Kausalsätze

Kausalen Verhältnissen liegen Regularitäten zugrunde, die nach dem Konditionalschema rekonstruiert werden können. Allerdings kommt beim kausalen Verhältnis der Anspruch auf Faktizität der Voraussetzung, des Antezedens, hinzu. Das heißt, mit

(1) Die Rohre platzen, weil Frost herrscht.

wird nicht nur behauptet oder festgestellt, dass in aller Regel, nach allem, was wir aus Erfahrung wissen, Rohre platzen, wenn Frost herrscht, sondern dass darüber hinaus auch in der Tat Frost herrscht. Aus dieser zusätzlichen angenommenen Wahrheit der Voraussetzung folgt auch die Wahrheit der Folgerung, des Konsequens. Der Nebensatz vertritt bei Kausalsätzen immer das Antezedens und der Obersatzrest das Konsequens.

Die zentralen kausalen Subjunktoren sind weil und da. Daneben wird in Kausalsätzen der Subjunktor zumal verwendet. Kausal verwendet werden peripher auch wo-Sätze und Verberstsätze mit der Partikel doch sowie Proportionalgefüge mit umso + Adjektiv/Adverb im Komparativ ... + als.

Weil- und da-Sätze

Die Subjunktoren gehören teilweise verschiedenen sprachlichen Registern an. Da wird umgangssprachlich selten verwendet, weil hingegen findet sich in allen Sprachausprägungen. Weil wird auch in einer Reihe von Kontexten gebraucht, in denen da nicht möglich ist. Umgekehrt scheint es keinen klaren Fall eines formal erkennbaren Verwendungskontextes zu geben, in dem da möglich, weil jedoch ausgeschlossen ist. Es deutet sich dabei folgender funktionaler Gebrauchsunterschied zwischen weil- und da-Sätzen an:

Weil-Sätze können als Propositionsmodifikatoren und als Moduskommentare verwendet werden, da-Sätze werden nur als Moduskommentare verwendet.

So können nur weil-Sätze z. B. in folgenden Fällen verwendet werden:

- Antwort auf warum-Fragen:

(2) Warum eignet sich das Genre besonders für Imax? Weil es eine besondere Nähe vermittelt, das Gefühl, dabei zu sein. (Frankfurter Rundschau, 18.02.1999, 5)

Nicht möglich ist hier:

(2a) * (...) Da es eine besondere Nähe vermittelt, das Gefühl, dabei zu sein.

Warum-Fragen zielen immer auf eine Explikation der Gründe dafür 'dass es so ist, dass p' ab, nicht auf eine Explikation der Begründung für eine vollzogene Sprechhandlung (abgesehen von Fällen wie warum hast du mich gefragt, ob ...). Es muss sich also bei der weil-Antwort um die Modifikation einer bereits zur Sprache gebrachten Proposition, um ein Rhema zu einem propositionalen Thema handeln.

- in nachgeordneten Untersätzen:

Wenn ein Kausalsatz einem anderen Nebensatz untergeordnet ist, dann muss in der Regel weil gewählt werden:

(3) Er wohnte in der Nähe einer sehr großen und sehr dunklen Kirche, in der Engelsstraße (ich weiß bis heute nicht, ob er sich verpflichtet fühlte, in der Engelsstraße zu wohnen, weil er in der SPD war). (LBC, 194)
(4) Es genügt, auf die Gräber jener zu weisen, die ein unmenschliches Regime erschießen ließ, weil sie die Freiheit suchten. (FAZ, 11.12.1965, 1)

Primäre Untersätze können als Moduskommentare fungieren, sekundäre, die ja in der Regel Untersätze zu propositionsmodifizierenden Untersätzen sind, können dies in der Regel nicht. Sie sind vom Modus, der an den Hauptsatz angebunden ist, abgetrennt. Allerdings kann da in nicht-restriktiv verwendeten Relativsätzen und in weiterführenden Nebensätzen verwendet werden, da diese Träger eines Satzmodus sind:

(5) Nach dem Zoll (...) ging ich in die Bar (...) - und ging gradaus in die Toilette hinunter, wo ich mir, da ich nichts anderes zu tun hatte, die Hände wusch. (LFH, 12)

- im Skopus der Modaladverbialia:

Hierher gehören die Vorkommen von vielleicht, wahrscheinlich, vermutlich usw. (...) weil:

(6) (...) ich bin erschrocken, vielleicht weil ich irgendetwas geträumt oder gemeint habe, Schritte zu hören. (LFH, 192)

Modalisierung kann sich nur dann auf das kausale Verhältnis insgesamt beziehen, wenn der Kausalsatz selbst nicht moduskommentierend verwendet wird. Da-Sätze wirken als Moduskommentare, also müssen sie sich außerhalb des Skopus des Modaladverbiales befinden. Sie können somit verwendet werden, wenn die Modalisierung nur für den Hauptsatz gilt. In diesem Fall werden sie eventuell sogar der Deutlichkeit halber bevorzugt:

(6a) Vielleicht bin ich erschrocken - da ich (ja) irgendetwas gehört habe.

