Das Kopulativkompositum in der Forschungsliteratur

In der Forschungsliteratur unterteilt man Komposita traditionell in Determinativkomposita (z.B. Hutschachtel, zitronengelb) und Kopulativkomposita. (z.B. Fürstbischof, blaugelb). Gebildet werden vor allem Determinativkomposita; der Anteil der Zusammensetzungen, die mitunter in der Forschungsliteratur als kopulative Verbindungen betrachtet werden, ist jedoch keineswegs gering: Pümpel-Mader et al. (1992: 43) rechnen z.B. 1/4 ihrer Adjektivkomposita zu den Kopulativkomposita.

Dass das Phänomen Kopulativkomposition umstritten ist, sieht man schon an der verwirrenden Vielzahl der Benennungen: Kopulativkomposita werden in der Forschungsliteratur u.a. auch bezeichnet als appositive, appositionelle oder Komposita mit appositionellem Verhältnis (Grimm 1826, zitiert nach Breindl/Thurmair 1992: 33, Anm. 2, kritisch dazu Neuß 1981: 32), als Dvandva (kritisch dazu Breindl/Thurmair 1992: 38f), als koordinierte, koordinative oder Koordinativkomposita (Lang 1977: 258), als konjunktive Komposita (Kanngiesser 1985, zit. nach Fleischer/Barz 1995: 46), als attributive Komposita, Additiva, additive oder additionelle Komposita (Pümpel-Mader 1992), als Anreih-Komposita, Reihenwörter, Zwillingsformen oder Verbindungszusammensetzungen.

Auch die Kriterien, die die Kopulativkomposita von den Determinativkomposita abgrenzen sollen, sind vielfältig. Gemeinsam ist allen Definitionen: Kopulativkomposita haben gleichgeordnete Einheiten; eine determinative Relation ist ausgeschlossen. So kann z.B. in schwarz-weißes Schachbrett die zweite Einheit weiß nicht durch schwarz semantisch näher bestimmt sein: *'weiß, und zwar schwarz'. Darin unterscheidet sich ein Kompositum wie schwarzweiß 'schwarz und weiß' elementar von einem Kompositum wie schneeweiß 'weiß, und zwar wie Schnee'. Diese Abgrenzung ist in der Forschungsliteratur unumstritten; umstritten ist dagegen, welche Komposita diesem Erklärungsmodell Kopulativkompositum zugeordnet werden sollen.

Kopulativkomposita werden am besten nach Wortarten differenziert betrachtet. Dabei ergibt sich, dass es nicht notwendig und auch nicht sinnvoll ist, eine eigene Wortbildungsart Kopulativkomposition für Nomina und Verben anzusetzen (vgl. Breindl/Thurmair 1992, Donalies 1996). Einige Adjektive jedoch können nur mit dem Modell Kopulativkompositum erklärt werden (vgl. Donalies 1996).

Das kopulative Nomenkompositum

Traditionell werden in der Forschungsliteratur Komposita des Typs Hosenrock, Fürstbischof, Radiowecker, Kinocafé, Kleiderschürze, Dichterkomponist und Ministerfreund als Kopulativkomposita angesehen (vgl. Ortner et al. 1991). Wie Breindl/Thurmair (1992) analysiert haben, kann nichts "die Existenz zweier eindeutig distinkter Kategorien Kopulativkomposita und Determinativkomposita innerhalb der N-N-Komposita rechtfertigen". Solche Komposita können zwar auch kopulativ gelesen werden ('Dichter und Komponist' neben 'Dichter, der auch Komponist ist', 'komponierender Dichter'), die kopulative Lesart ist aber keineswegs die dominante. Wie u.a. Befragungstests ergaben, ist sogar "die kopulative Interpretation gerade nicht die naheliegendste, ja vielmehr offensichtlich kontraintuitiv" (ebd.: 52).

Das kopulative Verbkompositum

Gelegentlich werden in der Forschungsliteratur die sehr seltenen Komposita des Typs spritzgießen und grinskeuchen als Kopulativkomposita angesehen (vgl. Kienpointer 1985, Erben 1993: 59). Vgl. auch Eichinger (2000: 106), der die "Existenz einzelner kopulativer Bildungen" im Verbbereich nicht bestreiten möchte. Komposita dieses Typs begegnen offenbar nur in bestimmten Textsorten, vor allem in der technischen Fachsprache und der "(expressiven) Dichtung" (Wellmann 1995: 437). Sie sind deutlich verwendungsbeschränkt. So kommen verbale Kopulativkomposita meist nur als infinite oder als Nominalformen vor, z.B. das Feinziehschleifen (Schütze 1969: 424f). Wie bei den Nomina gilt, dass alle kopulativen Verbkomposita auch determinativ gelesen werden können, z.B. grinskeuchen als 'grinsen und keuchen' neben 'keuchen, und zwar grinsend'. Fleischer/Barz (1995: 295) nehmen an, dass jedenfalls bei den fachsprachlichen Zusammensetzungen die determinative Lesart sogar näherliege, "da das Erstglied in der Regel als modale Spezifizierung des Zweitgliedes verstanden wird". "Wenn es sich auch um den gleichen Ablauf von zwei Vorgängen handelt, so ist doch der eine dem anderen in starkem Maße untergeordnet" (Reinhardt 1966: 192). Folgt man seiner Analyse, nach der "von den mit Kontext vorliegenden Beispielen [...] nicht eines die Ausdeutung als Kopulativkompositum" zulässt (ebd.: 191), so "kritisiert Reinhardt [...] zu Recht die westdeutsche Duden-Grammatik, die diesen Typ (ziehschleifen) als kopulative Zusammensetzung zweier Verben ansieht" (Schütze 1969: 422). Ebenso wie die kopulativen Nomenkomposita sollten die kopulativen Verbkomposita demnach als Determinativkomposita eingestuft werden, die mitunter auch eine kopulative Lesart haben. Vgl. Donalies (1996: 275f).

Das kopulative Adjektivkompositum

Traditionell werden in der Forschungsliteratur Komposita des Typs graugrün, schwarz-weiß, schwarz-weiß-gelb, höflich-bestimmt, bitter-süß, deutsch-armenisch, ottonisch-salisch als Kopulativkomposita angesehen. Grundsätzlich gilt auch für die Adjektivkomposita, dass alle nicht nur kopulativ, sondern auch determinativ interpretierbaren Zusammensetzungen als Determinativkomposita analysiert werden sollten, z.B. rotbraun 'braun, und zwar ins Rote tendierend', höflich-bestimmt 'bestimmt, dabei aber höflich', bitter-süß 'süß, dabei aber doch auch irgendwie bitter'. Wie leicht zu erkennen ist, sind jedoch einige dieser Adjektive keinesfalls determinativ interpretierbar: In deutsch-armenische Beziehungen kann armenisch nicht durch deutsch semantisch näher bestimmt werden; ebensowenig gelb in schwarz-weiß-gelb durch schwarz-weiß. Vgl. detailliert Donalies (1996: 277-285)

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