)
(26) Sollte er es aber nicht wissen, so werde ich mich bemühen, ihm die deutsche Friedfertigkeit klarzumachen. (Bild, 8.3.1967, 4)

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