Dagegen können z. B. in folgenden Fällen der Moduskommentierung sowohl da-Sätze als auch weil-Sätze verwendet werden, wobei die weil-Sätze im Nachfeld oder linken Außenfeld stehen müssen:

- Begründungen aufgrund von reduktiven Schlüssen:

(7) Er arbeitet wohl noch, da seine Lampe noch brennt.
(7a) Da seine Lampe noch brennt, arbeitet er wohl noch.
(7b) Er arbeitet wohl noch, weil seine Lampe noch brennt.
(7c) Weil seine Lampe noch brennt ¿ er arbeitet wohl noch.

- Begründungen für das Gesagte unter dem Aspekt des "so ist es, weil":

(8) Wir werden es schon schaffen, da wir es (ja) schaffen wollen.
(8a) Wir werden es schon schaffen, weil wir es schaffen wollen. (WGS, 178)

Umgangssprachlich wird in obigen Fällen ¿ ausschließlich bei Nachstellung ¿ häufig die Verbzweitvariante des weil-Satzes gebraucht, bei der weil dem folgenden Satz, vergleichbar einem Kurzkommentar, in der Regel mit einer Pause vorangestellt wird. Eine solche Verbzweit-Variante gibt es zu da-Sätzen nicht.

(7d) Er arbeitet sicher noch, weil seine Lampe brennt ja noch.
(8b) Wir werden es schaffen, weil - wir wollen es schaffen.

- Begründungen für den Vollzug bestimmter Sprechhandlungen:

(9) Weil du es unbedingt wissen willst - der Hans ist es nicht gewesen.
paraphrasierbar als: 'Weil du es unbedingt wissen willst, sage ich/gestehe ich/offenbare ich es dir ...'.
(10) Weil du es bist, ich komme morgen.
paraphrasierbar durch:
'Weil du es bist, verspreche ich dir ...'

Ein Beleg für sprechhandlungsbezogene Verwendung eines vorangestellten da-Satzes ist:

(11) Da Sie manchmal Ihren Elfenbeinturm verlassen, wären da nicht kleine intime Zusammenkünfte bei mir (...) das Richtige für Sie? (Proust XIII, 431; zit. nach Thim-Mabrey 1982: 214)

Zumal-Sätze

Mit zumal-Sätzen werden zusätzliche Begründungen für ein aus Sprechersicht ohnehin schon genügend begründetes Urteil nachgereicht, z. B.:

(12) Für diese Mühe stört auch der Preis von 175 Mark (plus Versandkosten) nur wenig, zumal der Inhalt für Alpine-Fans keine Fragen mehr offen läßt. (Süddeutsche Zeitung, 1.04.1995, 63)

Außerdem kann zumal als verstärkende Partikel in Kombination mit da verwendet werden:

(13) Ostern in Griechenland ist wunderschön, zumal da es dort um diese Jahreszeit schon angenehm warm ist.

Zumal wird auch zur Verstärkung anderer Subjunktoren gebraucht, z. B. zumal wenn, zumal als. In diesen Fällen kann der Subjunktor nicht weggelassen werden.

Periphere Kausalsätze

Bei peripheren Kausalsätzen handelt es sich um kausale Interpretationen von Verhältnissen, die, was die isolierte Bedeutung der Nebensätze angeht, auch andere, z. B. konzessive oder konfrontative Interpretationen zulassen. Hierzu gehören

wo-Sätze mit der obligatorischen Partikel doch sowie im Nachfeld stehende Verberstsätze ebenfalls mit der Partikel doch

(14) In der Tat ist es mehr als erstaunlich, dass dieser Goethe noch immer auf seinem Sockel steht, wo doch um ihn herum kein Stein auf dem anderen blieb. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1993)
(15) Ist nicht Literatur auch da, um unsere Alltagssprache zu bereichern, zu vertiefen, wo diese doch schrumpft wie ein rachitisches Kind? (Zeit, 30.8.1985, 51)
(16) Viel ist es nicht, was der Außenminister mitbringen kann, ist doch der Handlungsspielraum der deutschen Politik äußerst eingeschränkt. (Heute Journal, 12.2.1991)

Diese beiden Formen peripherer Kausalsätze werden verwendet, um stützende Argumente und Plausibilisierungen für das Gesagte oder die vollzogene Sprechhandlung nachzuschieben. In der Regel wird man sie als Moduskommentare einordnen.

Proportionalgefüge mit umso + Adjektiv/Adverb im Komparativ ... + als

(17) Das gilt umso mehr, als die 30jährigen bis 55jährigen bei ihrer Vermögensbildung auf der Vermögensbildung der älteren Generation aufbauen können. (Zeit, 7.6.1985, 26)
(18) Sie können umso mehr durchschlagen, als das Wiedervereinigungsgebot in der Verfassung jungen Leuten oft unbekannt ist. (Zeit, 18.10.1985, 4)

Umso mehr ... als wird hier im Sinne von 'im Vergleich zu anderen als Gründe in Frage kommenden Sachverhalten vor allem deshalb, weil ...' gebraucht.

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Autor(en)
Bruno Strecker
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